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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Viele von uns kennen vielleicht den Schock, die Irritation, wenn man nach ein paar Wochen im afrikanischen Dorf zurückkommt in unsere geregelte, durchtechnisierte Welt. Oder aus den wuseligen afrikanischen Metropolen in die geordnete deutsche Großstadt. Afrika ist schon an der "Oberfläche" der Lebenswelten sehr anders. Von den Traditionen und Kulturen, die man nur begrenzt kennenlernt, ganz abgesehen.
David Signer, Afrikakorrespondent der NZZ, versucht in diesem Artikel eine Bilanz seiner jahrzehntelangen Erfahrungen auf dem Kontinent zu ziehen. Er beginnt 1985 mit einer ersten längeren Reise durch Ostafrika:
Am besten gefiel mir Dar es Salaam. Die tansanische Metropole war damals ein verschlafenes Kaff mit viel Grün, die Bevölkerung wunderbar warmherzig. ... Der tansanische Sozialismus allerdings lag gerade in den letzten Zügen. Die Idee des Gründerpräsidenten Julius Nyerere war zwar bestechend. Er ging davon aus, dass die traditionelle afrikanische Gesellschaft eigentlich sozialistisch sei, also auf Gleichheit, Gemeinschaft und Verteilen beruhe. Aber vielleicht hatte er den Eigen- und Familiensinn der Bauern unterschätzt. Sie wollten sich nicht in genossenschaftliche Grossdörfer zwingen lassen. Das gutgemeinte Experiment endete im wirtschaftlichen Fiasko. Unter dem Stichwort «self-reliance» strebte Nyerere wirtschaftliche Autonomie für Tansania an. Allerdings lebte das Land Mitte der achtziger Jahre vor allem von der Weltbank und Entwicklungshilfe, war jedoch trotzdem mausarm.
Das gibt einen Eindruck von den Irrungen vieler afrikanischer Gesellschaften nach der Kolonialzeit. Die direkte Übernahme europäischer Konzepte (die oft schon in den eigenen Gesellschaften nicht befriedigend funktionierten) in eine andere Kultur musste wahrscheinlich scheitern. Sozialismus, Kapitalismus oder Demokratie (was auch immer man darunter versteht) lassen sich schlecht ex- bzw. importieren.
Signer betont die Bedeutung der Vorstellungen von Geistern, Hexen und Heilern und die wirtschaftlichen Wirkungen dieses Glaubens:
In wenigen Worten gesagt, geht man davon aus, dass zu kurz gekommene, neidische Personen einen Bessergestellten verhexen können. Die Angst vor solcher Rache ist verbreitet. Vor allem, wer rasch zu Erfolg oder Reichtum kommt, muss die Ressentiments der Verwandten fürchten. Das führt einerseits zu einem mystisch unterfütterten Druck zur Solidarität: Man muss verteilen, sonst wird man zu Fall gebracht. Andererseits werden Ambitionen durch dieses System gebremst: Was bringt es zu reüssieren, wenn man das Erreichte sowieso wieder verteilen muss und überall Missgunst und Begehrlichkeiten weckt?
Die materielle Seite der menschlichen Beziehungen hat demnach in Afrika eine andere Gewichtung. Sowohl bei sexuellen Beziehungen als auch bei Freundschaften:
Der Wert einer Freundschaft bemisst sich auch am Materiellen; Geld ausleihen ist ein wichtiges Element. Im Westen neigt man dazu, Liebe und Freundschaft von Finanziellem zu trennen. Sobald die beiden Sphären vermischt werden, empfindet man eine Entwertung der Beziehung. In Afrika ist es umgekehrt: Erst das Materielle gibt einem Verhältnis gewissermassen eine reale Basis.
Für die Armut Afrikas sieht Signer (neben den o. g. kulturellen Punkten) drei historisch bedingte Ursachen: Fehlende Zentralstaaten mit funktionierenden Institutionen, parallel dazu die wenig ausgeprägte präkoloniale Urbanisierung und das Fehlen von Schriftlichkeit. Bei aller Unterschiedlichkeit Afrikas findet der Autor in vielen Regionen südlich der Sahara gemeinsam Ursachen für das Scheitern in der Selbstständigkeit:
gewalttätige Wirren nach der ersten Euphorie der Unabhängigkeit; Koexistenz von Christentum bzw. Islam mit afrikanischen Religionen, von Hightech mit Geister- und Hexereiglauben; Relevanz von Solidarität, wirtschaftlichem Ausgleich, Egalität; Kombination von Sexualität mit materiellen Transaktionen oder, allgemeiner, Nichttrennen von Materiellem und Immateriellem; Vorrang des Oralen vor der Schrift, mit allen Konsequenzen für das Sozialleben; Bevorzugung persönlicher Beziehungen gegenüber automatisierten Abläufen; gruppenorientierte Sozialisation; Nachwirkungen von Sklaverei, Kolonialismus und Rassismus mitsamt dem zweischneidigen Einfluss von Islamisierung, Missionierung und Entwicklungshilfe; Übergewicht der Clans und Ethnien gegenüber dem Staat.
Aber das ist nicht das letzte Wort. So wie Südkorea, in den 60er Jahren ähnlich arm wie Afrika, es geschafft hat, sollte dies auch dort gelingen.
Quelle: David Signer, Dakar www.nzz.ch
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Hallo,
Ich empfinde es als sehr irritierend, dass der Artikel fast jede geografische Differenzierung, die feiner ist als "Subsahara Afrika", fallen lässt. Die Aussage, dass "die materielle Seite der menschlichen Beziehungen... in Afrika eine andere Gewichtung" hat, ist schon sehr verallgemeinernd und sogar irreführend. Afrika besteht aus 54 Staaten mit einer riesen Diversität an Sprachen und Kulturen.
Wenn als Resumé grobe Aussagen über das soziale Verhalten (materielle Abhängigkeit und Beziehungen), einen (Aber-) Glauben und die Ursachen von Armut (des Kontinents!) stehen, dann ist die Aussage des Textes schwammig, und das Bild das er hinterlässt leider ein sehr negatives.
Es wäre dem ursprünglichen Artikel der NZZ durchaus mehr Differenzierung zu entnehmen gewesen.
Diesem Piqd hätten in meinen Augen auch eine etwas kririschere Auseinandersetzung mit dem Artikel gut getan. Wobei der Ursprungstext selbst natürlich mehrere sehr komplexe Themen stark vereinfacht und das so weit, dass der Mehrwert des Textes fraglich ist. Außer anscheinend ein diffuses und hoffnungsloses Bild eines ganzen Kontinents aus rein europäischer Sicht zu zeichnen.
Ich bin regelmäßiger Leser von Piqd, finde das Konzept gut und halte eigentlich die Inhalte für gut ausgewählt und reflektiert. Danke dafür! Dieser Artikel ist allerdings fachlich enttäuschend.
Mit freundlichen Grüßen
Lian-Philipp Haddad,
Politologe und Migrationsexperte
Danke, ein fundierter Beitrag. Besonders der Vergleich Afrikas und Asiens ist überzeugend:
"Aber man hat den Eindruck, dass das koloniale Trauma in Afrika intensiver fortwirkt als in Asien. Vielleicht hängt auch das mit der fehlenden Zentralisierung zusammen. Möglicherweise war Asien mit seinen alten Reichen und Staaten besser gerüstet, die imperiale Demütigung abzuwehren und zu überwinden, was sich ja auch im wirtschaftlichen Wiedererstarken zeigte."