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Ich bin im Jahr 1963 in der Nähe des Lotter Kreuzes an der Autobahn A 1 geboren. Aufgewachsen in einer niedersächsischen Kleinstadt namens Diepholz, lebe ich heute in Arnsberg im Sauerland. Dort sehe ich unter anderem die bekannten Talkshows im deutschen Fernsehen. Anschließend schreibe ich darüber für die FAZ.
Am Montagabend nahm die ARD kurzfristig die für 22:45 Uhr geplante Dokumentation „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ aus dem Programm. Ein vergleichbares Vorgehen hatte es schon im Jahr 2017 gegeben, als Arte einen Film über den Antisemitismus in Europa zurückzog. Der wurde anschließend von der Bild-Zeitung veröffentlicht, allerdings später in einer grotesken Fassung und mit erläuternden Untertiteln im Ersten und auf Arte gezeigt. Wenige Wochen später kam eine Arte-Reportage über den Gazastreifen ebenfalls unter Beschuss, allerdings mit einer anderen politischen Begründung. Am Montag setzte sich somit fort, was in den vergangenen Jahren öfter zu beobachten war. Der Meinungskampf betrifft nicht mehr den Streit um Inhalte, sondern die Frage, ob diese überhaupt noch gezeigt werden dürfen. Kurioserweise in einem Mediensystem, wo die öffentlich-rechtlichen Sender nicht mehr wie in den 1970er Jahren ein Fernseh-Monopol besitzen. Damals hätten sich die meisten Zuschauer mangels Alternativen selbst Dokumentationen über die Quantenphysik angesehen. Wenn sich niemand über die Wuhan-Dokumentation empört hätte, wäre sie wohl weitgehend auf Desinteresse gestoßen. Das war sicherlich nicht die Idee der SZ, als deren Peking-Korrespondentin Lea Deuber vergangene Woche gegen den Film zu Felde zog. Sie hatte ihn noch nicht einmal gesehen, fällte aber sogleich ihr Urteil: Chinesische Propaganda. Nun wollen wir die Berechtigung dieses Vorwurfes hier nicht diskutieren. Ich hatte diesen Eindruck nach dem Ansehen des Filmes nicht. Vielmehr geht es um folgenden Satz aus dem Spiegel-Artikel: "Kritiker monierten dagegen, die Propaganda sei subtiler." Das ist eine interessante Formulierung, die wir hier einmal übersetzen wollen: Der Zuschauer ist halt so blöd, dass er vor sich selber geschützt werden muss. In diesem Fall vor den Winkelzügen der Pekinger Propaganda, die nur noch die Eingeweihten zu durchschauen vermögen. Das Schema kann man natürlich auf alle anderen Themen ebenfalls anwenden. Es finden sich bestimmt weitere Eingeweihte, die den Bürger, das arme Schaf, vor Subtilitäten aller Art bewahren wollen. Das betrifft dann selbst die hier Eingeweihten, die bei anderen Themen leider ebenfalls bloße Zuschauer sind. In Peking hat man im Zuschauerschutz Übung, wie China-Korrespondenten wissen. Man könnte es aber auch wieder mit der kritischen Debatte über Inhalte versuchen. Dann sollte man aber den Zuschauer nicht für blöd halten. Das nur als Idee. Wahrscheinlich sind wir schon weiter.
Quelle: Klaus Raab, DER SPIEGEL spiegel.de
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Was wäre denn die Alternative? Dem gesellschaftlich grassierenden Postfaktizismus medial Tür und Tor zu öffnen?
Die Gatekeeping-Funktion geht ja nicht nur in eine Richtung, sondern die Macht der Entscheidung darüber, was veröffentlicht wird, ist über das Presserecht eng an die Sorgfaltspflicht geknüpft. Sicherlich schnappt da die Schere hin und wieder zu oft zu. Aber zu glauben, dass plötzlich alles gut und gerecht würde und keine Inhalte mehr zensiert, lanciert oder verfremdet dargestellt würden, wenn alles dem Medienkonsumenten selbst überlassen würde, ist in höchstem Maße naiv. Als würden sich mit dem Wegfall der Sorgfaltspflicht auch die verborgenen Interessen plötzlich in Luft auflösen...
Welcher sich halbwegs Demokratie und Pluralismus verpflichtet sehender Mensch kann denn daran ein Interesse haben?
Aus dem Text:
"Die Süddeutsche Zeitung kritisierte schon vor der Fertigstellung, dass selbst die Interviews mit chinesischen Virologinnen und Ärzten [...] vom CICC geführt worden seien. Die ARD-Korrespondentin und der -Korrespondent in Peking seien dagegen nicht eingebunden gewesen. [...] Das CICC, so die SZ, habe zudem 'verschiedene Versionen des Manuskripts eingesehen' und soll 'auch auf Änderungen gedrungen haben'."
Und weiter:
"Vermieden wird [im Film], das CICC als Teil von Chinas Propagandaapparat zu bezeichnen. Die Intention der Bilder und die Zweifel an ihnen werden aber [...] im Off-Kommentar immer wieder problematisiert. [...] Kann man eine Dokumentation, die zu weiten Teilen aus Bildern besteht, denen man nicht trauen kann, retten, indem man immer wieder den Hinweis einstreut, dass man ihnen nicht trauen kann?"
Und schließlich:
"Es wird nicht klar, bei welchen Bildern es sich um CICC-Material handelt und bei welchen nicht. Auf Einblendungen der Bildquelle etwa habe man verzichtet, weil sie 'den Sehfluss' zu stark behindern würden, schrieb der SWR auf SPIEGEL-Nachfrage am Freitag."
Ich würde sagen: Es gab gute Gründe, den Film mit spitzen Fingern anzufassen.
Manipulation in den Medien ist derzeit ein heißes Thema, und mit gutem Grund. Das Beispiel Corona-"Skeptiker/innen" zeigt, wie sehr sich Menschen manipulieren lassen und wie schwer es vielen fällt, wissenschaftliche Erkenntnisse von Laienmeinungen und Fakten von Fakenews und Propaganda zu unterscheiden.
Ja: der Zuschauer / die Zuschauerin braucht Hilfestellung. Das ganze Ausmaß der Manipulation durchschauen viele nicht – sonst hätten Irre wie ein gewisser Koch nicht zigtausende Anhänger.