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Kurator'in für: Fundstücke Medien und Gesellschaft
Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
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Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.
Eine globale Pandemie, ein Land, das in die Hände der Taliban fällt, eine Kanzlerkandidatin, die in ihrem Buch abschreibt – dieses Jahr ist voller dramatischer Krisen, die sich in mehr oder weniger angemessener Größenordnung auf Titelseiten und in Nachrichtensendungen wiederfinden (in einem Fall mag das Ausmaß der medialen Aufmerksamkeit den Anlass womöglich geringfügig überstiegen haben).
Die wohl größte Herausforderung unserer Zeit tritt dabei bisweilen in den Hintergrund: In den kommenden Jahrzehnten wird sich die Erde weiter erhitzen, der Meeresspiegel wird steigen, extreme Weltereignisse werden zunehmen. Die Folgen sind absehbar: Ganze Länder werden unbewohnbar, Hunderte Millionen Klimaflüchtlinge suchen eine neue Heimat, Pflanzen, Tiere und Menschen sterben.
Sara Schurmann und Lea Dohm drücken das so aus:
Bei der Berichterstattung zur Klimapolitik entsteht oft der Eindruck, die Klimakrise sei ein weiteres Thema auf der Weltbühne – neben etwa Kriegen und Wirtschaftskrisen. Gleichzeitig konkurriert sie aber auch mit Sport- und Kulturthemen um Aufmerksamkeit – und unterliegt dabei oft. Tatsächlich aber bedroht die Erderhitzung die Weltbühne an sich, das Fundament unseres Lebens. Und dies ist keine abstrakte, ferne Gefahr – um sie abzuwenden, müssen innerhalb der nächsten zehn Jahre massive Transformationen umgesetzt werden.
Sie bezweifeln, dass Medien dieses Problem ausreichend abbilden. In sieben Punkten erklären die beiden Autorinnen, warum die Klimakrise alles und jeden betrifft, Journalistïnnen ihrer Meinung nach anders berichten müssen und sich Menschen so schwer damit tun, Ausmaß und Folgen der globalen Erhitzung zu erkennen.
Die Sprache des Artikels ist teils etwas akademisch, und man merkt, dass der Gastbeitrag einem Buch entnommen ist, das sich dem Thema aus einer wissenschaftlichen Perspektive nähert. Dank der klaren Gliederung ist der Text trotzdem gut verständlich und vermittelt die Klimakrise auch Menschen, die sich bislang nicht so intensiv damit auseinandergesetzt haben.
Besonders gut gefällt mir der letzte Absatz, der in einfacher Sprache eine Art Zusammenfassung darstellt (nur der vierte Satz ist mir zu absolut):
Wenn das Klima sich verändert, wird die Erde zu heiß. Dann können nur noch wenige Menschen und Tiere gut auf der Erde leben. Deswegen müssen wir alle verstehen, wie wichtig Klimaschutz ist. Klimaschutz ist damit wichtiger als alle anderen Themen. Wenn Menschen viel und oft von der Klimakrise lesen, können sie das Problem besser verstehen. Dafür müssen alle Medien ganz oft darüber berichten. Das Problem muss auch immer wieder als erstes in den Nachrichten kommen. Um die Klimakrise gut zu verstehen, ist es wichtig, sie zu fühlen. Zeitungen, Radio- und Fernsehsender können uns dabei helfen. Sie können zeigen, dass Klimaschutz für jeden Menschen wichtig ist und wir sonst in großer Gefahr sind. Solche Berichte können Angst machen, deswegen soll immer dazugeschrieben werden, was wir tun können. Journalist:innen können jetzt zeigen, wie wichtig sie sind und was sie können.
Quelle: Lea Dohm und Sara Schurmann Bild: Imago / Reichwein uebermedien.de
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Ich möchte ergänzen: https://www.deutschlan...
Bernhard Pörksen sagt: "Aus meiner Sicht bräuchte es fast jetzt – wenn ich hier einen Moment visionär oder utopisch werden darf – so etwas, was man planetarischen Journalismus nennen könnte: Ein Journalismus, der aus der Adlerperspektive Entwicklungen sortiert, der Nachhaltigkeit als Nachrichtenfaktor begreift, der globale Lösungsmöglichkeiten präsentiert, der effektive Formen des Krisenmanagements einklagt gegenüber einer kurzatmig gewordenen Politik."
Journalismus sollte effektives Krisenmanagement einklagen. Einfach mal davon ausgehen, dass kein Mensch auf der Welt Interesse daran hat, durch den Klimawandel Lebenszeit zu verlieren und sukzessive oder plötzlich so viel Lebensqualität einzubüßen, dass die Zukunft nur noch Null Ähnlichkeit mit der Gegenwart hätte. Erst recht die Zukunft der Kinder und Enkel. Und auf dieser Grundlage die Berichterstattung machen.
Ich glaube allerdings, dass sich der Vorwurf, das sei angsterzeugende und deshalb manipulative Berichterstattung, nicht vermeiden lässt. Weil es immer Menschen geben wird, die ihre eigenen Ängste durch Vorwürfe an andere abzuwehren versuchen.
Hier ein Beispiel, das ich für aufklärerisch und differenziert halt. Und das die Diskussion in der Wissenschaft widerspiegelt. Prof. Dr. Ulf Büntgen, ist Urheber zahlreicher Studien, die den Verlauf der globalen Temperatur über Jahrtausende rekonstruieren, und gehört zu den weltweit renommiertesten Paläoklimatologen.
"WELT AM SONNTAG: Die „Pages“-Forscher resümieren, dass es aktuell wärmer sei als je zuvor seit der Eiszeit. Sie halten solche Kurven für zweifelhaft?
