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Man kann von der Geburt einer Willensnation sprechen

Marcus von Jordan
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Marcus von JordanDonnerstag, 16.05.2024

Die Berliner Zeitschrift "Osteuropa" gibt es schon seit 1925 (mit Unterbrechung durch den 2. Weltkrieg). 

Zaal Andronikashvili ist Literaturwissenschaftler und  Publizist und spricht mit Volker Weichsel über die Lage in Georgien.

"Georgien steht an einer Wegscheide. Das immer autoritärer agierende Ivanishvili-Regime will das Land genau in dem Moment in den Moskauer Orbit zurückführen, in dem es nach jahrelangen Bemühungen den Status eines Beitrittskandidaten zur Europäischen Union erlangt hat. Hunderttausende sind in vielen Städten des Landes auf die Straßen gegangen, um gegen ein Gesetz zu protestieren, das dem russischen Agentengesetz nachempfunden ist. Der unabhängigen Zivilgesellschaft soll das Rückgrat gebrochen werden. Die Lage erinnert stark an die Ukraine im Jahr 2013. Die Zeichen stehen auf Konfrontation und der Ausgang ist ungewiss: Euromajdan, Belarus 2020 oder doch noch eine Rücknahme des Gesetzes."

Bidsina Ivanischwili ist prorussischer Oligarch und bestimmt seit Langem maßgeblich das Geschehen in Georgien.

Andronikashvili sagt über das "russische Agentengesetz":

"Die Regierung hat in den vergangenen Jahren bereits nahezu alle staatlichen Institutionen gleichgeschaltet. (...) Unabhängige Kunst und Kultur und ebenso politische Selbstorganisation ist nur noch mit Mitteln aus dem Ausland möglich. Die wichtigsten Nichtregierungsorganisationen erhalten Geld aus der EU, von den USA oder von internationalen Organisationen. Die Regierung gibt vor, hier „Transparenz“ schaffen zu wollen, in Wirklichkeit will sie die unabhängige Zivilgesellschaft zerstören. Dass es nicht um Transparenz geht, zeigt sich bereits daran, dass gerade erst ein Gesetz verabschiedet wurde, das es möglich macht, Offshore-Vermögen unkontrolliert und unversteuert nach Georgien zu transferieren. Davon profitiert der Oligarch Ivanishvili ganz persönlich, zugleich kann nun Schwarzgeld aus Russland problemlos nach Georgien übertragen werden. Ivanishvili will Georgien zu einem Standort für Geldwäsche machen, den er alleine kontrolliert und als dessen Schutzmacht Russland auftritt.

Daher ist das Gesetz auch ein klares Signal in Richtung Moskau. Die Botschaft lautet: Wir gehören zu Euch, wir blicken in gleicher Weise wie ihr auf die Welt. Georgien würde sich mit diesem Gesetz Kirgistan anschließen, wo Anfang April ein ähnliches Gesetz verabschiedet wurde. Solche Gesetze sind zum Aushängeschild der „Russischen Welt“ (Russkij Mir, Pax Rossica) geworden."

Aber das ganze Interview ist extrem lesenswert. Und anrührend. Die Spontanität, Kreativität und Solidarität der Proteste, ihre konsequente Friedfertigkeit - 

"Man kann von der Geburt einer Willensnation sprechen."

Es wird überdeutlich: in Georgien geht es um fast alles gerade.


Man kann von der Geburt einer Willensnation sprechen

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Kommentare 7
  1. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor 22 Tagen · bearbeitet vor 21 Tagen

    „Georgischer Alptraum, 2. Akt“ – warum?
    Zaal Andronikashvili gab bereits vor anderthalb Jahren dieser Zeitschrift ein Interview unter diesem Titel.

    Das Thema der Gleichschaltung von Kulturinstitutionen vertieft er in https://taz.de/Protest...

    Authentische Berichte aus meinem Arbeits- und Freundeskreis in Georgien bestätigen, dass die NGOs nützliche Aktivitäten in verschiedenen Bereichen leisten. Sie betreffen Alltagsprobleme der Menschen, deswegen sind die Proteste gegen das Gesetz so lautstark, trotz der Restriktionen. Letzten Sonntag fand auf einem zentralen Platz nahe der Metrostation Rustaveli ein Benefizkonzert statt. Spenden wurden gesammelt für Rechtsbeistand der Protestanten, die angeklagt oder inhaftiert wurden.

    Ein lebendiges Beispiel ist mir in Erinnerung, es betraf eine junge promovierte Kollegin, deren Arbeit ich schätzte. Nachdem sie aus dem Staatsdienst gedrängt wurde, gründete sie eine NGO und führte diese erfolgreich. Auf meinen Tipp hin bewarb sie sich mit einem Paper für eine Förderung zur Teilnahme an einer großen internationalen Konferenz, die ihr auch gewährt wurde.

    Schwarze Schafe – und nicht nur NGOs, auch staatliche Stellen, die nur nach ausländischem Geld schauten, ohne an einen gesellschaftlichen Nutzen zu denken – wurden mir während der Tätigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit in den 1990ern auch bekannt. Dieses Problem ist jedoch zum Teil den Gebern zuzuschreiben, wenn es an Koordination mangelte, die Mittel in wenig sinnvolle Projekte flossen oder durch korrupte Amtsträger veruntreut wurden.

