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1986 in Kiew zur Welt gekommen. Seit zwanzig Jahren einer von den guten Einwanderern. In Leipzig Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie studiert. An der Deutschen Journalistenschule zum Redakteur verarbeitet. Seitdem beseeltes Berliner Edelprekariat. Ach ja, bei Hanser Berlin Literatur verbrechend. Das mach ich wirklich gern.
"Staatsanwälte stellen Verfahren gegen Neonazis reihenweise ein, Richter dehnen das Recht auf Meinungsfreiheit ins Unerträgliche und lassen selbst antisemitischen Hass zu."
Die Süddeutsche Zeitung hat einen Schwerpunkt zum Unwillen der deutschen Justiz veröffentlicht, rechten Terror zu bestrafen. Auf dem rechten Auge blind, immer noch. 12 lächerlich nazifreundliche Urteile zum Beispiel nehmend.
Molotowcocktails auf Synagogen? Nicht zwingend antisemitisch, befand das Amtsgericht Wuppertal. NICHT ZWINGEND ANTISEMITISCH (eher Israelkritik).
Oder folgendes Lied, öffentlich von Nazis gesungen: "Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Leipzig bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir.“ Strafbare Holocaustleugnung würde man meinen. Das Landgericht Leipzig entschied, dass daraus nicht zu schlussfolgern sei, dass die Ereignisse in Auschwitz damit gutgeheißen würden.
Carsten M., Anführer der rechtsextremen Brigade Aryans, drischt mit einem Stromkabel auf Menschen ein. Bei einer Hausdurchsuchung werden lauter Waffen und Unmengen Nazidevotionalien sichergestellt. Und was sagt die Staatsanwältin in Halle dazu?
"Dass es sich um ein führendes Mitglied der „Aryans“ handelte, fällt für die Staatsanwältin nicht ins Gewicht. Sie weist die Polizei dezidiert an, die drei Mobiltelefone von Carsten M. nicht zu durchsuchen, weil: zu viel Aufwand. Auf dem Handy seiner Freundin hätten sich schon genügend Indizien wegen des Überfalls gefunden. Und die NS-Devotionalien in der Wohnung? „Die Ausgestaltung der eigenen vier Wände ist, sofern keine Außenwirkung eintritt, in der Bundesrepublik Deutschland jedem überlassen“, schreibt die Staatsanwältin."
Das waren lediglich drei Beispiele.
"Es sind Schlaglichter auf eine Justiz, die rechte Übergriffe entpolitisiert, noch das Unsäglichste für sagbar hält und sich oft genug nicht dafür zuständig fühlt, den Hass im Land durch klare juristische Leitplanken einzudämmen."
Mein Gott, tut dieser Text weh. Mein Gott, ist er nötig. Das entsetzende Urteil zu den Angriffen auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt, aktuellstes Beispiel, wird sicher nicht das letzte dieser Art bleiben. Umso mehr: Vielen Dank an die Kollegen für diese so wichtige Arbeit.
Quelle: Peter Burghardt, Annette Ramelsberger, Antonie Rietzschel und Ronen Steinke Bild: Stefan Dimitrov Artikel kostenpflichtig projekte.sueddeutsche.de
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Bei blendle ist der Text auch zu finden: https://blendle.com/i/...
Eventuell – nur ganz vielleicht – sollten Kritiker solcher Urteil sich die Frage stellen, wie es wohl aussähe, wenn Angeklagte aufgrund der mangelhaften Vorausschau von Richtenden niedrigerer Instanzen genau auf dieser Argumentation aufbauend mangels relevant strafbewehrter Fakten zu weithin beachteten Urteile mit Freisprüchen oder Strafmilderung kämen.
Was macht es für einen Unterschied, welchen Glauben jemand hat, dessen Haus ich anzünde? Die Brandstiftung oder der Versuch ist schwerwiegender, als alleine der Faktor „Synagoge“. Wäre Moschee, Kirche, Tempel „akzeptabler“?
Der Schutz der Wohnung, Brief- und Fernmeldegeheimnis sind – zumindest nach dem Gesetz – ein sehr hohes Gut. Der Umstand, dass etwas bei einer Hausdrucksuchung gefunden wurde, ist kein Grund für eine signifikante Strafverschärfung, wenn bereits handfeste Vergehen zu bewerten sind:
• Werden Waffen gefährlicher, wenn sie unter einer Hakenkreuz-Fahne liegen?
• Welchen Schaden richten die Waffen, welchen die Fahne an?
• Wie ließen sich „drei Jahre extra für Nazi-Zeug“ im Vergleich zu Schusswaffenbesitz oder versuchtem Totschlag begründen? Oder, anders herum: Wäre die Schlägerei ohne politische Ambitionen glimpflicher verlaufen?
„Strafe“ steht in Deutschland immer unter dem Gesichtspunkt, dass eine Resozialisierung möglich bleiben soll – auch für mutmaßlich Unbelehrbare. Aber Sicherungsverwahrung wegen „Mein Kampf“ auf dem Nachttisch oder tumbe Lieder singen lässt sich kaum darstellen, wenn Autoraser, die jemanden tot fahren, spätestes nach 10 Jahren frei kommen.
Ebenso die Frage, wie tief gewühlt werden muss. Wann ist es genug? Wie erklären sie einer vergewaltigten Frau, warum es keine Durchsuchung aller im Umkreis der Tat eingeloggten Handys nach Tatindizien gibt, bei einem stadtbekannten Nazi aber keine Mühen gescheut werden, obwohl ihm bereits mühelos Waffenbesitz, etc. nachgewiesen wurde?
⸮ Die U-Bahn von Leipzig nach Auschwitz soll natürlich nur den Zugang zu diesem Ort des Gedenkens vereinfachen. Wer was anderes unterstellt ist die „wahre Nazisau“. ⸮ Beweise für das Gegenteil ohne handfeste Fakten? Ein Fest für jeden leidlich fitten Strafverteidiger.
Deutsche Richter:innen lassen sich m.E. regelmäßig von der Idee leiten, dass mit dem Relativieren eines Tatbestands ein maßgeblicher Angriffspunkt für eine Revision oder gar Annullierung eines Urteils entfällt, das in der Summe objektiv im Vergleich zu anderen Straftaten angemessenes ist. Womit sie verhindern, dass Leuten eine Bühne geboten wird, die ihnen keinesfalls zusteht.
Fast hätte ich es vergessen: Wie viele „kritisierte“ Urteile stehen unbeachteten mit thematisch gleichem Inhalt gegenüber, die dann offenbar „o.k.“ sein müssen?
Da der Artikel hinter einer Paywall liegt, ist unklar, ob das behandelt wird. Ich vermute – nein – denn es würde relativieren…