sharing is caring
ist wirklich so!
Vielen Dank fürs Teilen!
Kluge Köpfe filtern für dich relevante Beiträge aus dem Netz.
Entdecke handverlesene Artikel, Videos und Audios zu deinen Themen.
Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Auf die Frage, inwiefern Kolonialismus und Sklaverei einerseits die rasante Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft sowie des westlichen Wohlstandes erst ermöglicht haben und diese mit ihrer "Profitgier" gleichzeitig ursächlich für diese war, hat sich, wie die FAZ richtig bemerkt, die einfache Antwort weitgehend durchgesetzt:
Laut einem einflussreichen linken Narrativ stellt die Sklaverei quasi die Ursünde des Kapitalismus dar. Erst die Profite daraus hätten das nötige Kapital für die industrielle Revolution geschaffen. So argumentierte der Historiker Eric Williams, erster Präsident von Trinidad und Tobago nach der Unabhängigkeit, in seiner Schrift „Capitalism and Slavery“ (1944). Vor ihm hatte das schon Marx in „Das Kapital“ (1867) behauptet. Die Lohnarbeit in Europa sei verkappte Sklaverei, der Kapitalismus habe aber als „Sockel“ die Sklaverei in der Neuen Welt gebraucht. … Die Gruppe „Black Lives Matter UK“ sagt explizit, um Imperialismus und weiße Vorherrschaft zu brechen, müsse man den Kapitalismus überwinden.
Zunehmend melden jedoch empirische Untersuchungen Bedenken gegenüber dieser simplen Erzählung an. So der Ökonom Kristian Niemietz vom Institute of Economic Affairs (IEA) in London in seiner öffentlich zugänglichen und sehr lesenswerten Studie. Darin verweist der Autor auf die Pauschalisierung o.g. Marx-Williams-These:
Die Marx-Williams-These wurde in den 1960er Jahren erweitert und popularisiert, als die Theorien des "Maoismus und des Dritte-Welt-Gedankens" in der studentischen Protestbewegung in Mode kamen. Enttäuscht von der heimischen Arbeiterklasse, die wenig Neigung zeigte, ihre "historische Mission" zum Sturz des Kapitalismus zu erfüllen, suchten die radikalen Studenten anderswo nach einem Ersatzproletariat und fanden es in der Bauernschaft der Entwicklungsländer.
Diese popularisierte Version ging verallgemeinert über die ursprüngliche These hinaus. Während sich Eric Williams 1944
im engeren Sinne auf den transatlantischen Sklavenhandel und die Zuckerplantagen in der Karibik konzentriert hatte, wird dies in der popularisierten Version auf den "westlichen Imperialismus" im Allgemeinen ausgeweitet. Aber Williams behauptete weder, dass die Sklaverei der einzige Faktor war, noch dass die Industrielle Revolution ohne sie nicht möglich gewesen wäre. Doch die popularisierte Version vereinfachte dies zu der Aussage: "Der Reichtum des Westens beruht auf Sklaverei und Kolonialismus".
Die Frage, ob dieser ursprüngliche westliche Imperialismus wirtschaftlich sinnvoll ist oder war, ist auch viel älter als die Schriften von Eric Williams oder Karl Marx. Sie ist ungefähr so alt wie dieser Imperialismus selbst. Es waren die frühen Gegner des Imperialismus im 1800 Jh., die sagten, dass er einer Kosten-Nutzen-Analyse nicht standhalten würde. So schrieb Adam Smith (lt. der Studie) im Jahr 1776:
"Der vorgebliche Zweck war es, die Manufakturen zu fördern und den Handel Großbritanniens zu steigern. Aber seine wirkliche Wirkung bestand darin, die Profitrate des Handels zu erhöhen und unsere Kaufleute in die Lage zu versetzen, einen größeren Teil ihres Kapitals in einen Handelszweig zu stecken, dessen Erträge geringer und weiter weg sind als die der meisten anderen Handelszweige, als sie es sonst getan hätten [...] Unter dem gegenwärtigen System der Verwaltung zieht Großbritannien daher nichts als Verlust aus der Herrschaft, die es über seine Kolonien ausübt."