    Insofern beschreibt Almut Rochowanski in dem im Kommentar unten verlinkten Artikel auf jacobin.de die im Ganzen unübersichtliche Situation teilweise zutreffend. Im Endeffekt sind aber der Artikel wie auch der einstündige Podcast auf https://jacobinweekly.... sehr diffus. Ihre Argumente bringt sie sehr allgemein, kaum mit konkreten Belegen, bspw. für etwaige Versuche einer gesteuerten Umsturzbewegung. Hier will ich nur zu einigen Stellung nehmen.

    Zustimmungswerte zu EU-Beitrittsprozess 80 %, den die Regierung unterstützt. Ein politisches Manöver? Es ähnelt der Vorgeschichte des Maidan. Rochowanski widerspricht sich dann selbst, als sie sagt, keine der Parteien, die zur Auswahl stehen, vertrete das, was die Georgier wollen.

    Sie meint, die frühere Regierung Saakaschwili hätte autokratische Züge angenommen. Zu dieser Zeit und weiterhin erhielten einige wenige NGOs üppige Fördermittel und bekämpfen die heutige Regierung. Beispiele nennt sie nicht. Micheil Saakaschwilis politisches Erbe in Georgien ist umstritten. 2004 war er mit 36 Jahren das jüngste Staatsoberhaupt der Welt. Er bekämpfte die Korruption in Georgien mit harten Mitteln und setzte dies in der Ukraine in der Funktion als Gouverneur des Oblast Odessa fort - https://de.wikipedia.o...

    Unter Bezug auf den Artikel stellt The American Conservative heraus, dass die überwiegende Mehrheit der 25.000 registrierten NGOs über keinerlei Eigenfinanzierung verfügt. https://orthochristian... Ja, was will man auch in einem Land mit extrem geringen Einkommen, hoher Arbeitslosigkeit und einer schwachen Industrie erwarten?

    Was vor den geopolitischen Hintergründen wichtig wäre, die wirtschaftlichen Abhängigkeiten Georgiens von Russland – darauf geht Rochowanski nicht ein. Viele Russen gewinnen Einfluss auf die Wirtschaft und kaufen Immobilien ...

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor einem Monat

    Ah ... die Willensnation. Vergessen wir oft, und lassen uns dann von nationalistischen Staatsvorstellungen "verwirren".

  3. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor einem Monat

    Eine kleine Geschichte, die ich 2015 erlebte, also vor neun Jahren.

    Eine georgische Germanistikstudentin übersetze für uns, eine Gruppe von Journalisten.

    In der Altstadt sahen wir auf diesen Gebäudekomplex:
    https://de.wikipedia.o...
    Auf die Frage, was das sei, antwortete sie, dass gehöre dem Mann, der unsere Regierung bezahlt.
    Ihr beeindruckend flüssiges Deutsch lobte ich, wollte aber eine Korrektur. Das ist der Präsidentenpalast? Oder der des Ministerpräsidenten?
    Nein, dass gehört Ivanishvili, der unsere Regierung bezahlt.

    Nicht gleiche, aber ähnliche Vorgänge erlebte ich in anderen Nachfolgestaaten - so auch in Kasachstan.

    1. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor 21 Tagen

      In Georgien war Deutsch als erlernte Fremdsprache lange Zeit gleichrangig mit Englisch. Sogar wurde 1996 eine Deutschsprachige Fakultät für Wirtschaft und Recht an der Georgischen Technischen Universität in Tbilissi eingerichtet.
      Erst Saakaschwili, der in den USA studierte und promovierte, förderte den Einsatz von Englisch-Muttersprachler’innen als Lehrkräfte.

  4. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor einem Monat

    aber ach...es ist mal wieder nicht so einfach:

    "Noch absurder sind Vorwürfe, wonach Georgischer Traum und sein Gründer, der Milliardär Bidsina Iwanischwili, russische Marionetten seien, tief in der Tasche des Kremls steckten, und dass sie dieses Gesetz eingebracht hätten, weil Putin es ihnen befohlen habe. Nach dieser Logik hätte Putin der Partei wohl auch befohlen, mehr als ein Jahrzehnt lang eifrig EU-Integration zu betreiben, die euro-atlantische Integration in die Verfassung aufzunehmen, alle anderen Beitrittskandidaten in der Bewertung von Reformen zu übertreffen und schließlich offiziell EU-Beitrittskandidat zu werden. Aber das ständige Kreischen über das »Russische Gesetz« spielt mit den Ängsten und dem Ärger der georgischen Öffentlichkeit und mit der geopolitischen fixen Idee von Georgiens Partnern im Westen."

    https://www.jacobin.de...

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Monat

      Das ist ja wirklich interessant. Aber man muß auch kein Agent Rußlands in der Tasche Putins sein, um ein ähnliches Gesetz zu nutzen, seine eigene politische Macht zu sichern. Man müßte sich viel intensiver mit den Verhältnissen in Georgien befassen um das einschätzen zu können.

  5. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor einem Monat

    Die liberalen Bewegungen und der Westen werden einen langen Atem brauchen. In der Ukraine und in Israel entscheidet sich nicht nur das Schicksal der Freiheit dort.

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