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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Wann enden die langen Jahrhunderte der Angst?

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergSonntag, 24.09.2023

Was man hört, liest und zuweilen sieht, deutet daraufhin, dass die Angst und die Repressionen in Russland wachsen.

Der Archipel Gulag, das sowjetische Zwangsarbeitssystem, wird nicht nur in einigen Teilen weitergeführt, sondern sogar ausgebaut. Es ist brennende Gegenwart.

Und diese hatte Vorläufer im fernen Gestern: die Totenhäuser, wie sie Dostojewski für das zarische Russland nannte.

Im englischen Bericht mit vielen Fotos und vor allem Zeichnungen heißt es über das Heute:

Die ukrainischen Zivilisten wachten lange vor Sonnenaufgang in der bitteren Kälte auf, stellten sich vor der einzigen Toilette an und wurden mit vorgehaltener Waffe in den Viehanhänger verladen. Die nächsten 12 Stunden oder mehr verbrachten sie damit, an der Front Gräben für die russischen Soldaten auszuheben.

Viele waren gezwungen, übergroße russische Militäruniformen zu tragen, die sie zu einer Zielscheibe machen konnten, und ein ehemaliger Stadtverwalter stapfte in Stiefeln herum, die fünf Nummern zu groß waren. Am Ende des Tages waren ihre Hände zu eisigen Klauen verkrümmt.

Und hier kann man in Dostojewskis Bericht aus dem 19. Jahrhundert, aus dem fernen Gestern, hineinlesen: Aufzeichnungen aus einem toten Haus. Erschreckenderweise ist es nicht so erschreckend wie im letzten Jahrhundert, dem vergangenen 20. 


Im nahen Gestern entstand das größte Zwangsarbeitssystem der bisherigen Weltgeschichte, das in dieser dreiteiligen Doku von Patrick Rotman "Gulag – Die sowjetische Hauptverwaltung der Lager" mit seltenem Dokumentarmaterial dargestellt wird.

Im ungemein fesselnden Buch "Die unbequeme Wahrheit von Nikolai Epplée, das in deutscher Übersetzung von Anselm Bühling unlängst bei Suhrkamp erschien, erzählt der Autor nicht nur das Lagersystem und die anderen Unterdrückungsmethoden, sondern auch die Versuche, sich im heutigen Russland mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen. 

Er vergleicht diese mit ähnlichen, aber nicht gleichen in anderen Ländern wie Argentinien, Deutschland, Japan, Polen, Spanien und Südafrika.

Im Buch stieß ich auf einen Hinweis auf einen bemerkenswerten Film, den man im russischen Original mit englischen Untertiteln ansehen kann:

Im April 2019 veröffentlichte der Journalist und Videoblogger Juri Dud den "Dokumentarfilm Kolyma – die Heimat unserer Angst" auf YouTube. Schon bald darauf wurde der Film als "eines der bedeutendsten kulturellen und historischen Ereignisse des Jahres" bezeichnet. 

Das Filmteam legte bei eisigen Temperaturen 2000 Kilometer auf der Kolyma-Trasse zurück und sprach mit Einheimischen und den Kindern der Menschen, die in der Stalinzeit in den Lagern im Magadaner Gebiet inhaftiert gewesen waren. Am Beispiel der Kolyma erzählt es die Geschichte des Gulag in einer für ein junges Publikum nachvollziehbaren Sprache und erklärt, warum dieses Thema uns auch heute noch alle betrifft. 

In der Einleitung sagt Dud: Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber ich habe von meinen Eltern das ganze Leben lang zu hören gekriegt : "Sei vorsichtig ! Mach nicht unnötig auf dich aufmerksam und lehn dich nicht aus dem Fenster, das ist sehr gefährlich. Und überhaupt, wir sind einfache Leute und haben nichts zu sagen." Woher kommt diese Angst der älteren Generation, dieses Bestreben, nur nicht aufzufallen ? Warum haben sie solche Angst, dass selbst das kleinste bisschen Mut unweigerlich bestraft wird? Meine Theorie ist: Diese Angst wurde im letzten Jahrhundert geboren und ist über Generationen hinweg bis auf uns gekommen. Einer der Orte, an denen sie entstand, ist die Kolyma. Der Film wurde in der ersten Woche auf YouTube 9,5 Millionen Mal aufgerufen, und bis zum März 2020 stieg die Zahl der Aufrufe auf über 20 Millionen.

Hier findet man einen älteren Beitrag von Dekoder über den Film, den man heute anders sieht.

Es zeigt sich aber auch, unter anderen Verhältnissen war gestern, und wäre wahrscheinlich auch heute noch, in Russland Besseres möglich.

Das traurige, brutale Heute erzählt die eingangs zitierte Reportage, die so endet:

Im Mai 2022 befand sich Vuiko in einem Gefängnis in Kursk, Russland, Hunderte von Kilometern entfernt. Alles, was seine Tochter seitdem von ihm erhalten hat, ist ein handgeschriebener Brief, der sechs Monate nach seiner Entführung und vier Monate, nachdem er ihn geschrieben hatte, eintraf. Die Standardformulierungen sagen seiner Tochter nichts, außer dass er am Leben ist, und sie vermutet, dass er keinen ihrer Briefe erhalten hat. "Ich denke jeden Tag darüber nach", sagte sie. "Es ist ein Jahr her, mehr als ein Jahr. ... Wie viel Zeit muss noch vergehen?"

Gestern & Heute: Wann enden die langen Jahrhunderte der Angst?

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