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Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Gestern Abend bin ich über eine Reportage aus dem SZ Magazin gestolpert, bei der ich fast übersehen hätte, dass sie schon fünf Jahre alt ist. Normalerweise piqe ich solche Stücke hier nicht mehr, aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme. Tatsächlich hat das Alter des Textes einen gewissen Reiz. Man gleicht die damalige Debatte unwillkürlich mit dem heutigen Stand ab. Wobei es das Wort "Debatte" nicht trifft, handelte es sich doch oft genug um handfeste Streitereien, die nicht ohne heftige Verletzungen abgingen. Auch wenn sich manche Sachverhalte erledigt haben dürften, so wird im Grunde all das klug und nachdenklich thematisiert, worum es auch in diesen Tagen wieder geht: Wie etwa sollen wir mit Begriffen und Symbolen umgehen, die von einigen als diskriminierend empfunden werden könnten?
Sollten wir die Worte deshalb abschaffen, ersetzten und aus Büchern streichen? Oder gilt es, genauer hinzuschauen, unter welchen Umständen sie von einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerin ursprünglich verwendet wurden? Welche Rolle wollen wir der Entstehungsgeschichte und den Intentionen zubilligen?
Die beiden SZ-Autoren haben irritierende, teils paradox bis absurd anmutende Beispiele gefunden und formulieren zahlreiche Fragen, ohne dabei Antworten vorzugeben. Vor allem Letzteres macht aus meiner Sicht dann auch die Stärke des Textes aus. Man muss halt selbst nachdenken und zu seinen eigenen Schlüssen kommen.
Der Titel "In der Grauzone" trifft es daher ziemlich gut, verdeutlicht er doch, dass sich viele Begriffe zuweilen einer allzu einfachen Zuordnung in Gut oder Böse entziehen. Teils liegt das an einer Begriffsgeschichte, die vielfältiger ist, als es vor allem Aktivisten wahrhaben wollen – und denen manche Kollegen allzu unkritisch alles abkaufen, was dann zu Artikeln wie diesem in der FR führt, bei dem nicht mehr klar ist, ob der Aktivist den Redakteur auch noch beim Verfassen des Artikels beaufsichtigt hat.
In dem SZ-Stück wird übrigens auch Andrew Onuegbu erwähnt, der dieser Tage wieder in den Medien auftauchte. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er kürzlich etwa: "Ich möchte als Schwarzer nicht erklärt bekommen, wann meine Gefühle verletzt werden. Das ist auch eine Form von Rassismus." Er ist übrigens Chef des Restaurants "Zum Mohrenkopf". Wie oben schon angedeutet: So einfach lassen sich all die Standpunkte nicht über den berühmten Kamm scheren.
Quelle: Thomas Schmoll, Lorenz Wagner Bild: SZ Magazin sz-magazin.sueddeutsche.de
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Sehr geehrter Herr Liesemer,
ich halte den Artikel für lesenswert, aber scheinbar aus anderen Gründen als Sie. Denn er illustriert meiner Ansicht nach deutlich das Frühstadium eines Diskurses, welches sich dadurch kennzeichnet, dass von Rassismus Betroffenen und Expert*innen über das Thema nun mindestens ebenbürtig Gehör geschenkt wird wie denjenigen, die sich gegen den Vorwurf des Rassismus verteidigen. Denn, wie vielen (weißen) Menschen wahrscheinlich nicht klar sein dürfte, ist die Ausbildung einer Haltung auf diesem Gebiet nicht bloß eine Frage des persönlichen Geschmacks, sondern auch des Wissens über die Mechanismen und Hintergründe, durch und vor der strukturelle Rassismus in Deutschland operiert. Ich schreibe Frühstadium, weil ich der Meinung bin, dass sich dieser Diskurs seither weiterentwickelt hat und mittlerweile etabliert sein dürfte, dass das N- und M-Wort nicht mehr ausgeschrieben werden sollten, wie das noch im Artikel recht unverblümt geschieht. Darüber, ob wir dieses Frühstadium verlassen haben, bin ich mir angesichts der immer noch häufig in den Medien anzutreffenden apologetischen (und meist von weißen Menschen geäußerten) Meinungen allerdings noch unsicher.
Meiner Ansicht nach illustriert der Text nicht, wie Sie schreiben, dass es in Bezug auf das Thema Rassismus ja so viele unterschiedliche Meinungen und begriffliche Komplexitäten gebe, dass eine klare Handlungsempfehlung dadurch verunmöglicht werde. Da reicht es auch nicht, einen oder zwei Schwarze zum Beweis vorzuzeigen, welche kein Problem mit den kritisierten Verhaltensweisen haben und das als achselzuckende Ausrede zu benutzen, sich nicht weiter mit der eigenen Verantwortung in Bezug auf internalisierte rassistische Denkmuster zu befassen. Ein kleines Gedankenexperiment: ließe sich die Problematisierung ehemals verbreiteter, sexistischer Begriffe und Umgangsformen einfach so abweisen, indem eine Handvoll Frauen zu Rate gezogen werden, die erklären, sie fänden den Klaps auf den Hintern schmeichelhaft?
Was der Artikel meiner Meinung nach zeigt, ist, dass je tiefer sich mit den Ursprüngen und gesellschaftlichen Implikationen diskrimierender Sprache befasst wird, eine Verteidigung ebendieser immer heikler wird. Die im Text zitierten Akademiker*innen, ob Schwarz oder weiß, die sich mit dem Thema intensiv und auf wissenschaftlicher Ebene befasst haben, kommen mehrheitlich zum gleichen Schluss - dass solche Begriffe abzulehnen sind. Die von Ihnen im Eingangstext latent als hysterisch abgetanen Aktivist*innen sind häufig selbst Expert*innen auf dem Gebiet und können sehr überzeugend begründen, warum eine Verwendung rassistischer Sprache problematisch ist, wenn man bereits ist, ihnen zuzuhören. Übrigens bildeten Aktivist*innen in der Vergangenheit bereits des Öfteren ihre eigene Expertise aus, die sie als antithetisches Gegengewicht zur Expertise der Autoritäten nutzten, um tatsächlichen Wandel zu bewirken, wie im Falle des Diskurses um die medizinische Versorgung von AIDS-Erkrankten in den 1980ern und 90ern.
Inzwischen sind die Stimmen solcher betroffenen Expert*innen weitaus hörbarer vertreten - Alice Hasters, Hadija Haruna-Oelker oder Natasha Kelly, um nur einige zu nennen - was mich zumindest vorsichtig optimistisch stimmt, dass sich in Bezug auf manche Fragen zumindest in absehbarer Zeit ein Konsens einstellt. Für mich als weißen Mann war und ist dabei die wichtigste Aufgabe, meinem Reflex zur Verteidigung und Relativierung zu widerstehen - und zuzuhören.