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Fundstücke

Auf dem Schlachtfeld der Verletzten

Silke Jäger
Freie Medizinjournalistin

Ich lebe in Marburg und schreibe über Gesundheit und Gesundheitspolitik.

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Silke JägerFreitag, 17.05.2024

Die in Marokko geborene und in Jerusalem und Paris lehrende jüdische Soziologin Eva Illouz ist bekannt für ihre Forschung zu Emotionen und wie sie sich unter gesellschaftlichen Voraussetzungen auswirken. Sie hat sich immer wieder mit klugen Gedanken in politische Debatten eingeschaltet. Das tut sie mit diesem Essay wieder.

Darin analysiert sie das Verhalten der intellektuellen Linken nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel und dem Beginn des Gaza-Krieges. Zugleich beschreibt sie, warum sie nicht in der Lage ist, in den modern gewordenen Wettbewerb der Opfer einzutreten. 

Es ist, als ob wir alle kollektiv an eine ideologische Wand gedrückt werden und nun gezwungen sind, unsere Opfer zu priorisieren. Schlimmer noch: Im Wettbewerb der Opfer behauptet jedes Lager auf unerträgliche Weise, nur die eigenen Opfer zählten. 

Gleichzeitig hat sie Mühe, alle "Kämpfe gegen die menschlichen Demütigungen der Welt für gleichwertig zu erklären". Lässt sie damit aber nicht ebenso einen der zentralen Werte von demokratischen Bewegungen fallen, den Universalismus?

Sie führt in diesem Essay mehrere Beispiele an, die zeigen, wie komplex es beim Wettbewerb um das größte Opfer zugeht und in welche Widersprüche sich die internationale linke Bewegung dabei verstrickt. Als eine der Ursachen der Widersprüche erkennt Illouz gezielte Auslassungen. 

Wie die muslimische Welt auf Mohammed-Karikaturen reagiert, wird von dieser Linken als Beweis dafür gewertet, dass der Islam Opfer von westlicher Ausgrenzung sei, anders als das Christentum und Judentum. Dass das Christentum schon seit einigen Jahrhunderten verspottet wird und antisemitische Karikaturen zur Dämonisierung des Judentums genutzt werden, fehle in linken Analysen, sagt Illouz.

Aus welchen Motiven heraus terroristische Handlungen nicht als solche benannt werden, bleibt im Text zwar offen, aber Illouz kritisiert sie deutlich. Dabei bezieht sie sich insgesamt zu einem großen Teil auf Judith Butlers Schriften und leitet daraus die zentrale These ihres Essays ab: 

Die Linke hat ihre Leitwerte verraten, was eine doktrinäre Spaltung unvermeidlich und notwendig macht.

Die Notwendigkeit zur Spaltung erkennt sie in einer ungleichen Bewertung ähnlicher Muster:

Israel wird gemeinhin (und zu Recht) als «rassistisch» bezeichnet, weil das Judentum in das gesamte kulturelle Gefüge Israels eingebettet ist, weil Nichtjuden als Aussenseiter betrachtet werden und weniger Rechte haben als Juden. Diese Unterscheidung ist in der jüdischen Religion verwurzelt, die zum Beispiel die Heirat von Juden und Nichtjuden nicht zulässt. Sie ist ein zentraler Bestandteil der jüdischen Theologie und Religion. Es fällt mir nur schwer zu glauben, dass «progressive», antizionistische Autoren Israel seinen religiösen Rassismus verzeihen würden, so wie sie die Weigerung des Islam rechtfertigen, die westliche Trennung von Staat und Religion zu akzeptieren. Was für die Muslime akzeptabel und legitim ist, wird als abscheulich dann gebrandmarkt, wenn es von Juden kommt. Wenn das keine intellektuelle Scheinheiligkeit ist, so sieht es zumindest schwer danach aus.

Der Essay führt diese Beobachtung zu einem beunruhigenden Fazit: Diese Widersprüche untergraben die wichtigsten Ideale demokratischer Gesellschaften, wie zum Beispiel Meinungsfreiheit und Emanzipation. Außerdem schwächen sie die Linke.

... sie berauben die Linke jeder normativen Verankerung und machen es der Linken unmöglich, im Namen der unabdingbaren Gleichheit aller Menschen Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung zu bekämpfen. Wenn dieser Ansatz als westlich und imperialistisch gilt, als Trick, um die Unterdrückten weiter zu beherrschen, dann ist nicht mehr klar, wofür die Linke kämpfen sollte.

Im Wettbewerb um die schlimmsten Opfer ginge es im Kern um Exklusion, nicht um Inklusion. Das stellt den Universalismus als verbindende Kraft in Frage. Deshalb macht Illouz am Schluss des Essays einen Vorschlag:

Das einzig Konstruktive wäre jetzt, wenn Juden und Araber, die in Demokratien zusammenleben, aus eigener Kraft ein Bündnis eingingen, und zwar ohne die Hilfe einer Linken, die sich heute allein im Bereich von Paranoia und Ausgrenzung hervortut. Ein solches Bündnis von Juden und Arabern könnte die unaufschiebbaren Aufgaben ihrer jeweiligen Völker angehen: den Palästinensern zu Würde und politischer Souveränität zu verhelfen, den Gazastreifen wieder aufzubauen, den Antisemitismus zu bekämpfen, die Anziehungskraft jenes religiösen Fundamentalismus zu schwächen, der Frauen im Judentum und im Islam grundlegende Rechte vorenthält sowie die bankrotten arabischen Autokratien und den nicht minder bankrotten jüdischen Messianismus anzuprangern und zu bekämpfen, der Israel zur Geisel seiner antidemokratischen Agenda gemacht hat.

Das ist auch deshalb wichtig, weil auf dem Schlachtfeld der Verletzten am Ende die Rechten die Sieger sein könnten. 

Auf dem Schlachtfeld der Verletzten

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