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Bundestagswahl: Der Ton ist rau

Michaela Maria Müller
Autorin
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Michaela Maria MüllerMontag, 18.09.2017

In sechs Tagen findet die Wahl des Bundestags statt. Der Ton am rechten Rand ist rau. Nicht nur im Netz, sondern auch bei den Wahlkampfauftritten der Bundeskanzlerin Angela Merkel skandieren die Anhänger von AfD und Menschen neonazistischer Gesinnung Hassparolen. Auch Politikerinnen wie Claudia Roth und Sigmar Gabriel sehen sich dem Hass ausgesetzt.

Es ist erschreckend, denn was und wie es skandiert wird, ist mitnichten Ausdruck politischer Debattenkultur. Und die Menschen, die ihren Protest kundtun, kommen organisiert.

Die regionalen Szenen sind gut vernetzt. Auch einige AfD-Zentralen sind engagiert, wenn es darum geht, Touren zu organisieren. Er selbst informiert sich meist über Facebook- und WhatsApp-Gruppen. Die Termine von Politikern werden gescannt, auf allen Kanälen verbreitet und Fahrgemeinschaften gebildet. 

Sie kommen aber nicht, um zu diskutieren, sondern um unflätig und undifferenziert zu stören. Die Grundlagen eines demokratischen Miteinanders scheinen für sie nicht mehr zu gelten, oder vielmehr: Sie wollen nicht, dass sie noch gelten, sie suchen die Provokation.

Die Reporterin Doreen Reinhard hat einen dieser Pöbler, Heiko Müller aus Dresden besucht. Während der Auftritte schreit und pfeift er nieder und ist dabei der Ansicht, so die Stimme des einfachen Volkes zu vertreten, zu der er als gutverdienender Buchhalter nicht zählt.

Bundestagswahl: Der Ton ist rau

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Kommentare 10
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 7 Jahren

    Das ist die logische Konsequenz der Politik in der zweiten deutschen Einheit. 1990 verhinderten die westdeutsche herrschende Klasse eine gemeinsame Verfassungsdiskussion, 1998 kam der Basta-Kanzler an die Macht, der alternativlose Genosse der Bosse, 2005 schließlich die Frau, die jede Debatte verhindert.
    Es wird jetzt geerntet, was sie angepflanzt haben. Über eine Generation wurde volljährig, die keine politische Debatte erlebt hat.
    Sarkastisch und in anderem Sinne als ursprünglich geschrieben, kann man sagen: Es wächst zusammen, was zusammen gehört.

    1. Michaela Maria Müller
      Michaela Maria Müller · vor 7 Jahren

      Ja, das sind wichtige Punkte. Aber ich denke, aber dass die AfD im Westen nicht viel schlechter abschneidet als im Osten Deutschlands. Wir werden sehen. Ich denke, wir hatten Glück, dass es bislang keine rechtsextreme Parteien wie anderswo in Europa ins Parlament geschafft hat. Nach der Wahl wohl schon. Aber noch kurz den Pöblern: Und ihnen sind nicht wenige, denen ich die Fähigkeit zur politischen Debatte absprechen würde. Dafür würde ich sie nicht kritisieren, das ist jedem selbst überlassen, wie man sich einbringt in eine Gesellschaft. Aber ihr Provokationsmittel, dieses Niederbrüllen im NS-Stil, das schon.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 7 Jahren

      @Michaela Maria Müller Sicherlich gibt es eine eigene Verantwortung. Ich wollte nur eine oft vergessene Ursache benennen. Auf jeden Fall wird es unruhiger. Halten wir uns an Einstein: "Inmitten der Schwierigkeiten liegt die Möglichkeit."

    3. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 7 Jahren

      "Logische Konsequenz", ist das Ernst gemeint? Nee, sorry, ist mir zu simpel. Und man kann auch nicht schlicht alle Schuld auf die Bundespolitik und "eine westdeutsche herrschende Klasse" schieben. Eine solche in sich geschlossene Klasse gab es nie. Man kann ja gerne darüber streiten, ob man damals nicht das föderale Element in einer neuen Verfassung hätte stärken sollen, wobei ein solcher Gedanke nur in kleinen politischen Kreisen überhaupt erörtert worden ist (etwa bei Bündnis90 und vermutlich in der CSU). Vor allem kann man nicht einfach die nunmal sachsentypischen Verhältnisse ausblenden: das Kleinbürgerliche, das Gefühl des ständigen Zukurzkommens und einen nun mal spezifischen Hang zu Blut, Boden und Pöbelei.

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 7 Jahren

      @Dirk Liesemer Guten Morgen, Dirk.

      Von einer in sich geschlossenen Klasse schreibe ich nicht. Die gibt es nicht. Nicht mal in Diktaturen wie Nordkorea, wo ja immer mal Mitglieder umgebracht werden.
      In einer repräsentativen Demokratie gab es sogar Machtwechsel zu Schröder oder zu Merkel ohne Tumulte.
      Dennoch gab es seit der "geistig-moralischen Wende" (Kohl, 1982) in Westdeutschland keine größere gesellschaftliche Debatte und nach dem Aufbruch in der DDR 1989/90 keine nach der zweiten deutschen staatlichen Einigung. Alles, was über den Tellerrand ragte, wurde brutal vernichtet.

