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Kurator'in für: Europa Fundstücke Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953, geboren in Bünde/Westfalen. Nach dem Studium der evangelischen Theologie in Bielefeld und Marburg/Lahn ab 1989 Leiter des Industrie- und Sozialpfarramtes des Kirchenkreises Herne. Von 2007 bis 2009 Referent für Sozialethik an der Evangelischen Stadtakademie Bochum. Von 2009 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments (DIE LINKE). Mein persönliches Highlight im EP: Ich war Berichterstatter für die Zahlungskontenrichtlinie, die jedem legal in der EU lebenden Menschen das Recht auf ein Bankkonto garantiert. Seit 2014 freiberuflich tätig. Publizist. Diverse Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Publikationen, seit Dezember 2016 Herausgeber des Europa.blog und seit Juni 2020 auch Herausgeber des "Ruhrpott Podcast".
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Die diesjährige mediale Sommerlücke wird dank Herrn Klingbeil unter anderem mit dem Thema Ehegattensplitting gekittet. Was auf den ersten Ton progressiv klingt, entpuppt sich aber schnell als Beitrag zur Festigung patriarchaler Strukturen. Denn mit dieser spontihaften Debatte wurde bisher vor allem eines erreicht: Eine seriöse und auf fortschrittliche Veränderungen zielende Debatte zu diesem Thema ist bis auf Weiteres nicht möglich. Wobei ich keineswegs behaupten will, dass Herr Klingbeil mit seinem Einwurf eine Strategie verfolgt hätte. Das erscheint mir dann doch etwas zu abwegig.
Dabei verdient das Thema Ehegattensplitting eine seriöse Debatte. Warum? Das erklärt Emilia Roig in ihrem Essay in der taz. Selten habe ich eine so klare, kluge und überzeugende Argumentation für eine Abschaffung des Ehegattensplittings und selbstverständlich auch für eine Abschaffung der Ehe (jedenfalls in der heutigen Form) gelesen, wie die von Emilia Roig. Mehr will ich dazu auch gar nicht schreiben. Außer, dass Emilia Roig noch einmal daran erinnert, wie demütigend entmündigt Ehefrauen bis weit in die 1970er-Jahre hinein in der Bundesrepublik gehalten wurden – also in der Zeit, der die #noAfD so nachtrauert (mensch könnte die damalige Ehepraxis auch gut und gerne als unbefristeten Prostitiutionsfestanstellungsvertrag beschreiben). Aber lest einfach selbst. Es lohnt sich!
Quelle: Emilia Roig Bild: Katja Gendikova taz.de
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Ich schätze Emilia Roig sehr, finde es das Ehegattensplitting in seiner heutigen Form auch nicht gut. In meiner Idealvorstellung gäbe es für Paare - oder vielleicht auch miteinander lebende Freunde - dennoch die Möglichkeit, dass einer weniger verdienen darf als der andere und dass das mit Entlastungen verbunden ist. Mein Mann verdient deutlich weniger als ich und wenn es das Splitting nicht geben würde, könnte er den Beruf, den er liebt, nicht ausüben, weil es finanziell nicht reichen würde…
Prinzipiell stimme ich der Forderung zu, dieses Modell mit Ehe, Privilegien klassischer Konstellationen etc. abzuschaffen.
Die Argumentation überzeugt mich auf Theorieseite aber nur bedingt. Wie hier auch schon in den Kommentaren aufkam, sind die Instrumente zumindest in ihrem Design "neutral". Empirisch kommt die Ungleichheit eher daher, dass Paare immer wieder a) Kinder bekommen und b) dann das klassische Modell der Zeitaufteilung (Voll-/Teilzeit, Elternzeit etc.) wählen. Mich stört auch die Gleichsetzung von "Frau" und "Mutter" - wer keine Kinder bekommt, ist von all den kritisierten Mechanismen kaum oder nicht betroffen, und Kinderkriegen ist kein unausweichlicher Lebensschritt.
Insgesamt finde ich diskussionswürdiger, dass (materielle) Privilegien der Ehe stattdessen Privilegien von Eltern sein sollten. Wieso erhalten geplant kinderfreie Ehen (ob hetero- oder homosexuell) Steuervorteile? Würde man Vorteile an den Nachwuchs statt an den Ehestand knüpfen, könnten dadurch auch z.B. polyamouröse Konstrukte, Erziehung durch Kollektive, Geschiedene/Alleinerziehende angemessener unterstützt werden. Ehe könnte dann ein rein privates Initiationsritual für diejenigen sein, die das möchten.
Moin, mich überzeugt sie nicht, weil nur sie zum Teil den Sinn des Ehegattensplittings verstanden hat. Dieses fördert Ehe und Familie mit Steuernachlass. Wer verheiratet ist, bezahlt weniger Steuern, und das gilt insbesondere für Familien, die vom Steuersplitting entlastet werden. Es ist dem Staat egal, wer von beiden Ehepartnern welche Steuerklasse wählt, und am Ende ist es tatsächlich egal, weil beim Lohnsteuerausgleich bzw dem Einkommensteuerausgleich Steuerklassen gar keine Rolle mehr spielen. Da wird nur das gesamte Haushaltseinkommen berücksichtigt.
Als ich studierte und nur wenig dazu verdiente, war meine Frau für das meiste Einkommen verantwortlich und hatte selbstverständlich die Steuerklasse 3 und ich 5. Als wir beide etwa gleich verdienten, hatten wir beide 4. wir hatten nie Streit bei Geldausgaben. Das zeigt, dass der Staat sich zurecht nicht in die interne Verteilung des Einkommens von Ehepartnern einmischt. Und das gilt heutzutage erst recht, wo zumeist beide Ehepartner arbeiten.
Der Beitrag von Frau Roig ist nichts anderes als eine billige, hasserfüllte Polemik gegen Ehe und Familie, und er zeigt, dass sie vom Steuerrecht und Aufgaben des Staates kaum etwas versteht.
Danke, Herr Klute, dass Sie den Artikel von Emilia Roig aufgegriffen haben; alles sehr stimmig. Hatte übrigens schon ihr Buch "Das Ender der Ehe" gelesen mit dem Untertitel "Für eine Revolution der Liebe"; sehr zu empfehlen.