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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
„Commons“ ist eine linke gesellschaftskritische ukrainische Zeitung für Wirtschaft, Politik, Geschichte und Kultur, die 2009 gegründet wurde. Sie unterscheidet sich nach eigenen Aussagen von anderen ukrainischen Medien durch den Blick auf die strukturellen Ursachen sozialer Probleme sowie durch ihr materialistisches Herangehen. Die Redaktion vertritt demnach antikapitalistische Positionen.
Der hier empfohlene Artikel gibt Antworten auf Fragen, wie es um den Zustand der Landwirtschaft während des Krieges in der Ukraine steht, was die Auswirkungen einer Landreform auf die Zukunft des Landes waren und sein könnten und wie ein sozial-ökologischer Ansatz für die Landwirtschaft nach dem Krieg gestaltet werden sollte? Weitgehend ausgewogene, bedenkenswerte und interessante Antworten gibt
… Dr. Natalia Mamonova - leitende Forscherin bei RURALIS, ein Institut für ländliche und regionale Forschung in Norwegen und Mitautorin einer Studie "Ukrainische Landwirtschaft in Kriegszeiten: Resilienz, Reformen und Märkte", die vom Transnational Institute (TNI) veröffentlicht wurde.
Man lernt viel über die ukrainische Politik und über ihre Landwirtschaft. Demzufolge hat die ukrainischen Landwirtschaft eine "bimodale landwirtschaftliche Struktur", in der große Agrarunternehmen und kleine Bauernhöfe nicht direkt um Land und Märkte konkurrieren. so dass sie jahrelang koexistieren können.
Es gibt eine große Agrarindustrie, die sich in erster Linie auf die Produktion von Getreide für den Export orientiert. Es kultiviert etwa 50% aller Ackerland und produziert die Hälfte der inländischen Bruttolandwirtschaftsproduktion. Die andere Hälfte wird von Familienbauern und ländlichen Haushalten produziert, die die restlichen 50% des Landes bewirtschaften. Familienbauern und ländliche Haushalte produzieren 95% Kartoffeln, 85% Gemüse, 80% Obst und Beeren, etwa 75% Milch und mehr als 35% Fleisch für den persönlichen Verzehr und Verkauf auf den heimischen Märkten.
Zunehmend versuchen nun die Familienbetriebe auch in den Getreideexport einzusteigen. Wobei es hier schwer ist, mit der großen Agrarindustrie zu konkurrieren.
Diese zweiteilige landwirtschaftliche Struktur entstand nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion durch eine Landreform. Diese sollte das ehemals kollektivierte Land an die ländliche Bevölkerung verteilen, um eine private Landwirtschaft zu ermöglichen.
Die Reform scheiterte weitgehend, und das Land verblieb in reorganisierten Kollektiven, die sich später in moderne Industriebetriebe und Agrarholdings verwandelten. Das 20-jährige Moratorium für Landverkäufe sicherte aber den ukrainischen Dorfbewohnern die Rechte an Land, die das verteilte Land für wenig Geld oder für Naturalien an die Agrarindustrie verpachteten, während sie selbst ihre Grundstücke an den Höfen weiter bewirtschafteten.
Das hat in der Ukraine ein direktes „Land Grabbing“ und eine direkte Enteignung von Kleinbauern blockiert. Aber "die Agrarindustrie" kontrolliert die Wertschöpfungskette der Agrar- und Ernährungswirtschaft und erhält auch die meisten Agrarsubventionen. Damit sind die Familienbetriebe behindert, sich effektiver zu entwickeln.
Einen weiteren Grund für die Koexistenz von Groß und Klein sei der weit verbreitete Glaube, dass „groß schön ist“.
Dieser Glaube ist zum Teil in der sowjetischen Geschichte verwurzelt, zum Teil wurde er von der neoliberalen kapitalistischen Ordnung aufgezwungen, die das Großkapital sowohl strukturell als auch ideologisch begünstigt. Dieser Glaube hat sich in den Köpfen der ukrainischen Politiker festgesetzt und wurde von den Agroholdings über viele Jahre hinweg propagiert. Dadurch wurde die Ukraine zum weltweit führenden Getreideexporteur.
Vor dem Krieg machte der Agrarsektor sehr gewichtige 45% der ukrainischen Exporteinnahmen aus. Ob das mit einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft auch zu erreichen wäre, halte ich allerdings für fraglich.
Sicher hat der Ukraine-Krieg die systemische Anfälligkeit der globalisierten (angeblich neoliberalen) Landwirtschaft gezeigt, die durch eine enge Spezialisierung, die Abhängigkeit vom internationalen Handel und eine angeblich extreme Abhängigkeit von nur wenigen Grundnahrungsmitteln für die meisten Menschen gekennzeichnet sei.
Die exportorientierte ukrainische Landwirtschaft war in den ersten Monaten des Krieges lahmgelegt. Entlang der ukrainischen Grenzen türmten sich Berge von Getreide, als die Schwarzmeerhäfen von der russischen Marine blockiert waren und die Landwege nicht ausreichten, um das gesamte Getreide zu transportieren. Darüber hinaus wurden die Lieferungen von Treibstoff und Düngemitteln gestoppt, die zuvor aus Russland und Weißrussland importiert worden waren. Und natürlich bombardiert Russland weiterhin landwirtschaftliche Felder, zerstört landwirtschaftliche Einrichtungen und Infrastruktur. Die Liste der Zerstörungen ist endlos!
Sicher erscheint auch, das es für eine große und komplexe Agrarindustrie zunächst schwerer ist sich schnell an die Erschütterungen und Herausforderungen eines Krieges anzupassen.