Büntgen: Natürlich soll und muss man alle wissenschaftlichen Ergebnisse publizieren, aber man muss eben auch ganz klar auf die bestehenden Unsicherheiten aufmerksam machen und zudem präzisieren, was die Abbildungen wirklich zeigen. Für die vergangenen 1000 Jahre haben wir eine viel bessere Datengrundlage als für die Zeit davor. Wir haben für die meisten Regionen vor unserer Zeitrechnung kaum bis gar keine Daten. Für weite Teile des Holozäns, also für die letzten rund 12.000 Jahre, haben wir nur wenige Datenpunkte, die dann über viele Jahrhunderte gemittelt und über große Regionen extrapoliert werden. Stellt man die vergangenen hundert Jahre dagegen, in denen es für jedes Jahr genaue Messpunkte gibt, kann das irreführend sein.
WAS: Aber warum soll man nicht einfach den besten Stand des Wissens zeigen?
Büntgen: Das muss man natürlich machen, aber dann darf man nicht gleichzeitig sagen, dass wir den vergangenen Temperaturverlauf zeigen, sondern eben nur das, was wir über den vergangenen Temperaturverlauf wissen. Und da müssen wir auf die bestehenden Wissenslücken aufmerksam machen. Nur so können wir Prioritäten für zukünftige Forschungsprojekte definieren.
WAS: Wie gut weiß die Klimaforschung über den Temperaturverlauf seit der Eiszeit denn Bescheid?
Büntgen: Für die letzten 2000 Jahre können wir unsere Klimarekonstruktionen noch für die politische Debatte nutzen. Davor wissen wir aber leider zu wenig, und die Unsicherheiten werden so groß, dass sinnvolle Interpretationen kaum möglich sind.
WAS: Wie groß sind denn die Abweichungen von einer Temperaturkurve zur anderen?
Büntgen: Typischerweise weichen die einzelnen Rekonstruktionen um bis zu ein Grad oder manchmal sogar noch mehr voneinander ab.
WAS: Ist das nicht ein Problem angesichts der aktuellen Debatte über die Klimaziele? Laut Weltklimaabkommen von Paris sollte die Temperatur um nicht mehr als zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen.
Büntgen: Die vorindustrielle, globale Durchschnittstemperatur ist leider immer noch nicht gut bekannt, und wir haben nach wie vor Probleme, den Anteil der anthropogenen Erwärmung von der natürlichen Variabilität im Klimasystem zu unterscheiden. Viele Faktoren und Prozesse überlagern sich und interagieren auf komplexe Weise miteinander.
WAS: Wie stark schwankte denn das Klima vor der Industrialisierung innerhalb der vergangenen 2000 Jahre?
Büntgen: Diese vermeintlich einfache Frage ist kaum zu beantworten, denn es müssen so viele Details berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die zeitliche Auflösung der Archive, sowie die räumliche Skala und die Saisonalität der Rekonstruktion. Vergleicht man aber die rekonstruierten Durchschnittswerte der Sommertemperaturen der Nordhemisphäre über circa 30-jährige Perioden, sodass Extreme geglättet werden, sprechen wir von ungefähr einem bis zwei Grad."
https://www.welt.de/wi...
Einen so komplexen Sachverhalt in so einfacher Sprache darzustellen, kann nur zu falschen Ergebnissen führen.
Schon der Satz "Wenn das Klima sich verändert, wird die Erde zu heiß." Ist falsch. Das Klima kann auch viel kälter werden. Es kennt nicht nur eine Richtung, auch wenn es sich durch CO2 offensichtlich erwärmt.
Wenn man will, das die Menschen das Problem wirklich verstehen, dann muß man differenziert aufklären. Nicht Angst machen. Man muß die Szenarien erklären. Und dabei auch sagen, dass etwa das extreme SSP5-8.5-Szenario unrealistisch ist. Vermutlich gibt es gar nicht so viele fossile Brennstoffe, dieses CO2 zu erzeugen. Eigentlich sollte das Erdöl etc. ja schon alle sein. Klar ist auch, das die Welt das 1,5 Grad Ziel verfehlen wird. Was aber immer noch nicht der Weltuntergang ist. Auch in viel heißeren Perioden hat es üppiges Leben gegeben. Die Reste verfeuern wir gerade.
Journalismus sollte m.E. aufklären, klug machen, die Diskussionen der Wissenschaft darstellen, eben nicht undifferenziert Angst machen. Journalisten sind i.d.R. nicht klüger als viele ihrer Leser ….. und Leser merken irgendwann, wenn man aktivistisch überzieht.
"Already scientific papers are appearing using CMIP’s unconstrained worst-case scenarios for 2100, adding fire to what are already well-justified fears. But that practice needs to change, Schmidt says. “You end up with numbers for even the near-term that are insanely scary—and wrong.”"
https://www.sciencemag...
Ein eigenes Magazin zum Thema Klimaschutz wäre zusätzlich eine gute Sache.
Danke für den piq, kleiner Hinweis: das im vierten Satz, was Dir zu viel ist, das ist ein Komparativ.
Ein seltsames Verständnis von Journalismus. Es ist nicht die Aufgabe der Medien zu alarmieren, es ihre ihre Aufgabe zu berichten, wenn Wissenschaftler, Aktivisten oder Politiker alarmieren. Darum finde ich es nicht nur müßig, sondern geradezu gefährlich, wenn sich Medienschaffende darüber den Kopf zerbrechen, wie sie das Verhalten ihrer Rezipienten beeinflussen und verändern. Sie verlieren das Vertrauen der Leserinnen und Zuschauer, denn ihre Arbeit wird zu politischer Werbung.
Wie sagte der große Hanns-Joachim Friedrichs: "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nie dazugehört."