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Volk und Wirtschaft

Wer Amazons kostenlose Lieferung wirklich bezahlt

Rico Grimm
Journalist

Ich schreibe „Cleantech Ing.“, einen Newsletter, über Technologien, die wir brauchen werden, um die Klimakrise zu lösen.

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Rico GrimmFreitag, 18.06.2021

Kostenloser Versand ist der Gott des Internethandels.

Ein Satz wie ein Donnerschlag – ein wahrer Satz, den Matt Stoller, Anti-Monopol-Aktivist, zum Ausgangspunkt seiner höchst lesenswerten Analyse über Amazon macht.



In den USA, in der EU und auch in China haben Regierungen begonnen, die Geschäftspraktiken der großen Tech-Plattformen unter die Lupe zu nehmen. Ein Vorwurf steht im Raum: Amazon, Facebook, Apple, Alibaba etc. nutzen ihre Größe, um unfaire Geschäftspraktiken durchzusetzen, sie agieren wie Monopolisten.



Hier nun wird es vertrackt: Denn in der gängigen Theorie und auch gemäß geltendem US-Recht ist ein Monopol nur dann schädlich, wenn dadurch die Preise für Konsumenten viel höher sind als sie es sein müssten (siehe z.B. den deutschen Gewürzmarkt). Aber wir Nutzer:innen müssen nichts zahlen, um Googles Dienste zu nutzen oder auf Facebook herumzuhängen, auch bei Amazon ist von Wucherpreisen nichts zu spüren – jedenfalls nicht für uns Kund:innen, oder? 



Und doch hat in den USA nun der erste große Anti-Monopol-Prozess gegen Amazon begonnen. Matt Stoller nimmt sehr genau auseinander worum es geht. Der Vorwurf:

[Die Staatsanwaltschaft] behauptet, dass Amazon nicht nur die Konkurrenten erdrückt, sondern dabei auch die Verbraucherpreise *erhöht*.

Wenn das stimmen würde, wäre das ein Paukenschlag. Zum ersten Mal könnte Big Tech mit dem klassischen Monopolrecht begegnet werden. Was genau soll Amazon tun und was hat der kostenlosen Versand damit zu tun?

Amazon zwingt Drittverkäufer defacto für seine Versandkosten zu zahlen, indem es ihnen Provisionen abverlangt, die bis zu 45% erreichen

Was manche vielleicht gar nicht wissen: Nicht alles, was auf Amazon verkauft wird, verkauft auch Amazon. Die Seite ist eine Mischung aus Händler und Plattform für andere Händler. Das kann sie sein, weil sie so viel Kundschaft hat. Die Dritthändler lassen sich auf Amazons Bedingungen ein, um diese Kundschaft zu erschließen.

Dabei wiederum wichtig aus Sicht der Händler: Wo das eigene Produkt auf der Webseite auftaucht. Auf Seite drei der Suchergebnisse, wo niemand hinklickt oder in der "Buy Box", einem speziellen Layout-Element auf der Seite, das zu 80 Prozent der Verkäufe führt? Alle wollen in die Buy Box. Und hier kommt der Haken: Wer Amazon bezahlt, um die Logistik abzuwickeln, landet mit höherer Wahrscheinlichkeit in dieser Box. Wie gleichen die Dritthändler diese höheren Preise aus? Indem sie selbst die Preise erhöhen.

Voilà, ein Monopol. 

Wer Amazons kostenlose Lieferung wirklich bezahlt

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Kommentare 1
  1. Georg Wallwitz
    Georg Wallwitz · vor mehr als 3 Jahre

    Lina Khan, eine 32-jährige Anwältin ist als Chefin der FTC (der Handelsaufsicht in den USA) nominiert worden. Das ist ein erheblicher Einschnitt, denn sie sieht das Thema Kartell-Aufsicht in der Tat sehr viel breiter als ihre Vorgänger. Hier ein Ausschnitt aus dem heutigen Kommentar in der Financial Times dazu:

    Yet Khan’s appointment is an important opportunity to equip antitrust policy properly for the Big Tech era. She has rightly portrayed as outdated the Chicago School approach — encapsulated by Robert Bork’s 1978 book The Antitrust Paradox — which prioritised prices as the best measure of consumer welfare. Rising prices signalled harm, but if a company was lowering prices to consumers, its size was not a concern.

    Khan’s 2017 paper “Amazon’s Antitrust Paradox” argued convincingly that power, and harm, are today about more than prices. If companies such as Amazon use predatory pricing and integration across multiple business lines to drive rivals out of business, encouraged by investors for years to pursue growth over profits, consumers suffer from loss of choice and competition. While companies might seem to offer internet search or social media for free, moreover, users are in fact bartering their valuable personal data for those services; privacy, too, is a form of consumer welfare. Khan has also argued against allowing Big Tech firms to operate platforms while competing with companies that use them.

    Es sieht so aus, als hätte „Big Tech“ jetzt ein echtes Problem.

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