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Lieferung in 10 Minuten und Lebensgefahr

Mohamed Amjahid
Buchautor und Journalist

Reporter, Kurator, Autor für deutsche und internationale Medien. Studium der Politikwissenschaft/Anthropologie. Themen: Weiße Mehrheitsgesellschaft, MENA, Autokratien, Kapitalismuskritik, Feminismus und kritische Theorie.

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Mohamed AmjahidMontag, 25.10.2021

Ich habe neulich mit Freund*innen darüber gesprochen, ob es okay ist, diese neuen Lieferdienste in deutschen Großstädten in Anspruch zu nehmen. Sie heißen Gorillas, Flink oder Getir und werben damit, jede Bestellung in wenigen Minuten bis an die eigene Wohnungstür zu bringen. 

Aufgefallen sind mir ihre Fahrer*innen (auch Rider genannt) im Straßenverkehr als unter Strom stehende junge Menschen, die gegen die Uhr in die Pedale treten. Viele von ihnen sind migrantisiert und oft außer Atem. Denn seit geraumer Zeit gibt es eine Debatte über unmenschliche Arbeitsbedingungen, vor allem beim Berliner Start-up Gorillas. Das erst seit einem Jahr Kund*innen beliefert und seitdem stark wächst. Vor einer Woche sicherte sich das Unternehmen eine Investition von knapp 1,8 Milliarden Euro. Wachstum um jeden Preis heißt die Strategie. Aber auch der Konkurrent Flink holt auf und hat sich mit dem Einzelhandelsgiganten Rewe zusammengetan. Aus der Türkei stammt das Unternehmen Getir, das ebenfalls stark in den deutschen Markt investiert

Doch wie steht es um die Arbeitsbedingungen in der stark wachsenden Branche, dessen Dienstleitungen vor allem von jungen Kund*innen genutzt werden? 

Mitarbeiter*innen berichten von dreisten Verträgen, die endlos befristet würden, Widerstand von Unternehmensspitzen gegen gewerkschaftliche Organisation der Belegschaft oder eine engmaschige digitale Überwachung, die selbst die Stasi eifersüchtig machen würde. Ein Rider bei Gorillas berichtet in der Wirtschaftsreportage, dass er permanent überwacht werde. Ein Vorgesetzter habe ihn angerufen und gefragt, warum er so lange an einem Ort stehe. Als die Antwort "rote Ampel" lautete, soll ihm sein Chef nahegelegt haben, dass er doch einfach weiterfahren könne. Regelmäßig sollen so Fahrer*innen in Unfälle verwickelt sein. Außerdem, so der Mitarbeiter, soll er auch in Pausen überwacht worden sein. Ein klarer Verstoß gegen geltendes Arbeitsrecht und den Datenschutz. 

Streikende Mitarbeitende sollen vom Unternehmen entlassen worden sein. Einige haben sich organisiert und klagen gegen befristete und vermeintlich ungültige Arbeitsverträge. In diesem Interview spricht eine Arbeitssoziologin darüber, wie die Chancen dieses Protests stehen

Die unangenehme Frage lautet: Wenn es nicht okay ist, diese neuen Start-ups in ihrem mutmaßlich ausbeuterischen Geschäftsmodell mit Käufen zu unterstützen, müsste man dann nicht auch auf mittlerweile klassische Anbieter wie Lieferando auch verzichten? Und was ist mit den Arbeitsbedingungen im Einzelhandel? 

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Kommentare 2
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Die Andeutung im letzten Absatz von wegen dann müsse man eigentlich alle möglichen Arbeitsbedingungen kritisieren und boykottieren, wirkt ein bisschen überstürzt.
    Das Ganze dürfte graduell schon gravierende Unterschiede aufweisen - ob ich bei Gorilla arbeite oder zb beim Rewe um die Ecke...

    und bei aller äußerst berechtigten Kritik an dieser Art "moderner" Arbeit - in Europa und vorallem in Deutschland haben wir gute Gesetze gegen solche Arbeitgeber.
    klar ist es oft schwierig - gerade für Migranten und gerade in dieser Gig-Beschäftigung.

    Aber ein ganz klein wenig ist der erwachsene Arbeiter auch verantwortlich für seine Arbeitsvertragsverhältnisse: auch durch Internet etc. kann man sich eigentlich über seine Rechte informieren.
    und dass ich bei ROT nicht fahre nur weil der Boss rumspinnt, dürfte auch klar sein. (Sollen sie doch mal den Chef bei sowas aufnehmen und anzeigen!)
    Und in der heutigen Zeit spielt auch das Image für solche gehypten Firmen eine große Rolle: auf längere Sicht kann sich zb Gorilla keinen Ärger erlauben.

    Sollte man also solche Dienste boykottieren?
    ja. Auch wenn das wieder Verantwortung nur auf den Konsumenten verlagert und Staat und "Wirtschaft"
    außen vor zu lassen scheint.
    Zumindest habe ich bei Gorilla und Konsorten die Wahl.

  2. Ronny Wappler
    Ronny Wappler · vor 3 Jahren

    du hast recht, darüber habe ich mir auch schon oft gedanken gemacht, vor allem wo ich mal im Döner laden hart gearbeitet hatte. 2001-2002

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