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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Gelegentlich liest man auch hier, nachdem man seit 2008 wieder öfters vom Kapitalismus spricht, das sei doch veraltet, das sei doch der olle Marx.
Ach, wirklich? Wie oft schreibt denn Marx in seinem Hauptwerk vom Kapitalismus?
Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine "ungeheure Warensammlung", die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.
So der erste Satz von DAS KAPITAL.
Der Philosoph Wolfgang F. Haug kann in seinem Vortrag aus der ARD-Mediathek dieses Buch in 45 Minuten nicht vollständig erhellen, aber Marx als Denker der Übergänge, der Entwicklungen vorstellen, der den "genetischen Code" von Gesellschaften untersucht und ihre treibenden Zwecke. Marx war der erste Theoretiker des Weltmarkts mit klassisch klaren Einsichten wie der, das Arbeit keinen Wert hat, sondern sie bildet Wert.
Wolfgang F. Haug wirft Fragen auf:
Warum bleibt diese Methode unübertroffen, obwohl Marx Computer oder Handys nicht mal erahnte?
Wie bestimmt das gesellschaftliche Sein unser Bewusstsein?
Warum spricht Marx, als wären wir Eingeborene vom Fetischcharakter der Ware?
Warum benötigt die kapitalistische Produktionsweise immer Kreditketten?
Weswegen erfolgt, wenn diese reißen, der Ruf nach dem Staat?
Welche Handlungsmöglichkeiten haben Staaten?
(Anmerkung: Nach 1929 finanzierte der US-Staat den New Deal, die Nazis die Rüstungproduktion. In beiden Fällen griff der Staat ein, was bisher in allen großen Krisen geschah, zuletzt nach 2008.)
Gerade Ökonomen, die Staatseingriffe für Sozialismus halten, kennen den genetischen Code unserer Wirtschaft nicht.
Der aufschlussreiche Vortrag verhält sich wie eine Hausapotheke zu einem Krankenhaus, aber manchmal ist erste nützlich.
Wer das Original lesen möchte, empfehle ich keine kostenlose Ausgabe aus dem Netz, obwohl die verlinkte zu gebrauchen ist, sondern diese Ausgabe.
Ach, wer Enteignungen für sozialistisch hält, lese das 24. Kapitel.
Quelle: Wolfgang Fritz Haug / Karl Marx Bild: SWR ardmediathek.de
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Ich muss zugeben, ich bin ein wenig getriggert ob der obigen Sticheleien gegenüber denen, die angeblich den genetischen Code unserer Wirtschaft nicht verstehen, deswegen frage ich:
hat Marx Antworten auf die Krisen, in die uns der globale Kapitalismus zu stürzen droht?
-Ja!
Hat sie der Sozialismus?
-Jein!
Ist es wirklich notwendig, die Idee des Sozialismus von seinen praktischen Auswüchsen reinzuwaschen, bevor wir es endlich wagen dürfen, den Untergang des kapitalistischen Systems einzuläuten?
-Jein!
- Ja, weil uns das Vermeidenwollen des Sozialismusvorwurfs vorauseilende Denkverbote auferlegt.
- Nein, weil mittlerweile einige verheißungsvolle Alternativen zum Kapitalismus (Gemeinwohlökonomie, bedingungsloses Grundeinkommen, Postwachstumsökonomie...) in die Debatte geworfen sind, denen eine Verengung/Vereinnahmung durch sozialistische Narrative nur schaden könnte.
Ich denke, was wir brauchen ist auch hier wieder eine Gleichzeitigkeit. Wir müssen sowohl die Alternativen unverbraucht und unbelastet denken und schaffen und gleichzeitig die Essenzen aus Marx' Werk extrahieren und reevaluieren, die uns auf diesem Weg helfen können.
Ob daraus eine Revitalisierung auf Ideologieebene wachsen kann, sehe ich skeptisch aber da geht es ja Liberalismus und Konservatismus ähnlich. Wir befinden uns einfach in einem postideologischen, pragmatisierenden (als Prozess) Zeitalter. Wenn wir uns jedoch dessen Grundkonstellation anschauen, kann darauf nur ein postpragmatisches (aber in der Motivation nicht ideologisches) des gesellschaftlichen Umbruchs folgen. Über die Frage, wohin der Zeiger dann am Ende ausschlägt, ob überspitzt gesagt zu Fridays for Future oder zu Pegida, darüber entscheidet auch, wer die Leute schneller und lauter abholt. Für mich noch ein Grund mehr für Gleichzeitigkeit.