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Zeit und Geschichte

Unpiqd: Journalismus sollte Haltung haben. - Oder?

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergSonntag, 23.09.2018
Ein geschätzter Kollege glaubt:

Ein Haltungsjournalismus, der Rechtsextremismus anprangert und Linksextremismus verharmlost, ist eine Gefahr für die Demokratie.

Als Stoff dienen ihm Berichte über die Schande von Chemnitz und den Kampf um den Hambacher Forst.

Er plädiert für diese Position:

Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.

Im Original heißt es bei Hanns Joachim Friedrichs etwas anders, aber ein Sturmgeschütz der Demokratie, wie sein Zeitgenosse Rudolf Augstein seine Gründung DER SPIEGEL nannte, war der Tagesthemen-Moderator nicht.

Der Journalist des Jahrhunderts unseres Nachbarn Polen, Ryszard Kapuściński, engagierte sich ebenso für eine gute Sache, die der Dekolonisierung.

Ist das nur bei Linken so?

Keineswegs, Walter Lippmann ist einer der Jahrhundertjournalisten der USA und war konservativ.

Aber gefährdet das nicht die Demokratie?

Gerade die linke Parteipresse verstärkte und bildete das Bewusstsein bei der ältesten immer noch existierenden Partei Deutschlands: Es ist, trotz ihres jetzigen Zustandes, die SPD. Und sie ist die einzige Partei, die sich nie umbenennen musste. Ihre Parteipresse war ein Wegbereiter der Demokratie.

Antonio Gramsci unterschied zwischen traditionellen Intellektuellen, den Beamten, Priestern und Lehrern, sowie organischen, zu denen er auch Journalisten rechnete. Sie seien

Organ ihrer Klasse und drücken deren Konsens, Interessen und Bedürfnisse aus.

Und deren Irrtümer könnte man hinzufügen.

So vertrat Friedrichs die liberalen Bürger und stellte sich dem Dilemma der erwähnten Jahrhundertgestalten, aber auch vieler anderer nicht. Pierre Bourdieu brachte dieses auf einen denkbar knappen Nenner:

Wie dient man einer Sache, ohne in Dienst genommen zu werden?

Nüchtern zu berichten, ist oft hilfreich.

Aber:

Geschichtsschreibung bildet nicht einfach ab, wie es mal gewesen ist, und Journalismus nicht, was ist.

Unpiqd: Journalismus sollte Haltung haben. - Oder?

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Kommentare 6
  1. Christoph Weigel
    Christoph Weigel · vor mehr als 6 Jahre

    ich finde das 'unpiqd' label für diesen tagesspiegel-artikel gerechtfertigt. irgenwie kam er mir wie schonmal-gelesen vor. ein déjà vu ähnlicher tagesspiegel-texte aus den frühen 80er jahren in berlin (hausbesetzer etc.).

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 6 Jahre

      Danke für den Hinweis.

    2. Nutzer gelöscht
      Nutzer gelöscht · vor mehr als 6 Jahre

      @Achim Engelberg Das ist ein Déjà vu, das sich halten wird. Denn die Diskussion ist alt und wird nie aufhören. Und das ist gut so: Nur in Diktaturen brauchen wir darüber nicht mehr zu reden. Denn dann ist die Pressefreiehiet bereits tot.

  2. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 6 Jahre

    Die wichtigste Haltung eines Journalisten, einer Journlistin ist, aufzuklären. Das geht nicht ohne Fragen zu stellen. Und das wiederum geht nicht ohne ein Mindestmaß an kritischem Bewusstsein. Dieses ist gerade dann notwendig, wenn ich mit einer Sache, einem Menschen sympathisiere. Warum auch nicht? Es gibt keinen "neutralen" Blick. Es gibt nur den redlichen Versuch ein Ereignis aus möglichst vielen Perspektiven zu beleuchten und mit möglichst unterschiedlichen Menschen zu sprechen. Und eben: Fragen stellen. Meine Einschätzung des Ereignisses wird immer einfließen - schon in der Wahl, was berichtenswert ist. Es ist nur die Frage, ob ich auch den Rezipienten meine Gefühlslage und meine Wertungen um die Augen und Ohren haue. Das sollte dem klar gekennzeichneten Kommentar vorbehalten werden. Ich habe schon länger den Eindruck, dass sich zwei ungute Entwicklungen Bahn brechen: entweder lese ich Berichte, die eigentlich Pressemitteilungen sind und jegliches Infagestellen geradezu vermeiden, oder Berichte, die emotionalisieren und skandalisieren, weil man glaubt, dass sie dann besser beim Rezepienten ankommen.
    Ich halte im Übrigen, das Fehlen einer Haltung auch bei Politiker*innen, für die eigentliche Gefahr für unsere Demokratie. Nicht umsonst hat die AfD einen derartigen Zulauf. Ob es uns passt oder nicht - sie haben eine. Wenn auch eine abstoßende.

    1. Christoph Weigel
      Christoph Weigel · vor mehr als 6 Jahre

      der fotograf sebastião salgado hat in seinen reportagen haltung gezeigt. vielleicht gelingt dies mit visuellen mitteln besser als mit sprachlichen? ich weiß nicht... ohne daß sie jemals zu weit ins kommentierende, pamphletische abdriften machen sie dem leser/betrachter ganz klar, daß reportagen ans eingemachte gehen können, daß der reporter·in das reportierte kaum aushält.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 6 Jahre

      Einverstanden grüßt Achim

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