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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Irgendwann nach den Entdeckungsfahrten des 16. Jahrhunderts und dann der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert waren sie überall - die Europäer.
Sie brachten damit so vielen Menschen Wohlstand wie noch nie in der Geschichte. Aber sie schafften dies nur, wie die Kritiker meinen, indem sie auf ihren Plantagen Sklaven ausbeuteten und mit dem Verbrennen von Kohle und Erdöl die Umwelt zerstörten. Die Kolonialisten, die Imperialisten und die Kapitalisten aus Europa gelten deshalb heute manchen als grundsätzlich verdächtig.
Eigentlich war der Aufstieg des Westens nach tausend Jahren Stagnation in den kleinen Städten und Staaten am Westrand Eurasiens ein höchst unwahrscheinlicher Vorgang. Die großen und mächtigen Imperien damals waren eigentlich die Osmanen, die mongolischen Khanate und China, die große Teile der Welt dominierten. Wie konnte das sein? Erklärungsansätze gibt es viele:
von der Entwicklung des Rechnungswesens in mittelalterlichen Marktstädten über die Durchsetzung der Reformation in Wittenberg, Zürich und Genf bis hin zur Erfindung von dampfgetriebenen Maschinen im England des 18. Jahrhunderts.
Nur, was ist der gemeinsame Grund hinter diesen Ereignisketten? Joseph Henrich, Professor für Human Evolutionary Biology in Harvard, hat dazu eine teilweise neue Theorie:
Die Westeuropäer setzten sich in aller Welt durch, weil sie anders denken, fühlen und handeln als die anderen Menschen.
Aus seinen ethnologischen Studien im Amazonasgebiet oder auf den Fidschi-Inseln wußte Joseph Henrich das die Menschen in ökonomischen Spiele wie etwa das Ultimatum-Spiel ziemlich unterschiedlich reagieren:
Eine Versuchsperson bekommt einen Geldbetrag und kann einer anonymen anderen Versuchsperson einen Teil abgeben; wenn diese ein schäbiges Geschenk ablehnt, erhalten beide nichts. Bei solchen Experimenten handeln die Menschen im Westen gerade nicht wie der eigennützige Homo oeconomicus, denn sie geben fast die Hälfte ab.
Die «weird people», also die Menschen in Gesellschaften, die "white, educated, industrialized, rich und democratic" sind, verhalten sich also anders als von Ökonomen oft angenommen und anders als andere Kulturen. Die sich im übrigen selbst sehr unterschiedlich zeigten. Die Erklärung in einem Interview von Henrich:
Der Zweig des Christentums, der zur römisch-katholischen Kirche heranwuchs, setzte ab dem Jahr 500 durch, was wir sein «Ehe- und Familienprogramm» nennen: Normen, die Polygamie und Cousinenehen zum Tabu erklärten, für Verheiratete eigene Haushalte unabhängig von ihren Familien vorschrieben und neue Erbregeln gegen den kollektiven Grundbesitz einführten. So zerstörte die katholische Kirche die komplexen Verwandtschaftsstrukturen, die wir sonst überall auf der Welt sehen. Um das Jahr 1000 gab es in Westeuropa keine Clans mehr, fast nur noch Kernfamilien. Das führte zu dem, was die Historiker freiwillige Vereinigungen nennen: Städte, Zünfte, Klöster, Universitäten. Die Menschen trafen also ihre Entscheide frei von den Banden ihrer komplexen Familien. Das führte letztlich zur Individualität, wie wir sie im Westen kennen.
So entwickelte sich in Westeuropa, in dem nach dem Ende des Römischen Reiches kein Imperium mehr entstanden war, so etwas wie ein "kollektives Gehirn", aus Menschen mit dieser "sonderbaren Prägung", auf der Suche nach Innovation und Veränderung:
seit der Reformation dank gedruckten Büchern, nach den Entdeckungsfahrten von fremden Zivilisationen, in der Aufklärung in gelehrten Gesellschaften. So fanden im England des 18. Jahrhunderts genug Denker, Tüftler und Unternehmer zusammen, um mit ihren Maschinen für die Textilindustrie die Fluchtgeschwindigkeit zu erreichen, wie es Joseph Henrich ausdrückt – also die Weltgeschichte auf eine ganz neue Bahn zu lenken.
Unsere Kultur entwickelte sich also, indem Menschen mit ganz unterschiedlicher Herkunft aufeinandertrafen, regelbasiert kooperierten und dabei allmählich lernten ihre unterschiedlichen Werte zumindest zu tolerieren. Wie etwa auf Märkten: "Alle Beteiligten können davon profitieren, aber sie müssen darauf vertrauen, dass sich alle an die Normen halten."
Klar ist die westlichen Gesellschaften sind mit ihrer Kultur ökonomisch produktiver. Ob sie uns glücklicher macht, ist eine andere Frage. Ob sie glücklicher oder "besser" sind liegt im Auge des Betrachters. Schließlich scheint ja das Stammesdenken im Westen mit Macht zurückzukommen. In unsicheren Zeiten flüchten wir in unsere "Clans", in Gruppen mit scheinbar gleichen Identitäten oder Werten.
Quelle: Markus Schär www.nzz.ch
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Interessant. Die Frage "Warum Europa?" hat ja schon viele beschäftigt. z.B. Jared Diamond mit seinem "Germs, Steel And Guns", der den Erfolg auf die spezifische Geographie Europas zurückführt, also seine natürlich vorkommenden Pflanzen (Weizen, Hafer, Roggen) und Tiere (Pferde und andere große domestizierbare Tiere), seine regionale Aufspaltung, die viele vergleichbare Staaten dicht nebeneinander entstehen ließen.
Ich glaube, dass die ganze Sache multikausal ist und kein einzelnes Element ausreichend für eine Erklärung.
Da sind die großen Flusskulturen: Ägypten und Mesopotamien, die die Schrift und die Mathematik brachten. Lange vor den Katholiken.
Dann ist da das einzigartige Aufblühen des griechischen Geistes, der einen großen Teil der wissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen hervorgebracht hat, die wir immer noch pflegen. Was wir heute unter "Bildung" verstehen, wurde damals begründet. Die Konkurrenz der verschiedenen Philosophen und Staatsformen zeugte vom Drang zur Ergründung und Erforschung um seiner selbst Willen, vom Wunsch, tiefer zu verstehen.
Sie führte letzten Endes zu Galilei, Newton, Leibniz und Einstein.
Nach meiner Meinung ein Produkt von Multizentrismus: viele mittlere, kulturell ebenbürtige und kommunizierende Kulturzentren, die miteinander wetteiferten, die Polis.
Dann ist da das römische Reich, das dieses freie, gebildete Denken immerhin aufgenommen und weitergetragen hat.
Dann der doppelte Polyzentrismus Italiens mit seinen Städten, die Kunst, Wissenschaft und Finanzwesen entwickelten und Europas als Ganzem, mit seinen verschiedenen konkurrierenden Staaten, der - über die vielen Kriege - die Waffentechnik vorangebracht hat.
Wie auch immer, eine spannende Frage über die man als Europäer genüsslich nachsinnen kann.