Familienbetriebe und ländliche Haushalte, die sich außerhalb der aktiven Kampfgebiete befanden, konnten sich dagegen relativ schnell anpassen und Nahrungsmittel produzieren, um sich selbst, ihre Gemeinden, die Armee und die Menschen in der Ukraine zu ernähren.
Was wiederum kein Grund sein kann, die Welt zukünftig auf kleinbäuerliche Betriebe umzustellen. Und so formuliert Natalia Mamonova:
Ich denke nicht, dass wir versuchen sollten, die großindustrielle Landwirtschaft in der Ukraine in ihrem Kern zu beseitigen. Das wäre zu extrem und unrealistisch. Erstens generiert die Agrarindustrie Haushaltseinnahmen, die für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg benötigt werden (vor dem Krieg machte der Agrarsektor 45 % der Exporterlöse aus). Zwar gibt es auch genug Fälle von Steuerhinterziehung im großen Stil durch die Agrarindustrie, aber wir dürfen die Bedeutung des Großkapitals für die Wirtschaft der Ukraine nicht unterschätzen. Zweitens ist die Welt auf das Getreide aus der Ukraine angewiesen, und unser Land hat das Land, das geeignete Klima und die Ressourcen, um die „Kornkammer der Welt“ zu bleiben. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist, großen Unternehmen mehr Beschränkungen aufzuerlegen, einschließlich Umweltauflagen, und die Agrarwirtschaft transparenter zu machen. Es ist auch wichtig, dass die ukrainische Regierung die Prioritäten in ihrer Agrarpolitik von einem „big is beautiful“-Ansatz auf die Unterstützung von Familienbetrieben und ländlichen Haushalten verlagert.
Das ist m.E. ein diskussionswürdiger Ansatz. Auch wenn ich nicht glaube, das sich die Welt ernsthaft von einer globalisierten, exportorientierten Landwirtschaft abwenden wird. Was aber diversifizierte Lieferketten nicht ausschließt. Ein großer Weltkrieg könnte natürlich auch das zerstören und den Hunger in der Welt wieder überall allgemein machen.
Quelle: Iryna Zamuruyeva Bild: commons.com.ua/ EN commons.com.ua
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Der Zeitschriftentitel Спільне (UKR) steht für „Gemeinsam“. Ein Partner bzw. Sponsor ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Ukraine: https://commons.com.ua... Danke für die Empfehlung – Informationen zum aktuellen Stand der Landreform hatte ich, anders als zu vielen bereits bekannten Punkten, noch nicht.
Einige Gedanken zu dem Artikel.
Die Produktivität der Bauernhöfe zu Sowjetzeiten (nicht nur gemessen am physischen Hektar- sondern vor allem am finanziellen Ertrag) war in der Tat höher. Die privat bewirtschafteten Ländereien und Viehzucht (in der Amtssprache als „subsidiäre Wirtschaften“ bezeichnet) waren ein großer Anreiz, alle Kraft dafür aufzubringen, anstelle „für den Staat“ – egal, ob es ein staatlicher Sowchos oder ein Kolchos als Genossenschaft war – zu arbeiten.
Die Produkte waren allgemein von hoher Qualität und erzielten auf dem Bauernmarkt gute Preise. Hinzu kam, dass frisches Fleisch und Obst im staatlichen Einzelhandel kaum zu bekommen war, ausgenommen die Metropolen der „höheren Versorgungskategorie“ Moskau und Leningrad sowie Hauptstädte der Unionsrepubliken.
Der Bauernmarkt Privoz in Odessa, wo ich studierte, ist legendär und der größte in der Ukraine. https://en.wikipedia.o... Der Name kommt vom russischen Verb privositj (anliefern). Die Bauern brachten ihre Produkte selbst zum Markt oder organisierten dies untereinander.
@ Marcus von Jordan:
„Gute Einkaufs- und Vermarktungsgenossenschaften dazu ...“
Wie es jetzt genau darum bestellt ist, entzieht sich meiner Kenntnis – zuletzt war ich 2018 in Odessa. Ein Reisebericht des Geographischen Instituts der Universität Bayreuth aus 2019 bestätigt die ungemeine Vielfalt des Angebots verschiedener Händler: https://geo-e-log.com/...
Das im Artikel beschriebene Bespiel des Honigs belegt aber, dass der Export ohne einen organisierten Großhandel nicht funktionieren könnte zu konkurrenzfähigen Preisen.
Nachvollziehbar ist Thomas‘ Argument, dass ohne eine industrielle (leider auch nicht chemiefreie) Landwirtschaft die Ernährung der Menschheit nicht möglich ist. Eine Folge der sozialen Ungleichheit wiederum ist, dass sich viele Geringverdiener eben nicht hauptsächlich vom Bauernhof ernähren oder hochwertigere Lebensmittel aus dem Supermarkt konsumieren können.
Super spannend, danke.
Warum glaubst du nicht, dass die kleinbäuerliche Struktur auch die 45% schaffen könnte? Ich erinnere mich an so Zahlen aus der Sovietzeit, dass die Kolchosebauern auf ihren personenbezogenen "Gartenflächen" ein Vielfaches der Produkte erzeugten, als diese Flächen in Prozent an der Gesamtnutzfläche eigentlich ausgemacht hätten.
Gute Einkaufs- und Vermarktungsgenossenschaften dazu und dann verstehe ich gar nicht, wem die industriellen Strukturen nutzen sollten, außer externen Investoren.
Zudem ist doch die relative Resilienz dieser kleinbäuerlichen Strukturen in z.B. Kriegsszeiten ein sehr starkes Argument oder?