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Klima und Wandel

Replik zu Hans Werner Sinns Angriff auf deutsche Klimapolitik

Dominik LennéMontag, 28.08.2023

Der emeritierte Ökonomieprofessor und ex-Chef des ifo-Instituts hat jüngst in der FAZ (Bezahlschranke) die deutsche Klimapolitik als unsinnig (keine Doppelbedeutung beabsichtigt) gebrandmarkt. Insbesondere ist er mit der kontraintuitiven Behauptung aufgefallen, dass weniger Spritverbrauch in Deutschland (durch E-Autos) einfach zu mehr Spritverbrauch woanders führe und deshalb am Ende zu mehr Emissionen. Der "deutsche Alleingang", der immer wieder in fruchtlosen Diskussionen mit Dekarbonisierungsgegnern auftaucht, sei also bloß ein nutzloser Verzicht auf Wohlstand.

Diese befremdliche Ansicht wäre nicht der Rede wert, wenn Sinn nicht trotz vielfacher absonderlicher Einschätzungen immer noch als Autorität gehandelt würde.

Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School, hat nun – ebenfalls in der FAZ – , eine Replik dazu geschrieben. Deren wesentlicher Inhalt ist auch ohne Bezahlschranke auf MSN.com zu lesen, was hier gepiqd worden ist. 

Tenor ist, dass das Basis-Weltmodell der Wirtschaftswissenschaft, in dem Menschen in Märkten nur nach ihrem momentanen lokalen Vorteil handeln, zu unterkomplex ist, um die reale Welt zu beurteilen. Insbesondere gebe es Organisation und Kooperation – auch implizite, die dort nicht enthalten seien. 

Der Artikel ist kurz und klar.

Replik zu Hans Werner Sinns Angriff auf deutsche Klimapolitik

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Kommentare 8
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor einem Jahr

    Den Artikel von H.W. Sinn findet man hier:

    https://www.msn.com/de...

  2. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

    Ich finde diese Replik in Teilen unredlich. Nehmen wir diesen Satz:

    "Diese Argumentation läuft also darauf hinaus, dass wir alle Klimaschutzanstrengungen stoppen und wieder ohne jede Zurückhaltung Kohle, Öl und Gas verbrennen. Ist das tatsächlich die Empfehlung an die Bundesregierung?"

    Ich weiß nicht genau, was Sinn in dem FAZ-Artikel dazu empfohlen hat. Aber in einem Interview sagte er zu dieser Frage in der WELT:

    "WELT: Sie wollen aber nicht zurück zur Kohleverstromung?

    Sinn: Keinesfalls, Kohle ist ja besonders CO2-intensiv. Aber wir müssen die noch laufenden Kernkraftwerke weiterbetreiben und die schon abgestellten wieder anfahren, um die akute Energieknappheit zu lindern. Deutschland ist das Land, in dem die Grundlagen für die Kernphysik gelegt worden sind. Dass man sich gerade hier von dieser Technologie verabschiedet, ist ein Unding. Wenn Kernenergie gefährlich wird, dann, weil es andere mit weniger Know-how betreiben, als wir es haben."

    https://www.welt.de/wi...

    Das sollte man bei einer fairen Replik wissen. Und dann weiter in der Replik:

    "…. und kein Land installiert mehr Windräder und Solarzellen als China. (Im ersten Halbjahr wurden dort mehr Solarzellen angeschlossen als in den letzten 30 Jahren hierzulande.)"

    Ja stimmt, aber auch kein Land baut wohl mehr Kohlekraftwerke oder KKW. Was hier wieder nicht gesagt wir - Chinas neue Kohlekraftwerke werden noch Jahrzehnte laufen. Und damit sowie mit den KKW werden unsere Solarpanels und Windräder billig produziert, von deren Lieferung unsere Strategie abhängt. Aber wir haben für die dortigen KKW in D keine vergleichbare Alternative.

    Dann folgt in der Replik:

    "Unzählige Studien und zunehmend auch die Praxis zeigen, dass ein auf Wind und Sonne basierendes Stromsystem nicht nur möglich, sondern auch günstiger ist als die schmutzigen Alternativen. Selbst Energiekonzerne wie RWE, die in der Vergangenheit noch in das gleiche Horn wie Sinn geblasen haben, setzen inzwischen voll auf Erneuerbare."

    Also die Praxis zeigt eher, dass es teuer wird. Das zukünftige System wird komplex und ressourcenintensiv. Strom wird nicht billiger und selbst das Wirtschaftsministerium rechnet in der Prognose bis nach 2040 nicht damit:

    "Demnach pendelt sich der Strompreis in den nächsten zwei Jahrzehnten zwischen 37 und 42 Cent pro kWh ein. Die Tiefstwerte von glatt 37 Cent pro kWh werden für die Jahre 2024 und 2025 angenommen. Danach würde der Preis schrittweise steigen – auf 40,27 Cent pro kWh im Jahr 2042.

    Zum Vergleich: Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check 24 zahlten Kunden zuletzt in der Grundversorgung durchschnittlich 43 Cent pro kWh. Neukundentarife waren im günstigsten Fall für unter 30 Cent pro kWh zu bekommen." https://www.zfk.de/pol...

    Und für die Industrie soll das durch subventionierte Preise abgefangen werden. Ein Ökonom sollte das kennen/wissen.

