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Volk und Wirtschaft

Indiens Wahl - Einparteienstaat und neue Weltmacht?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlFreitag, 14.06.2024
Indien hat gewählt. Eine Wahl, die hinter der Europawahl etwas aus dem Blick geraten zu sein scheint. Dabei handelt es sich durchaus um ein Ereignis der Superlative. Der „ECONOMIST" dazu:
Die größte Wählerschaft der Welt hat soeben gezeigt, wie die Demokratie abgehobene politische Eliten zurechtweisen, die Machtkonzentration begrenzen und die Geschicke eines Landes verändern kann. Nach einem Jahrzehnt an der Spitze des Landes wurde Narendra Modi ein erdrutschartiger Sieg bei den diesjährigen Wahlen vorausgesagt. Doch am 4. Juni wurde klar, dass seine Partei ihre parlamentarische Mehrheit verloren hat und er gezwungen ist, mit einer Koalition zu regieren. Das Ergebnis bringt das Projekt Modis zur Erneuerung Indiens teilweise zum Scheitern. Es wird auch die Politik unübersichtlicher machen, was die Finanzmärkte verschreckt hat. Und doch verspricht es, Indien zum Besseren zu verändern. Das Ergebnis verringert das Risiko, dass das Land in eine Autokratie abgleitet, stärkt es als Pfeiler der Demokratie und eröffnet, wenn Modi bereit ist, sich anzupassen, einen neuen Weg zu Reformen, die die rasche Entwicklung des Landes unterstützen können.
Auch die indische Demokratie selbst verkörpert, nach Shruti Kapila im empfohlenen Artikel, global so etwas wie eine Superlative. Es könnte in seiner Größe, Buntheit, Komplexität und Dynamik für die Zukunft der Welt prägender sein als unser alterndes, depressives Europa:
Im Jahr 2022 löste Indien seinen einstigen imperialen Meister Großbritannien ab und wurde zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt. Im Jahr 2023 überholt Indien dann China mit 1,4 Milliarden Menschen und wurde das bevölkerungsreichste Land der Erde. Seine regionale Vielfalt lässt Europa einfarbig erscheinen, denn es werden mehr als 20 offizielle Sprachen gesprochen. Mit 205 Millionen Muslimen - 15,5 Prozent der Bevölkerung - ist es das Land mit der zweitgrößten muslimischen Bevölkerung der Welt. Mit der jüngsten und größten Bevölkerung der Welt kann Indien als Träger der Zukunft der Menschheit angesehen werden. 
Die Indische Parlamentswahl 2024 wurde in sieben Phasen durchgeführt, vom 19. April bis zum 1. Juni 2024. Dabei waren 968 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Das indische Parlament (Lok Sabha) hat 543 Sitze (das deutsche Parlament umfasst 733 Sitze). Zur Auszählung und Ergebnisverkündung kam es am 4. Juni. Das Parteienbündnis Nationale Demokratische Allianz (NDA) unter der Führung von Premierminister Narendra Modi erreichte zwar mit 240 Sitzen die für die Regierungsbildung erforderliche Schwelle, seine Partei BJP verlor aber die Mehrheit im Parlament.
International haben deshalb die indischen Wahlen unter Modi ein sehr breites Echo gefunden. Die klare Einschätzung - die langfristige Strategie des Narendra Modi ist erst mal gescheitert. Diese Wahl war
im Grunde ein Plebiszit über einen einzigen Mann. Mit 73 Jahren bekleidet Modi das höchste indische Amt bereits seit einem Jahrzehnt. Tatsächlich hat Modi seit den ersten Jahren dieses Jahrhunderts ununterbrochen hohe öffentliche Ämter bekleidet. Zunächst war er ab 2001 Ministerpräsident des wirtschaftlich starken westlichen Bundesstaates Gujarat, bevor er 2014 in das mächtigste Amt aufstieg. Es war Modi, der 2014 seiner BJP ein Mandat verschaffte, das Indiens Regierung auf den Hindu-Nationalismus festlegte. Sein darauffolgendes und noch größeres Mandat im Jahr 2019 begann damit, offen Gesetze für ein Hindu-first-Indien zu erlassen.

Noch unmittelbar vor den Wahlen gab sich Modi, der seit zehn Jahren keine Pressekonferenz mehr gegeben hat, vor ausgewählten globalen und indischen Medien siegesgewiß und erklärte die Neugestaltung Indiens zu seiner persönlichen Mission. Für ihn ging es um nichts Geringeres als um die Identität Indiens. 

Modis Vision ist die eines neuen Indiens - oder die Rückkehr zum alten Namen Bharat, den er popularisieren (oder sogar als offiziellen Namen des Landes einführen) möchte. Auch wenn dieser Vorschlag Vorstellungen von zivilisatorischer Größe oder einem längst vergangenen goldenen Zeitalter projiziert, deutet er auf eine Zukunft hin, in der globale Statusspiele und eine ausgrenzende nationale Kultur dominieren. Indem sie solche Debatten anheizen, signalisieren Modi und seine BJP ganz bewusst eine neue politische, wirtschaftliche und globale Vision für Indien. Analysten und Kritiker beschreiben Indien unter Modi oft als "illiberale Demokratie" oder sogar als "Wahlautokratie", ……. 

