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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Didier Eribon beschäftigt sich mit französischen Geistesgrößen. So publizierte er einen Interviewband mit Claude Lévi-Strauss und eine Biographie von Michel Foucault. Aufsehen erregt er nun mit "Rückkehr nach Reims", eine autobiographische Schrift. Der Autor stammt nämlich nicht aus dem Pariser Intellektuellenmilieu sondern aus einfachen Verhältnissen, wie man so sagt, die meistens kompliziert sind. Eine Fabrikarbeiterfamilie, die Schwierigkeiten mit seiner Homosexualität hatte.
Jahrelang brach der Kontakt mit seinen Eltern ab, schließlich kehrte er zurück, als sein Vater im Sterben lag. Erschüttert stellt er fest, dass aus seiner ehemals kommunistischen Familie Wähler des rechtsextremen Front National (FN) geworden sind.
Im Interview erläutert er den Wandel, der weit über den Einzelfall hinausgeht, der europäische, ja, globale Dimensionen besitzt:
"Das Problem ist, dass Europa von einer Klasse regiert wird, die der britische Autor Tariq Ali einmal die "extreme Mitte" genannt hat: Diese Leute glauben, dass das, was den gut ausgebildeten Menschen in den Metropolen nützt, automatisch gut für alle ist. Das ist offensichtlich falsch: Es gibt in Europa sehr viele Menschen, die marginalisiert sind, die verzweifelt sind, die über das, was in ihrem Leben vor sich geht, wütend sind. Die nicht nur keine Arbeit haben, sondern die sich auch nicht mehr vorstellen können, dass sie jemals wieder einen Job bekommen werden oder dass es ihren Kindern eines Tages besser gehen wird. Und diese Leute haben kaum eine Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen: Wenn man keine Arbeit hat, kann man nicht streiken. Und wenn man einen Job hat, riskiert man, dass der befristete Vertrag nicht verlängert wird oder man während des Streiks nicht bezahlt wird, was sich viele schlicht nicht leisten können. Und wenn sie dann demonstrieren, wissen sie, dass das keinerlei Effekt haben wird, selbst wenn sie wie in Frankreich eine sogenannte linke Regierung haben. Die Leute, die in diesen Tagen auf die Straße gehen, haben die aktuelle Regierung gewählt, bekommen aber nun zu hören, dass ihre Meinung keine Rolle spielt. Was bleibt ihnen also anderes übrig, als nächstes Mal in Frankreich FN zu wählen, in Österreich FPÖ, in Großbritannien Brexit und in Deutschland AfD?"
Ähnliche Erfahrungen machte der belgisch-flämische Autor Stefan Hertmans, der eine Zeit des Jahres in Frankreich lebt. Ich interviewte ihn für die Zeitschrift der Akademie der Künste (SINN UND FORM, Heft 2/2016).
Quelle: Felix Stephan interviewt Didier Eribon zeit.de
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