    1. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor einem Jahr

      Nein, er will also nicht zurück zur Kohle - sagt dann aber gleich, dass Deutschland erstmal viele Jahre weiter Kohle nutzen soll?
      sorry, dass demonstriert mir im Detail nur, was verkürzt vorher in der Replik gesagt wurde: dass er dafür ist, wieder Kohle zu verbrennen etc.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Cornelia Gliem Nutzen muß (nicht soll), weil es aus der Atomkraft ausgestiegen ist. Das ist die Aussage. Mit den abgeschalteten KKW wäre D heute bei der Stromerzeugung weitgehend CO2-frei ….

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Cornelia Gliem Konkret schreibt Sinn: "Besonders misslich an der unilateralen Verzichtspolitik ist der Umstand, dass der enorme Mehrverbrauch an Strom, den die Verbrennerverbote in der EU induzieren werden, die Netzbetreiber veranlasst, Strom aus allen nur verfügbaren Quellen herbeizuschaffen, und die sind leider nicht alle CO2-neutral. Natürlich denkt man vor allem an den grünen Strom aus Wind- und Sonnenenergie, doch wird man um die Braunkohle kaum herumkommen.

      Der Strom aus Wind- und Sonnenenergie lässt sich zum einen nicht schnell genug herbeischaffen, und zum anderen ist er ein kaum zu bändigender Flatterstrom, der angesichts der Nichtverfügbarkeit von wirtschaftlich betreibbaren Speichern auch den Braunkohlestrom zur Abfederung der Dunkelflauten braucht. Das gilt besonders für jene Länder, die nicht bereit sind, auf die Atomkraft zurückzugreifen.

      Ein Lehrstück für die Art, wie die Politik auf Engpässe bei der Stromversorgung reagiert, liefert die Beendigung der russischen Gaslieferungen nach Westeuropa und die Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke. Deutschland hatte als Reaktion auf die entstehenden Engpässe kurzerhand fünf große Braunkohlekraftwerksblöcke aus der Reserve zurück ans Netz geholt. Auch Tschechien, Bulgarien und Polen, die ebenfalls über erhebliche Braunkohlebestände verfügen, haben die Braunkohleproduktion wegen der plötzlichen Energieknappheit wieder deutlich gesteigert. In Polen wurde die Verbrennung von Braunkohle für den Hausbrand wieder erlaubt. Und die tschechische Regierung erwägt, zur Herstellung der Versorgungssicherheit den Braunkohleausstieg, der für 2033 geplant war, zu verschieben." Also D soll nicht nutzen. Die die frühere und gegenwärtige Politik zwingt uns dazu ….
      https://www.msn.com/de...

  3. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

    Das Erscheinen dieses Piqs überschnitt sich mit der Nachricht über den Tod der vielfach ausgezeichneten Verhaltensökonomin Nora Szech im Alter von nur 43 Jahren. Die FAZ hebt Szechs These hervor: „Der Markt kann die Moral untergraben.“

    Meine Gedanken kamen beim Lesen gleich auf Hans-Werner Sinns erstes Argument, nationale oder europäische Klimapolitik bringe nichts. Sinn reduziert damit Regierungen, ganze Staaten und multilaterale Institutionen auf den Homo oeconomicus. Außer Acht gelassen wird dabei, dass Staaten ja Anreize für positive Entwicklungen setzen und schädliche Auswirkungen regulatorisch begrenzen bzw. zumindest dazu in der Lage sind.

    Für rationales wirtschaftliches Handeln der Menschen werden zwei Beispiele aus Szechs experimenteller Forschung angeführt:
    Probanden wurden vor die Wahl gestellt, ob sie Labormäuse dem Tod durch Vergasung preisgeben und dafür ein paar Euro kassieren würden - viele Versuchsteilnehmer entschieden sich, das Geld zu nehmen.
    In einem anderen Versuch zeigte sie, "wie anfällig Menschen dafür sind, ihr Gewissen reinzuwaschen ...: Kunden von Bioprodukten geben weniger Geld dafür aus, dass die Produkte auch fair und ohne Kinderarbeit produziert werden als die Kunden konventioneller Produkte – die Biokunden hatten ja schon Gutes geleistet."

    Ernst Fehr von der Uni Zürich würdigte Nora Szech als "eine außergewöhn­liche Wissenschaftlerin, deren ... Forschung das Verständnis für menschliches Verhalten vertieft (habe) und für die praktische Anwendung in Politik und Wirtschaft relevant" sei.

    https://www.faz.net/ak... oder https://blendle.com/se... (Paywall)

    Szech hatte nicht zur Klimaskepsis geforscht, jedoch u. a. zur Corona-Skepsis. Ihre Arbeiten sind für alle wirtschafts- und sozialpolitischen Bereiche und die Wissenschaftskommunikation relevant. Der Blick hierauf sollte gestärkt werden, denn anders als in der Pandemie sind die Gefahren des Klimawandels im Bewusstsein vieler Menschen noch nicht so nah.

    Clemens Puppe von der Uni Karlsruhe hat diesen Nachruf veröffentlicht: https://www.capital.de...

    1. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor einem Jahr

      Diese Antwort könnte ein eigener piq sein, im Bereich Wirtschaft.

    2. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor einem Jahr

      @Dominik Lenné Ja, überlegte ich auch. Leider fehlt die Zeit, vielleicht später in einem größeren Zusammenhang. So erreicht es die Nutzer'innen schneller.

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