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Eine Sache, die wir 2022 gelernt haben, ist, dass Kriege zwischen Ländern, die nicht nur von einigen Akademikern für überholt gehalten werden, alles andere als das sind. Und das ist bei weitem nicht die einzige Erwartung oder Annahme über internationale Beziehungen, die das Jahr 2022 nicht überlebt hat.
Richard Haass, Präsident des amerikanischen Thinktanks Council on Foreign Relations, war zuvor Direktor für Politikplanung im US-Außenministerium (2001-2003) und Sonderbeauftragter von Präsident George W. Bush für Nordirland sowie US-Koordinator für die Zukunft Afghanistans. Er ist Autor des in Kürze erscheinenden Buches The Bill of Obligations: The Ten Habits of Good Citizens (Penguin Press, Januar 2023).
NEW YORK – Kaum jemand wird 2022 vermissen. Das Jahr war bestimmt von einer hartnäckigen Pandemie, dem Fortschreiten des Klimawandels, galoppierender Inflation, sich verlangsamendem Wirtschaftswachstum und vor allem dem Ausbruch eines kostspieligen Krieges in Europa und der Sorge über womöglich bald in Asien ausbrechende gewaltsame Konflikte. Einiges davon war zu erwarten; vieles jedoch nicht. Und alles legt Lehren nahe, die wir auf eigene Gefahr ignorieren.
Erstens ist der Krieg zwischen Ländern, den eine ganze Reihe von Wissenschaftlern für ein Ding der Vergangenheit hielten, nichts dergleichen. Was wir derzeit in Europa erleben, ist ein altmodischer imperialer Krieg, in dem der russische Präsident Wladimir Putin versucht, die Ukraine als souveränen, unabhängigen Staat auszutilgen. Er will sicherstellen, dass ein demokratisches, marktorientiertes, an engen Beziehungen zum Westen interessiertes Land entlang Russlands Grenzen nicht erfolgreich bestehen kann, und ein Beispiel setzen, das sich für die Russen als ansprechend erweisen könnte.
Freilich hat Putin den schnellen und einfachen Sieg, den er erwartet hatte, nicht erreicht. Vielmehr musste er feststellen, dass seine eigene Armee weniger stark ist – und seine Gegner deutlich entschlossener sind –, als er und viele im Westen erwartet hatten. Nach zehn Monaten Krieg ist noch immer kein Ende absehbar.
Zweitens ist die Vorstellung, dass wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit ein Bollwerk gegen den Krieg darstellt, weil niemand Interesse daran haben könne, für alle Seiten vorteilhafte Handels- und Investitionsbeziehungen zu destabilisieren, nicht länger haltbar. Politische Erwägungen haben Vorrang. Tatsächlich dürfte die starke Abhängigkeit der EU von russischen Energielieferungen Putins Entscheidung zur Invasion sogar beeinflusst haben, indem sie ihn zu dem Schluss verleitete, dass ihm Europa keinen Widerstand leisten würde.
Drittens ist auch die Integration, die Jahrzehnte westlicher Politik gegenüber China beseelte, gescheitert. Auch diese Strategie beruhte auf der Vorstellung, dass Wirtschaftsbeziehungen – zusammen mit dem Austausch auf kultureller, wissenschaftlicher und sonstiger Ebene – die politische Entwicklung bestimmen würden und nicht umgekehrt, und dass dies zur Entstehung eines offeneren, stärker marktorientierten Chinas führen würde, das auch eine gemäßigte Außenpolitik verfolgt.
Nichts davon ist eingetreten, obwohl man darüber debattieren kann und sollte, ob der Fehler im Konzept der Integration liegt oder in der Art ihrer Umsetzung. Klar ist jedoch, dass Chinas politisches System zunehmend repressiver wird, seine Wirtschaft sich immer stärker in Richtung Staatsdirigismus bewegt und seine Außenpolitik an Aggressivität zunimmt.
Viertens führen Wirtschaftssanktionen selten zu nennenswerten Verhaltensänderungen, auch wenn sie vielfach das bevorzugte Instrument des Westens und seiner Partner bei Menschenrechtsverstößen oder der Aggression gegen andere Ländern sind. Selbst ein so eindeutiger und brutaler Angriff wie Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die meisten Regierungen weltweit nicht dazu gebracht, Russland diplomatisch oder wirtschaftlich zu isolieren, und auch wenn die vom Westen ausgehenden Sanktionen Russlands wirtschaftliche Basis untergraben könnten, haben sie Putin nicht einmal im Ansatz zu einer Änderung seiner Politik bewegt.
