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Zeit und Geschichte

Die Kämpfe der amerikanischen Ureinwohner

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlDonnerstag, 12.01.2023

Wenn ich das Wort Indianer höre, dann fällt mir das Klischee vom "edlen Wilden" a la Winnetou ein oder eben ihren Opferrolle, die Tragödien, bei der europäischen Eroberung Amerikas. Für den finnischen Gelehrten Pekka Hämäläinen übersehen wir dabei oft einen wichtigen Faktor: die Macht, den politischen Willen, die Strategien der verschiedenen Ureinwohner. Denn tatsächlich kontrollierten die indigenen Völker den größten Teil des inneren Kontinents, noch lange nachdem sie den Nachkommen von Europäern und Afrikanern zahlenmäßig unterlegen waren. 

Hämäläinen versucht in seinem Buch "Indigenous Continent: The Epic Contest for North America" ein neues, genaueres Bild zu entwerfen, 
eine nordamerikanische Geschichte, die 400 Jahre Kriege umfasst, die die Ureinwohner oft, sogar größtenteils, gewonnen haben - oder jedenfalls nicht so entscheidend …. verloren haben, wie die Powhatans und Pequots in den 1640er Jahren. In diesen Jahrhunderten der verbreiteten Konflikte mit Neuankömmlingen und untereinander errichteten die Ureinwohner dezentrale Machtblöke und sogar neue Imperien.

Hämäläinen malt ein komplexes Bild der indigenen Überlebens- sowie auch der Eroberungsstrategien und betrachtet sie nicht als reine - mehr oder weniger passive - Opfer. Er zeigt z.B. 

wie die Comancheria eine, wie er es nannte, "Politik des Grases" entwickelte. Ein einzigartiges Wiesen-Ökosystem in den Ebenen ermöglichte es ihnen, riesige Pferdeherden zu kultivieren, und gab der Comancheria Zugang zu den Bisons. Womit sie eine Marktdominanz gegenüber Völkern erlangten, die andere Waren liefern konnten, die sie benötigten, wie Waffen, konservierte Lebensmittel und Sklaven sowohl für den Handel als auch für Hirtendienste.

Hämäläinen beschreibt also die einheimischen Zivilisationen als Gemeinwesen, die Kriege führen und Allianzen schließen. Die amerikanische Geschichte dieser Periode umfasst demnach einheimische Nationen und europäische Siedlungen, die sich über einen langen Zeitraum wechselseitig aneinander anpassen. Er dekonstruiert damit

die einfache binäre Erzählung  von "Indianern" und "Siedlern". Die indigenen Völker passten sich intensiv und saisonal an Umgebungen an, die unter ihrer Kontrolle blieben, aber gleichzeitig mit Europäern und anderen Flüchtlingen zu kämpfen hatten, die in ihre unbestimmten Grenzen eindrangen. Diese Neuankömmlinge könnten Verbündete, Verwandte, Rivalen oder Opfer werden. In dieser Geschichte wird die indigene "nomadische" Mobilität zur großen Strategie. Nordamerika ist ein Kontinent der Migranten, die lange vor der sogenannten Nation der Einwanderer um eine Position kämpfen.
Der Artikel läßt auch die Kritiker zu Wort kommen, die Hämäläinen etwa vorwerfen,  "moralischen relativistisch" zu arbeiten.  Sagt aber doch, dass Bücher wie dieses  unerlässlich sind, weil die (amerikanische) Geschichte aus allen Perspektiven gesehen werden muss. Dem ist m.E. zuzustimmen. Ebenso wie der New York Times: 
Dennoch werden Hämäläinens kühne Behauptungen wahrscheinlich eine Debatte über Beweise, Interpretation und Betonung auslösen. Und hinter dem Buch verbirgt sich eine weitere angespannte Frage: Wer sollte die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner schreiben und wie?


Die Kämpfe der amerikanischen Ureinwohner

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