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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Luftkrieg - Die Naturgeschichte der Zerstörung

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergDienstag, 04.06.2024

Während wir im relativen Frieden leben, die Kriege anderswo nur andeutungsweise zum Beispiel in Form von Flüchtlingen oder über Medien wahrnehmen, sterben in vielen Ländern Menschen in Kriegen, die die Vorstellungskraft der meisten hierzulande übersteigen. 

Der ukrainische Regisseur Sergei Loznitsa zeigte in Spielfilmen wie sich der Krieg in seiner Heimat, in seiner Region ausbreitete - vor dem Februar 2022. So etwa in DIE SANFTE (2017) oder noch deutlicher in DONBASS (2018). In historischen wie bildmächtigen dokumentarischen Filmessays stellt er sich der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhundert, die sich in seiner Heimat im 21. Jahrhundert fortsetzt.

Dabei bezieht er sich oft auf deutschsprachige Autoren; bei zwei Filmen AUSTERLITZ (2016) und dem hier empfohlenen LUFTKRIEG - NATURGESCHICHTE DER ZERSTÖRUNG (2023) auf W. G. Sebald (1944-2001).

Letzter ist bis zum 06. August 2024 in der ard-Mediathek zu sehen.

Aufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg verdichtet er zu einer Meditation über das Wesen des Krieges.

Mit teilweise unbekannten Filmaufnahmen aus britischen wie deutschen Archiven entwirft das dokumentarische Essay ein ebenso eigensinniges wie verstörendes Bild des alliierten Bombenkrieges gegen Nazi-Deutschland. Man sieht die deutsche Fachwerkidylle der Vorkriegszeit, die Fertigungsstraßen der Kampfflugzeuge, die schreckliche Schönheit der nächtlichen Bombenteppiche aus der Luft und das menschliche Leid in den rauchenden Trümmern am Boden.

Technische Abläufe einer industrialisierten Kriegsmaschinerie stehen neben Bildern der verstörten Opfer. 

Die Montage der nachträglich vertonten, durch vier Reden von Admiral Arthur Harris, Winston Churchill, Field Marshall Bernard Montgomery und Joseph Goebbels unterlegten Bilder stellt komplexe, zudem hochaktuelle moralische Fragen an Kriegsführung, Filmemachen und die Aufarbeitung von Geschichte: Ist es moralisch vertretbar, im Krieg auch gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen, um ein Terrorregime zu besiegen? Ist der Luftkrieg noch die Fortsetzung der Politik oder betreten wir mit ihm die Dimensionen einer Naturgewalt?

Dabei vermeidet Sergei Loznitsa wie seine Inspirationsquelle W. G. Sebald einfache Antworten auf komplexe Fragen. Er scheut zurück vor Tagesaktuellem.

Verdeckten die Verbrechen der Nazis, lange, zu lange den Bombenkrieg der Alliierten mit seinen vielen Toten, Verstümmelten und Traumatisierten?

Da die meisten Bilder nachvertont und teilweise auch nachsynchronisiert wurden, entsteht ein Effekt, den man bereits aus anderen Found-Footage-Filmen von Loznitsa kennt: Man wähnt sich in der Gegenwart, findet sich aber ganz und gar inmitten der vergangenen Welt, die noch einmal unheimlich nahe vor einem aufscheint und erklingt. Schließlich fragt man sich, ob das wirklich die Vergangenheit ist.
Blenden wir kurz auf den 2001 tödlich Verunglückten W. G. Sebald zurück. Im Gespräch mit Denis Scheck spricht er über seine Vorlesungen in Zürich aus denen sein berühmtester Essay LUFTKRIEG UND LITERATUR entstand, der den hier empfohlenen Film inspirierte.

Sebald trat in die Fussstampfen von Jean Amery, einen jetzt wieder entdeckten Autor, der wichtig ist zum Verständnis des 20. Jahrhunderts sowie unserer Zeit. In diesem Pick wird er literarisch, geschichtlich und filmisch vorgestellt.

Loznitsas Luftkriegs-Film korrespondiert mit Arbeiten von Thomas Heise. Diesen gerade verstorbenen Künstler stellt mit vielen Beispielen dieser Pick vor.

Mit diesen materialreichen Filmen entsteht eine Erinnerungslandschaft von gestern, die uns zunehmend gegenwärtig wird und die neu befragt werden kann und sollte.

Gestern & Heute: Luftkrieg - Die Naturgeschichte der Zerstörung

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Kommentare 1
  1. Jürgen Klute
    Jürgen Klute · vor 23 Tagen

    Danke für den Hinweis. Es sind Fragen, die mich seit meiner Kindheit begleiten. Ich habe als Deutscher (mit Nazi-Hintergrund) jene Zeit zuerst aus den Erzählungen von Familienangehörigen kennengelernt. Dazu gehörten auch Erzählungen über den Luftkrieg. Erst später habe ich begriffen, dass der Krieg von deutscher Seite ausging und der Luftkrieg eine Reaktion war. Dennoch sind mit die grausamen Erlebnisse derer, die vom Luftkrieg getroffen wurden, in Erinnerung. Dies Spannungen, die sich daraus ergeben – auch die Täter sind durch ihre Taten und die nachvollziehbaren Reaktionen auf ihre grausamen Taten traumatisiert – beschäftigen mich noch heute. Lange waren sie überhaupt nicht thematisierbar. Mehr und mehr komme ich aber zu der Überzeugung, dass die Kriegsfolgen nur dann wirklich aufgearbeitet werden können, wenn die Traumatisierungen auf allen Seiten wahrgenommen werden – und zwar ohne, dass das im Sinne einer Relativierung der ethischen und juristischen Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg führt. In diesem Sinne danke für diesen Hinweis.

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