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Fundstücke

Wie vier westdeutsche Verlage 1989/90 den Osten eroberten

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannDienstag, 25.01.2022

Zwischen Ende 1989 und Ende 1990 sind in Ostdeutschland rund 120 neue Zeitungen gegründet worden. Dieser einzigartige "Pressefrühling" stand, so die Medienwissenschaftlerin Mandy Tröger, "für eine neue Art der Teilhabe der DDR-Bürger an demokratischen Prozessen." Pressefreiheit war eine zentrale Forderung der Ostdeutschen gewesen, und sie hatten Lust, das auch selbst auszuprobieren. Tröger spricht in dieser Folge des Wirtschaftspodcasts "Wohlstand für Alle" mit Wolfgang M. Schmitt über ihr gerade erschienenes Buch "Pressefrühling und Profit. Wie westdeutsche Verlage 1989/1990 den Osten eroberten." 

Vor allem die vier Großverlage Burda, Bauer, Springer und Gruner&Jahr schufen als kartellartig handelnde Pressefreiheitsdarsteller schnell Fakten, verhandelten schon wenige Wochen nach dem Fall der Mauer mit der achso totalitären DDR-Regierung, bauten gegen geltendes Recht ein eigenes Vertriebssystem auf, das natürlich nur eigene Produkte in den Handel brachte, und kauften Zeitungen von Personen, die diese gar nicht verkaufen durften. Die Treuhand konnte nur noch im Nachhinein abnicken; die Konkurrenz aus dem Osten wurde auch mittels illegalem Preisdumping schnell wieder eingestampft. 

Ende 1991 waren nur 30 der neugegründeten Zeitungen übrig, heute sind es noch zwei oder drei, so Tröger. Bei der Transformation der auflagenmächtigen SED-Bezirkszeitungen der DDR in privatwirtschaftliche Verlage, so ihre These, sei es nie um freien Wettbewerb gegangen, "sondern eine Expansion bereits bestehender Monopolpositionen des westdeutschen Pressemarktes." Dies sei Zulasten der Demokratie in Ostdeutschland gegangen, wenn auch immer "mit der Rhetorik der Demokratie geschehen." Bis heute gehören alle Regionalzeitungen Ostdeutschlands westdeutschen Verlagen. Die meisten heißen noch wie zu DDR-Zeiten. 

Wie vier westdeutsche Verlage 1989/90 den Osten eroberten

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Kommentare 1
  1. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor fast 3 Jahre

    Ich liebe diesen Podcast - nicht zuletzt wegen Folgen wie dieser. Wie wenig bekannt und reflektiert die Rolle der Konzerne und ihr damaliges Auftreten ist, wird auch dadurch deutlich dass deren Neusprech (Pressefreiheit! Demokratie!) bis heute schamlos angewandt wird wenn es um darum geht bloße Geschäftsinteressen durchzusetzen.

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