Fünftens sollte man den Begriff der „internationalen Gemeinschaft“ entsorgen. Eine derartige Gemeinschaft besteht nicht. Russlands Vetomacht im Sicherheitsrat hat die Vereinten Nationen zur Ohnmacht verdammt, während die jüngste Klimakonferenz in Ägypten ein kläglicher Misserfolg war.
Es gab bisher zudem kaum so etwas wie eine globale Reaktion auf COVID-19 und kaum Vorbereitungen für den Umgang mit der nächsten Pandemie. Der Multilateralismus bleibt wichtig, doch seine Wirksamkeit wird vom Abschluss enger gefasster Vereinbarungen zwischen gleichgesinnten Regierungen abhängen. Ein Multilateralismus nach dem Motto „Alles oder Nichts“ wird überwiegend nichts bringen.
Sechstens stehen die Demokratien offensichtlich vor erheblichen Herausforderungen, doch die Probleme autoritärer Systeme sind womöglich noch größer. Ideologie und Überleben des Regimes bestimmen in derartigen Systemen häufig die Entscheidungsfindung, und autoritäre Führer sträuben sich oft, eine fehlgeschlagene Politik aufzugeben oder Fehler einzugestehen, weil dies als Zeichen der Schwäche angesehen werden und öffentliche Forderungen nach größeren Veränderungen befeuern könnte. Diese Regime müssen ständig vor der latenten Gefahr von Massenprotesten wie in Russland oder tatsächlichen Protesten wie jüngst in China und Iran auf der Hut sein.
Siebtens ist das Potenzial des Internets, Menschen zur Infragestellung der Regierung zu befähigen, in Demokratien viel größer als in geschlossenen Systemen. Autoritäre Regime wie in China, Russland und Nordkorea können ihre Gesellschaften abschotten, Inhalte überwachen und zensieren oder beides.
Inzwischen ist eine Art „Splinternet“ entstanden: mehrere separate Internets. Zugleich haben sich in den Demokratien die sozialen Medien als anfällig für die Verbreitung von Lügen und Falschinformationen erwiesen, was die Polarisierung verstärkt und das Regieren deutlich erschwert.
Achtens gibt es noch immer einen „Westen“ (ein Begriff, der mehr auf gemeinsamen Werten beruht als auf der Geografie), und Bündnisse bleiben ein wichtiges Ordnungsinstrument. Die USA und ihre transatlantischen Partner in der NATO haben wirksam auf die russische Aggression gegen die Ukraine reagiert. Die USA haben zudem stärkere Beziehungen im indopazifischen Raum aufgebaut, um der wachsenden von China ausgehenden Bedrohung zu begegnen. Dies geschah in erster Linie durch die Stärkung von Quad (Australien, Indien, Japan und die USA), AUKUS (Australien, Großbritannien und die USA) und die verstärkte trilaterale Zusammenarbeit mit Japan und Südkorea.
Neuntens bleiben die USA als Führungsmacht unverzichtbar. Die USA können in der Welt nicht einseitig handeln, wenn sie Einfluss haben wollen, doch wird die Welt gemeinsamen Sicherheits- und sonstigen Herausforderungen nicht geeint begegnen, wenn die USA passiv dabeistehen oder an den Rand geschoben werden. Häufig bedarf es der amerikanischen Bereitschaft, mit gutem Beispiel voranzugehen statt aus dem Hintergrund zu agieren.
Und schließlich müssen wir bescheiden sein, was die Dinge angeht, die wir wissen können. Es ist eine demütigende Erfahrung, festzustellen, dass nur wenige der obigen Lehren vor einem Jahr vorhersehbar waren. Was wir gelernt haben, ist nicht nur, dass die Geschichte zurück ist, sondern dass sie sich im Guten wie im Schlechten ihre Fähigkeit bewahrt hat, uns zu überraschen. Wir sollten dies im neuen Jahr im Hinterkopf behalten!
Aus dem Englischen von Jan Doolan
Quelle: Richard Haass Bild: piqd | Project Sy... www.project-syndicate.org
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Dass ist ein kluger Konservativer, aber er blendet zu vieles aus, weswegen der Beitrag insgesamt enttäuscht.
Ein Beispiel: Richard Haass arbeitete für Bush junior als dieser einen imperialen Krieg führte. Die USA griffen einen anderen Staat, Irak, an. Im nächsten März ist der 20 Jahrestags dieses Völkerrechtsbruch.