Mit seinen 240 Sitzen wird die NDA nun zwar die Regierung bilden, und Modi wird zum dritten Mal den Eid als Premierminister Indiens ablegen. Damit ist er der dritte Regierungschef in der Geschichte Indiens, dem dies gelingt. Wie aber Surbhi Gupta im New Lines Magazine betont, 

wird er zum ersten Mal in seiner politischen Laufbahn eine Rolle in einer Koalitionsregierung übernehmen, was bedeutet, dass er eng mit den Bündnispartnern zusammenarbeiten, die Macht mit den regionalen Parteien in der Regierung teilen und auf deren Forderungen eingehen muss. Die BJP "wird regelmäßig Treffen mit ihren Verbündeten einberufen müssen, um die Stimmung zu überprüfen; sie wird sie an Bord holen müssen, bevor sie über heikle Themen entscheidet", …. Aus diesem Grund wird das Ergebnis als eine Niederlage in einem Sieg für Modi und die BJP bezeichnet.

Andere politische Beobachter, so das Magazine weiter, formulierten es härter.  Modi - und die BJP seien von den indischen Wählern "gedemütigt" worden. Schlagzeilen lauteten: 

"Indien stürzt Modi", "Indien blüht, der Lotus verwelkt" (ein Lotus ist das offizielle Symbol der BJP) und " Milliardärsfreund Modi wird von Indern gedemütigt, die 4 Dollar pro Tag verdienen". Die vorherrschende Meinung unter Menschen mit einer Vielzahl von politischen Zugehörigkeiten ist, dass Modi sein Mandat aufgrund seiner Arroganz und Überheblichkeit verloren hat. "Wie aus Berichten vor Ort hervorgeht, ist dieses Mandat eine Ablehnung der illiberalen Agenda, sowohl im sozialen als auch im wirtschaftlichen Bereich, die Premierminister Narendra Modi in den letzten zehn Jahren vorangetrieben hat", …..

Es ist sicher noch viel zu früh, das als eine endgültige Niederlage zu interpretieren. Shruti Kapila hat sicher recht, Modi wird weiter seine Machtmittel einsetzen und er wird vielleicht auch lernen:

Als kaderbasierte Partei, die doppelt so groß ist wie die Kommunistische Partei Chinas, ist die BJP mit 180 Millionen Mitgliedern nicht nur die größte politische Partei der Welt, sondern mit fast 6 Milliarden Dollar in ihren Kassen auch eine der reichsten Parteien der Welt. Zusammen mit einer Reihe anderer Mitgliedsorganisationen - insbesondere der 1925 gegründeten paramilitärischen Organisation Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), die sich mit über fünf Millionen Freiwilligen der Verwirklichung der Hindutva oder des politischen Hinduismus verschrieben hat - steht Modi an der Spitze einer gewaltigen und effizienten politischen Maschinerie.

Aber auch die indische Opposition ist aktiv und lernt. Ihr Gesicht ist Rahul Gandhi,  der zunächst durch den Bharat Jodo Yatra (Marsch der Einheit) im Winter 2022 und 2023 und den kürzlich abgeschlossenen Nyaya Yatra (Marsch für Gerechtigkeit)  eine eigene Kampagne ins Leben gerufen hat. Seine Anhänger wollen den Akt des Gehens, als Zeichen der Gewaltlosigkeit, den Gewaltakten der Hinduaktivisten symbolisch entgegenstellen. Dazu kommt,

Gandhis Kongresspartei, die auf einen fraktionierten Rest reduziert ist, hat Karnataka, einen der reichsten Bundesstaaten und das Technologiezentrum Indiens, der BJP in einer folgenschweren Wahl im Jahr 2023 abgerungen, was sie zu einer mächtigen Startrampe für eine nationale Kampagne gegen Modi macht. Sechsundzwanzig kleine und große Parteien, darunter auch der Kongress, haben sich zu einer noch nie dagewesenen Einheit gegen Modi zusammengeschlossen. Als Antwort auf die verführerische Kraft von Symbolen hat sie sich nach der Nation benannt: I. N.D.I. A. (Indian, National, Inclusive Development Alliance). 

Es ist sicher noch ein weiter Weg bis in eine nationale Regierung. Aber indem die Opposition wirtschaftliche Gerechtigkeit zum zentralen Wahlkampfthema machte, hat sie gute Chancen in breiten Kreisen der Bevölkerung - quer durch Kasten und Religionen. Das besonders Angesichts der Rekordarbeitslosigkeit, der Ungleichheit und der steigenden Preise für Güter des täglichen Bedarfs. Der durch Modi geschürte nationale Ehrgeiz, der ein Jahrzehnt lang die politische Landschaft dominierte, wurde durch einen neuen Realismus gekontert. 

Das heißt, während Modi sich auf das neue Indien konzentriert hat, ist es der Opposition gelungen, den Fokus auf das Leben der Inder zu verlagern.


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