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In Bonn geboren, bei Heidelberg lebend. Freier Historiker mit Schwerpunkt in der digitalen Public History, dort Kopf von und hinter @9Nov38, @DigitalPast und @Gefluechtet. Interessiert sich vor allem für europäische Zeitgeschichte, Amerikanische Geschichte und Geschichtsbilder der politischen Außenrandgruppen
Zu den großen Mythen in unserem Informatik-Grundkurs Ende der 1990er Jahre gehörte Wolfenstein 3D, einer der ersten Ego-Shooter überhaupt. Neben der schieren Möglichkeit, auf unseren völlig veralteten Schulcomputern zu laufen, war Wolfenstein vor allem dafür bekannt, nicht bekannt zu sein: Aufgrund seiner allzu freigiebigen Verwendung von Hakenkreuzen sowie der (heute lächerlich anmutenden) virtuellen Gewalt war das Spiel bundesweit beschlagnahmt worden, was gleichzeitig faktisch einer Pressezensur gleichkam: Weil keine Games-Zeitschrift eine Einstampfung der Auflage riskieren wollte, sich aber in den 90ern jeder Shooter mit Wolfenstein 3D vergleichen musste, standen dort meist eher leidlich kryptische Andeutungen wie „ein ungenannt bleibender Weltkriegs-Shooter“ oder „Hundefelsen 4E“.
Warum ich das erzähle? Weil die Wolfenstein-Serie weitergegangen ist und es nun in der Story nicht mehr um den Zweiten Weltkrieg geht, sondern um ein kontrafaktisches nationalsozialistisches Amerika nach dem Endsieg Hitlerdeutschlands. Und weil, wie Christian Schiffer im heutigen Piq ausführlich darlegt, diese kontrafaktischen NS-USA für die deutsche Fassung des Spiels inhaltlich derart verändert wurden, dass dabei ein ganz neues Genre der Absurdität herauskommt: Die Leugnung eines fiktiven Holocaust. Aus Angst vor deutschen Behörden und Jugendschutzeinrichtungen wurden nämlich sämtliche Bezüge zum Nationalsozialismus entfernt – nicht nur wie früher Hakenkreuze, sondern sogar der Bart von Adolf Hitler, der in Deutschland plötzlich „Herr Heiler“ heißt. Jüdische Charaktere sind nun einfach nur noch „Polen“ oder „Verräter“, die in „Gefangenschaft“ sterben statt in den (fiktiven nordamerikanischen) Vernichtungslagern.
So recht kann offenbar niemand erklären, wie es zu dieser kompletten Umschichtung der kontrafaktischen Geschichte kam. Eines ist aber ziemlich sicher: Der Umsatz mit Import-Exemplaren des Spiels dürfte überdurchschnittlich hoch sein.
Quelle: Christian Schiffer br.de
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Leider ist es nicht so einfach mit dem Import. Auf Spielkonsolen gibt es zwar (noch) keine Einschränkungen, aber auf dem PC lässt sich Wolfenstein II: The New Colossus offiziell nur über den Online-Distributionsdienst Steam spielen. Selbst wenn man sich also ein Exemplaren aus dem USA-Urlaub mitbringt, wird zu Hause – abhängig von der IP-Adresse – die geschnittene Version aktiviert (»Geolock«). Umgehen kann man das mit einem VPN, das eine US-IP-Adresse fingiert. In den AGBs von Steam wird das jedoch explizit untersagt und mit der Sperrung des Accounts gedroht. Ähnliches gilt für Uncut-Patches. Die unkomplizierteste – und wohl auch eine sehr beliebte – Möglichkeit ist es, eine Uncut-Raubkopie zu nutzen. Für PC-Nutzer gibt es quasi keine legale Option, Wolfenstein II: The New Colossus ohne sinnentstellende Selbstzensur zu spielen.
Davon abgesehen: Bei der Wolfenstein-Reihe ist die überambitionierte Selbstzensur zumindest teilweise nachvollziehbar. Im spielerischen Kern bleibt's eine brutale Nazi-Schießbude. Die unklare Rechtslage (gilt § 86 Abs. 3 StGB für Games?) macht es aber vor allem auch ambitionierten Games unnötig schwer. Etwa: http://throughthedarke....