Er hielt den Vorschlag, "dass Großbritannien freiwillig alle Autorität über seine Kolonien aufgeben und ihnen überlassen sollte, ihre eigenen Magistrate zu wählen, ihre eigenen Gesetze zu erlassen und Frieden und Krieg zu machen, wie sie es für richtig halten", aus verschiedenen Gründen für politisch unrealistisch, behauptete aber:
"Wenn es jedoch angenommen würde, wäre Großbritannien nicht nur sofort von den gesamten jährlichen Kosten der Friedenssicherung in den Kolonien befreit, sondern könnte mit ihnen einen solchen Handelsvertrag abschließen, der ihm einen freien Handel sichern würde, der für die große Masse des Volkes vorteilhafter wäre, wenn auch weniger für die Kaufleute, mit dem Monopol, das sie gegenwärtig genießen."
Adam Smith hielt also damals schon den Freihandel mit den eben dann nicht kolonialisierten Regionen für eine wirtschaftlich bessere Politik. Auch empirisch hat man das früh nachgerechnet. Etwa sechzig Jahre nach Smith beschrieb Richard Cobden, einer der Gründer der Anti-Corn Law League, den Kolonialismus als "eine schwere Last für die Menschen dieser Reiche" (Cobden 1835: 111) und als "das kostspielige Anhängsel einer aristokratischen Regierung" :
"Unsere Seestreitkräfte in Westindien [...] bestanden aus 29 Schiffen mit 474 Kanonen, um einen Handel von knapp über zwei Millionen pro Jahr zu schützen. Das ist noch nicht alles. Eine beträchtliche militärische Streitmacht wird auf jenen abgelegenen Inseln aufrechterhalten [...] Hinzu kommen unsere zivilen Ausgaben und die Kosten für das Kolonialamt [...]; und wir sehen [...], dass unsere gesamten Ausgaben für die Verwaltung und den Schutz des Handels dieser Inseln den Gesamtbetrag ihrer Einfuhren unserer Produkte und Manufakturen bei weitem übersteigen.
Letztlich kam Cobden zu dem Schluss, dass, wenn Großbritannien seine Kolonien an einen Feind verlöre, dieser "Feind" Großbritannien in Wirklichkeit einen Gefallen tun würde. Was insgesamt auch besagt, das der Weg zum britischen (und anderen) Imperialismus letztendlich eine politische Entscheidung (ein teurer Umweg?) war, die neben der Kolonialbürokratie und einem kleinen und speziellen Teil der Wirtschaft wohl auch dem Ego vieler Politiker und einfacher Briten "gut tat". Gleichzeitig waren die in Summe hohen Kosten über alle Bürger verteilt und für den Einzelnen nicht transparent. So konnten Regierungen (bewusst oder unbewusst) eine Politik durchsetzen, die die Nationen als ganzes ärmer machten.
Und so kommt Plickert in seiner Studie - indem er ganz nüchtern Kosten-Nutzen-Kalkulationen vieler Wirtschaftshistoriker zusammenträgt - lt. FAZ zum Schluss:
„Kolonialismus und Sklavenhandel waren allerhöchstens geringe Faktoren für den wirtschaftlichen Durchbruch Britanniens und des Westens und möglicherweise sogar Verlustbringer.“ …. Denn die Kolonialreiche brachten nicht nur Gewinne, vor allem für Plantagenbesitzer und Großhändler, sie verursachten auch gewaltige Kosten. Um das Empire zu erobern und Handelswege zu sichern, waren hohe Militärausgaben nötig. Zur Finanzierung mussten die Briten im 19. Jahrhundert die zweithöchsten Steuern in ganz Europa zahlen. Der Wirtschaftshistoriker Patrick O’Brien von der London School of Economics geht davon aus, dass die Steuerlast um ein Viertel niedriger hätte sein können, hätte das Land für das Militär nur so viel ausgegeben wie Frankreich und Deutschland. Zudem hat O’Brien gezeigt, dass die wirtschaftliche Bedeutung des Kolonialhandels oft überschätzt wurde. Der Hauptteil des britischen Außenhandels fand mit Westeuropa und Nordamerika statt, viel weniger mit den Kolonien in der Karibik, Afrika und Indien.
