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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Leider hat - soweit ich das sehe - Ralf Dahrendorf als liberaler Denker keinen kongenialen Nachfolger gefunden. Die Wechselbeziehung von Konflikt und Wandel standen im Zentrum seines Denkens. Den Wandel steuern heißt Konflikte als Motor der Entwicklung zu beherrschen, zu kanalisieren.
Die von Dahrendorf am meisten bewunderte Reform ist daher «die Schaffung des Rechtsstaats», dessen Institutionen über Mechanismen der Konfliktregulierung die Freiheit sichern. Dabei bedarf der Rechtsstaat des Nationalstaats «als Gehäuse des Rechts». Doch deutsche Intellektuelle könnten «mit dem Gedanken der Nation nicht fertig werden», da sie zumeist auf die Irrwege des deutschen Nationalstaats fixiert seien und den Nationalstaat als Fehlkonstruktion ansähen, die es zu überwinden gelte.
Wobei für ihn das Plädoyer für den Nationalstaat einherging mit der Einheit eines Europas der Nationen in entsprechenden Institutionen. Aber es ging ihm nicht um die „romantisch gefärbten Projektionen eines den Nationalstaat überwindenden Europas“. Und er gestaltete diesen Prozess mit - in der ersten Regierung Brandt als Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt und ab 1970 bis 1974 als Kommissar der EG-Kommission für Außenhandel für Forschung, Wissenschaft und Bildung.
Als Wirtschaftsdenker stand er den Positionen des Ordoliberalismus nahe, hatte aber auch für das Konzept eines Grundeinkommens („Bürgergeld“) Sympathie.
Für Deutschland sah er «das Syndrom der rückwärtsgewandten Modernität unverändert lebendig». In Industrie, Demokratisierung und Bürokratisierung war die Nation um 1900 modern wie England oder die USA.
Sie unterschied sich in der Weltanschauung der Deutschen im Vergleich zu den beiden angelsächsischen Nationen: dort Fortschrittsoptimismus, hier ängstliche Abwehr der Moderne.“
Dahrendorf dachte die Bürgergesellschaft unabhängig vom Staat, vor dem Staat – „in Deutschland ist das eine radikal abweichende Perspektive.“ Darüber sollten wir neu nachdenken ...
Quelle: Gernot Volger Bild: Stefan Moses / Ca... nzz.ch
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Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich der Stoßrichtung des Artikels uneingeschränkt folgen kann. Dahrendorfs Kritik an der EU entsprang doch immer eher im Hinblick auf einen zunehmend zentralistischen, wirtschaftlichen Bürokratismus, weniger im Hinblick auf die Möglichkeit einer politischen Einigung. Ich wäre daher vorsichtig, ihn so zu lesen, als wäre er ein Fürsprecher eines Europas der Nationen und ein Gegner eines Europas der Bürger gewesen. Das würde allein schon seiner Vorliebe für echte politische Streitkultur und eben auch ganz klar seiner Vorstellung von Bürgergesellschaft widersprechen. Ist die Struktur entsprechend angelegt, dann kann sie sich durch Konflikt wandeln und den Bedürfnissen der Bürgergesellschaft anpassen. Ich denke deshalb nicht, dass er einem europäischen Staat mit entsprechender liberaler und föderaler Struktur abgeneigt gewesen wäre. Im Gegenteil: die EU ist eben einfach (noch) nicht entsprechend angelegt.