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Kurator'in für: Zeit und Geschichte Fundstücke
Michaela Müller, in Dachau geboren, studierte Politikwissenschaften, Zeitgeschichte und Geschichte Asiens in Berlin. Sie schreibt über Menschenrechte, Migration und Ostafrika. Aufenthalte in Kenia, New York, Paris, Somalia und Somaliland. Bücher/Essays: Vor Lampedusa (2015), Auf See. Die Geschichte von Ayan und Samir (2016). Für piqd wählt sie Texte über die Geschichte des Holocaust, Arbeitergeschichte, Migration und Mentalitätsgeschichte aus.
Mehrere Jobs zu haben und verschiedene Beschäftigungen auszuüben, ist für viele Arbeitnehmer zunehmend Alltag. Im Leben nur einer Arbeit nachzugehen wie es in der Eltern– und Großelterngeneration war, ist immer weniger der Fall.
Dass Menschen mehrere Jobs hatten, das gab es auch schon früher. Die englische Historikerin Tawny Paul forscht über die Beschäftigungsverhältnisse im 18. Jahrhundert und fand heraus, dass es das, was wir heute „Gig Economy“ nennen, auch schon damals gab.
Aus den Aufzeichnungen von Edmund Harrold aus Manchester zu Beginn des 18. Jahrhunderts geht hervor, dass er nicht nur einen Friseurladen betrieb und mit Perücken handelte, sondern auch als Buchhändler und Auktionator tätig war und Geld verlieh. Thomas Parsons aus dem südenglischen Bath war im Erstberuf Steinhauer, bot als Dienstleistung auch die Durchführung wissenschaftlicher Experimente an, was ihm - wie er schreibt – nicht nur mehr Freude machte, sondern auch sein soziales Prestige erhöhte.
Trotzdem war ihr Leben nicht einfach. Unsichere Auftragslagen und Geldmangel zählten zu häufigen Sorgen.
Ganz ähnlich geht es heute den sogenannten „Gig Workern“, die über Plattformen Aufträge annehmen, Essenszustellung, Kurierfahrten, Putzjobs. Es handelt sich oft um prekäre Arbeitsverhältnisse, denn Risiken, die eigentlich durch den Arbeitgeber abgedeckt waren, müssen immer öfter vom Arbeitnehmer getragen werden, obwohl der Verdienst eigentlich viel zu gering ist. Die Fahrer/innen von Foodora und Deliveroo protestieren nun auch dagegen.
Welche Risiken der Arbeitgeber und welche der Arbeitnehmer damals trugen, war offenbar Verhandlungssache. Rechte für Arbeitnehmer durchzusetzen, übernahmen Gewerkschaften und andere Interessenvertretungen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts.
Quelle: Tawny Paul Bild: Boston Public Lib... gegenblende.dgb.de
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Danke für die Empfehlung, finde das einen wirklich wichtigen Text. Er setzt die heutige Gig-Economy in Perspektive, und nicht unbedingt eine gute. In den vielen Diskussionen um die Neustrukturierung der Arbeitsverhältnisse wird m. E. viel zu wenig über die Arbeitgeberseite gesprochen und wie viel diese dadurch gewinnt, dass sie so viele Risiken auf die Arbeitnehmer abwälzt. In den Veränderungen in journalistischen Arbeitsverhältnissen in den vergangenen Jahren etwa, lässt sich das gut beobachten. Beim Lesen wird man geradezu nostalgisch für die große Rolle, die Gewerkschaften einmal gespielt haben.
Danke für deinen spannenden piq. Ich finde die Diskussion um mehrere Jobs und um die Gig-Economy oftmals etwas überdreht und einseitig negativ. Da nimmt die historische Betrachtung etwas Aufregung raus.