Auch für Deutschland gab es frühe Warnungen vor den Kosten und Problemen möglicher Kolonialstrategien. So zitiert die Studie Otto von Bismarck aus dem Jahr 1868:
Der vermeintliche Nutzen von Kolonien für Handel und Industrie des Mutterlandes ist zumeist illusorisch. Denn die Kosten, die mit der Gründung, dem Unterhalt und vor allem dem Unterhalt von Kolonien verbunden sind, [...] übersteigen sehr oft den Nutzen, den das Mutterland aus ihnen zieht, ganz abgesehen davon, dass es schwerlich zu rechtfertigen ist, der ganzen Nation eine erhebliche Steuerlast zugunsten einzelner Wirtschaftszweige aufzuerlegen.
Und so war es dann für die deutschen Kolonien auch, wie die Studie nachweist. Sie warfen insgesamt keine Profite ab.
Die deutschen Kolonialverwaltungen führten Gewinn- und Verlustrechnungen, ähnlich wie ein privates Unternehmen. Daraus geht hervor, dass einige wenige Kolonialverwaltungen zwar kleine Überschüsse erwirtschafteten, die meisten aber große Verluste machten. Das Kolonialreich als Ganzes konnte nur etwa drei Viertel seiner Kosten decken; der Rest musste durch Subventionen aus Berlin gedeckt werden.
Gleichzeitig können in der deutschen Entwicklung des Kapitalismus die Kolonien kein kausaler Faktor für die Industrialisierung des Landes gewesen sein, selbst wenn sie rentabel gewesen wären. Denn die Industrialisierung kam dort zuerst und der Erwerb von Kolonien folgte - politisch motiviert - später.
Das relativiert die Gräueltaten, die mit den kolonialen Eroberungen und Herrschaften einhergingen, natürlich in keiner Weise. Im Gegenteil. Nur, um diese und andere Prozesse, die Geschichte überhaupt, zu verstehen, müssen wir wohl noch mal über komplexere Triebkräfte, Ursachen und Wirkungen genauer nachdenken. Was, wenn nicht mehr Wohlstand, treibt Nationen in solche imperialen Abenteuer?
PS: Eine Ausnahme beschreibt die Studie - einzig Belgien ist es wohl gelungen, das zu sein,
was wir am ehesten mit einer Kolonie vergleichen können, die der gegenwärtig modischen Auffassung von Kolonien als Goldeseln für den Kolonisator entspricht. Sie war für Belgien höchstwahrscheinlich profitabel (auch wenn die Gewinne sehr konzentriert waren).
Quelle: Philip Plickert Bild: dpa Artikel kostenpflichtig www.faz.net
Bleib immer informiert! Hier gibt's den Kanal Volk und Wirtschaft als Newsletter.
Einfach die Hörempfehlungen unserer Kurator'innen als Feed in deinem Podcatcher abonnieren. Fertig ist das Ohrenglück!
Öffne deinen Podcast Feed in AntennaPod:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Apple Podcasts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Downcast:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Instacast:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Apple Podcasts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Podgrasp:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Bitte kopiere die URL und füge sie in deine
Podcast- oder RSS-APP ein.
Wenn du fertig bist,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in gpodder.net:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Pocket Casts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Ich habe Plickerts Text jetzt nicht gelesen, er steht ja auch hinter einer Bezahlschranke, aber für Deutschland war die Kolonie Togo rentabel https://www.dw.com/de/... und Samoa brauchte zumindest keine Zuschüsse https://www.bundesarch...
Es ist schon erstaunlich, dass diese ollen Kamellen immer wieder aufgetischt werden.
Hier merkt man die Überlegenheit aller von Marx ausgehenden oder von diesem angeregten Analysen.
Marx ging nicht von einer These aus, sondern von Klassen- und Besitzverhältnissen. Eine Kolonie konnte dadurch gesamtgesellschaftlich unrentabel sein, aber für einige Schichten höchst profitabel und wichtig für die Macht des Imperiums.
Außerdem verkennt diese Sicht die Phasen des Kolonialismus und Neokolonialismus. Eine kurze, wahrlich nicht ausreichende Analyse bietet dieser Artikel:
https://monde-diplomat...
Wer die Entstehung des Imperialismus und den damit verbundenen Kolonialismus verstehen will, braucht mehr Zeit: https://www.herder.de/...