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Feminismen

Eigensinn

Annett Gröschner
Schriftstellerin und Journalistin
Zum Kurator'innen-Profil
Annett GröschnerFreitag, 07.10.2022

Widad Nabi, eine kurdisch-syrische Autorin, ist meine Tandempartnerin im Projekt Weiter Schreiben. Sie ist eine junge moderne Frau, belesen, klug und weltläufig. Und sie beschämt mich oft, weil ich viel weniger weiß über arabische Literatur als sie über die europäische. Worüber wir nie gesprochen haben: Widad Nabi war 13 und lebte in Aleppo, als sie von ihrem Vater vor die Wahl gestellt wurde, den Hijab zu tragen oder von der Schule abzugehen. Auf Zeit Online berichtet sie davon.

Mein Vater war nicht religiös, aber er fühlte sich den Traditionen und Bräuchen der patriarchalischen Gesellschaft verpflichtet, zumal wir in einem religiösen Viertel [in Aleppo, A.G.]wohnten, in dem die Frauen fast ohne Ausnahme Hijab und weite Kleider trugen, die ihre weibliche Identität verschleierten. Das Viertel ließ meinem Vater keine Möglichkeit, sich dieser Tradition entgegenzustellen und sich mit der Macht der autoritären männlichen Gesellschaft anzulegen.

Widad Nabi hat sich für die Schule entschieden, auch weil ihre Schwestern, die ohne Ausbildung früh verheiratet worden waren, ihr zuredeten. Sie sollte es besser haben als sie. Sechs Jahre trug sie das Kopftuch, das ihr Panikattacken verursachte und das sie so oft wie möglich ablegte, denn es machte sie unsichtbar.

Für Widad Nabi ist die Frage des Kopftuches keine Frage der Religion, sondern eine ideologische Frage derer, die die Kontrolle behalten und ihre Meinungen allen aufzwingen wollen, insbesondere den Frauen. Ihr ist die Wahlfreiheit aller wichtig.

Ich kenne viele Frauen, die den Hijab mit Überzeugung tragen, weil sie sich selbst dafür entschieden haben. Auch sie haben ein Recht darauf, dass ihre Wünsche respektiert werden. 

Auch in Deutschland fühlt sie sich in ihrem Freiheitsgefühl eingeschränkt, wenn sie die Vorurteile gegenüber geflüchteten Frauen spürt und fürchten muss, aus der Schublade, in die sie gesteckt wird, nicht mehr herauszukommen.

Angesichts des gegenwärtigen Kampfes der iranischen Frauen gegen die Mullahs sieht sie sich

... an der Seite aller Frauen im Iran und überall auf der Welt, an der Seite jeder Frau, die sich von einem Tuch, von einem Jungfernhäutchen, von gewalttätigen und herrschsüchtigen Partnern, von der patriarchalischen Gesellschaft und vom Sexismus befreien will.

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