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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Seitdem der unter dem mittlerweile entkernten Schlagwort "Neoliberalismus" entfesselte Turbokapitalismus den Planeten zerstört und gleichzeitig versucht, die "Geschichte" zu entsorgen, gibt es Stimmen, die das analysieren und warnen. Sie werden generationsübergreifend deutlicher.
Es könnte sich hier eine andere Zeitenwende andeuten.
Ohne eine markante Wiedergewinnung der Geschichte wird es keine gute Zukunft geben. So schreibt es der 1996 geborene Muamer Bećirović:
Wir werden nicht umhinkommen, mehr Geschichte zu studieren, wenn wir in Europa wieder strategisch denken wollen. Strategische Entscheidungen kann uns auch die Künstliche Intelligenz nicht abnehmen. Wir Menschen werden diese Entscheidungen selbst treffen müssen. Wenn es etwas gibt, das uns am besten darauf vorbereiten kann, dann sind es nicht die Vorbilder, sondern die ähnlichen Erfahrungen, die die Menschen in den letzten Jahrhunderten gemacht haben. Wir sollten nicht so tun, als wären wir weiser als die Toten. Das sind wir nicht.
Parallel mit dem Niedergang der Geschichte ereignete sich eine Verengung der Wahrnehmungen und der Aufmerksamkeitsdauer. In einem Interview, in dem die 1958 geborene Elisabeth Bronfen die Bilanz ihres universitären Berufslebens zieht, sagt die renommierte Anglizistin und Kulturwissenschaftlerin, die weit über ihre Zunft bekannt ist:
Ein Melville-Seminar könnte ich heute nicht mehr unterrichten, weil ich nicht davon ausgehen kann, dass Studierende nicht nur «Moby Dick», sondern auch drei weitere Romane von Melville lesen, geschweige denn einen ganzen Handapparat mit Sekundärliteratur. Ich weiss, dass sie das nicht tun.
Der Titel dieses piqs borgte ich mir von dem 1932 geborenen Alexander Kluge, der einen gleichnamigen Film im Herbst 1985 publizierte und der einer der Ersten war, der die Fetischisierung der Gegenwart in kritischer Perspektive zeigte.
Der 1977 geborene Milo Rau publizierte gerade "Die Rückeroberung der Zukunft: Ein Essay", das Björn Hayer in der ZEIT vorstellt. Fünf apokalyptischer Reiter sieht der international wirkende Theatermacher am Werk:
Statt mit Hungersnöten und Krankheiten im Gepäck erscheinen sie bei Rau aber – als Boten der Posthistoire – mit anderen Mitteln, eben solchen, die vor allem den Stillstand zementieren. Da ist zum Beispiel der Reiter der Wissensgesellschaft mit seinem Kind, der Kritik. Obwohl wir heute mehr wissen als je zuvor, investiert die daraus entstehende Kritik ihre Energie laut Rau allein in Protest und Gegenreden, ohne jedoch eine Vision eines besseren Daseins zu entwerfen.
Auch der Pferdegeselle des Moralismus hat wenig Zukunftsgewandtes im Angebot. Sein Lehrspruch: "Es wird überhaupt nichts mehr getan, weil unter dem Gesichtspunkt der totalen Reinheit alles falsch ist." Risikoscheu säßen wir wie das Kaninchen vor der Schlange. Oder wir drückten unsere Verantwortung an andere ab. Zum Beispiel in die sogenannte Dritte Welt. "Je sensibler wir sind, desto irrelevanter muss für uns das Leiden jener sein, die uns unser sensibles Leben finanzieren", schleudert der Reiter den Lesenden entgegen. "Egal, dass unsere Handys (…) im Globalen Süden unter Missachtung aller Menschenrechte produziert werden, solange auf den Etiketten dieser Billigprodukte keine rassistischen Abbildungen zu sehen sind."
Bleibt neben diesem heuchlerischen Reiter noch jener der Abgrenzung. Im Schlepptau trägt er "das aktuell größte Problem: Man arbeitet mit einer hermetischen, identitären Ästhetik an einer post-identitären, globalen, völlig entgrenzten Wirklichkeit. Man spricht über feine, über gefühlte Unterschiede mehr als über die realen Verwerfungen."
Quelle: Muamer Bećirović, Elisabeth Bronfen, Alexander Kluge u. a. Bild: Jozef Sedmak/imago www.berliner-zeitung.de
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Danke, da spricht mir vieles aus dem Herzen. Glaube aber, dass viel über Geschichte lesen allein nicht reicht. Das Erleben von realer Geschichte, von Umbrüchen und Wendungen, wenn möglich auch als Akteur, sind wohl nicht wirklich zu ersetzen. Lebenserfahrung ohne Bücher macht wahrscheinlich eher blind bei langfristigen Entscheidungen. Umgedreht neigt man wohl zu Leichtsinn und Selbstüberschätzung bei seinen Urteilen. Die Eule der Minerva fliegt leider eher später im Leben.