      Die Treuhand, von Bürgerrechtlern zum Schutz des Volkseigentum entwickelt, wurde dabei zum Werkzeug zur Enteignung. Es ist ein bis heute gesamtgesellschaftliches Desaster mit ungeklärten bis nur scheinbar geklärten Morden.

      Sachsentypisches gibt es, aber kann bei einem zugespitzten Kommentar ausgeblendet werden.
      Immerhin erlebte Merkel die wüsten Beschimpfungen auch in ihrer mecklenburgischen Heimat.

      Weiterhin erlebte ich die Schwierigkeiten, sich politisch zu Wort zu melden, bei der "Flüchtlingskrise" im Jahre 2015 an vielen Orten - auch tief im Westen. (Durch das Bismarck-Jahr war ich Vortragsreisender.)

    5. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 7 Jahren

      @Achim Engelberg Hallo Achim, in der DDR hat es doch nie große gesellschaftspolitische Debatten gegeben, dafür fehlten schon die Foren und jeder wusste von Leuten, die für ihre abweichende Meinung in Hohenschönhausen oder Bautzen gelandet waren. Es ist bis heute ein Problem, dass es im Osten nie eine 68er-Bewegung geben hat und damit auch eine breite Zivilisierung der politischen Debatte. Als die jungen Ostdeutschen dann zwanzig Jahre später protestierten, war es rasch mit der Diktatur vorbei. Mein Eindruck ist, dass nicht wenige Ostdeutsche mehr mit der Revolution und Wendezeit hadern als mit der DDR. Was die Debattenkultur angeht halte ich grundsätzlich familiäre, lokale und milieubedingte Prägungen für entscheidender als die bundespolitischen Ereignisse, wobei ich gerne einräume, dass die Existenz einer großen Koalition grundsätzlich ein Problem ist. Denn die Stellvertreterkonflikte, die ansonsten Konservative und Sozialdemokraten miteinander führen, werden nun verschärft zwischen den Bürgern ausgetragen, was den gesellschaftlichen Unfrieden verschärft. Und natürlich ist es nicht nur für die Kritiker der Flüchtlingspolitik schwierig, sich öffentlich zu äußern, sondern auch für deren Verteidiger.

    6. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 7 Jahren

      @Dirk Liesemer Hallo Dirk,
      die letzte große gesellschaftliche Debatte in Foren wie Kirchen oder Theatern, auf Markplätzen und Gaststätten, fand 1989 in der DDR statt. Begleitet von Massendemonstrationen. Freilich, auch mit der Flucht über Prag und Budapest. Und diese wurde abgewürgt!
      Nachzulesen ist das unter anderem hier:
      http://www.suhrkamp.de...
      Freilich, die 68er Bewegung reichte in der DDR nicht so sehr in die Tiefe wie in Westdeutschland, aber es gab sie.
      Zur "Zivilisierung der politischen Debatte" gehört aber auch, dass einige 68er Deutschland erstmals nach 1939 in einen völkerrechtswidrigen Krieg führten. Es begann mit einer Lüge...
      https://www.youtube.co...
      Dass das irgendwann mal in Wut umschlägt, war und ist für mich logisch.
      Regionale Prägungen halte ich auch entscheidend, aber sie vermitteln, spiegeln ja meist die große Politik.

    7. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 7 Jahren

      @Achim Engelberg Danke für den Verweis auf das Buch von Nooteboom. Das Video ist mir bekannt. Mir ging es bei der Anmerkung zu 68 um den Punkt, dass diese Leute öffentliche Debatten geführt und mit Tabus gebrochen haben und auf diese Weise zu einer Zivilisierung beigetragen haben. Und von wegen Gewaltfrage: Dabei wird oft vergessen, dass ein erheblicher Teil der 68er sich früh von Terror und kriegerischen Auseinandersetzungen distanzierte, das begann schon zu RAF-Zeiten. Viele Gruppen warben für eine gewaltfreie Welt und trugen ihre Gedanken weit in die Provinz hinein; nur ein Beispiel aus dem Wendland: https://www.kurvewustr...

    8. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 7 Jahren

      @Dirk Liesemer Danke für das Beispiel. Einverstanden grüßt Achim

    9. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 7 Jahren

      @Dirk Liesemer Und ein Nachtrag:
      "Wenn die Leute sich nicht artikulieren können, dann werden sie Häuser anzünden. Und wenn man ihnen nicht eine demokratische Lösung anbieten kann, eine linke Lösung, dann werden sie nach rechts gehen, werden wieder dem Faschismus folgen, das ist die ganz große Gefahr, die ich sehe, und diese Gefahr wird dadurch noch vergrößert, daß die entscheidenden Medien zusammen mit der Regierung eine ganz merkwürdige Politik treiben, eine Politik, die darin besteht, daß man den alten ökonomischen Mustern unter allen Umständen folgt - auch wenn diese breiten Teilen der Bevölkerung zum Nachteil gereichen -, solange nur eine gewisse Schicht ihre Profite macht. Das wird auf die Dauer nicht gut gehen ..., damit wird auch die herrschende Schicht Bankrott machen."
      Aus: Gespräch mit Stefan Heym. In: Neue deutsche Literatur, Heft 12, 1992

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