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Klima und Wandel

Die Augenzeugen des tauenden Eises

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
Zum Kurator'innen-Profil
Nick ReimerDienstag, 13.10.2020

Seit gestern ist die "Polarstern" in Bremerhaven zurück: Der Forschungseisbrecher war am 20. September 2019 vom norwegischen Tromsø aus zu einer der größten Arktis-Expeditionen aller Zeiten aufgebrochen - 140 Millionen Euro teuer. Unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) waren Hunderte Wissenschaftler von 80 Instituten aus 20 Ländern in wechselnden Crews an Bord. Fast zehn Monate lang driftete das Schiff durch das Nordpolarmeer - angedockt an eine Eisscholle nach dem Vorbild der Reise des Norwegers Fridtjof Nansen mit dem Segelschiff Fram vor rund 125 Jahren. So konnten die Wissenschaftler den gesamten Eiszyklus vom Gefrieren bis zum Schmelzen messen und dokumentieren.

Rund 450 Wissenschaftler aus allen Ecken der Welt waren etappenweise an Bord des Forschungsschiffes, das von anderen Eisbrechern regelmäßig mit neuem Personal, Lebensmitteln, Material und Treibstoff versorgt wurde. Geplant war im Frühjahr auch ein Austausch per Flugzeug, der wegen Corona-Reisebeschränkungen dann aber ausfiel. Jetzt beginnt die nächste wichtige Arbeit für die Wissenschaft, die Auswertung der Daten. Etwa 200 Parameter wurden erfasst, von den Temperaturen und Strömungen tief im Wasser und in bis zu 35 Kilometer Höhe in der Luft bis hin zu den Mikroorganismen am und im Eis. Manches ist heute schon offensichtlich. So lagen die gemessenen Temperaturen im Winter um rund zehn Grad Celsius über dem, was Nansen auf seiner Expedition vor 125 Jahren gemessen hat, wie Expeditionsleiter Markus Rex berichtet.

Die Augenzeugen des Wandels in der Arktis: Ralf Jaiser vom AWI war von März bis Mai dabei, er war vor allem für die Atmosphärenbeobachtung per Fesselballon zuständig. Jaiser ist Klima-Modellierer, kein typisches Expeditionshandwerk. "Mich hat am meisten beeindruckt, wie dynamisch das Eis ist", sagt Jaiser. "Wie schnell ein Riss aus dem Nichts auftaucht, sich öffnet und teils innerhalb kürzester Zeit wieder zentimeterdick zufriert."

Marodes, brüchiges, aufgeschmolzenes Eis fanden die Forscher im Sommer bis direkt zum Nordpol, immer wieder Schmelzwassertümpel und offenes Wasser. "Das war früher ein Gebiet alten Eises", sagt Polarstern-Kapitän Thomas Wunderlich; eines, aus dem man sich selbst mit Eisbrechern lieber heraushielt. Nun konnte die Polarstern jedoch praktisch ungehindert in wenigen Tagen zum Nordpol vorstoßen. Seit den Achtzigerjahren ist die mittlere sommerliche Eisfläche in der Arktis um rund die Hälfte zurückgegangen, und das verbleibende Eis ist dünn und taut.

Die Augenzeugen des tauenden Eises

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