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Zeit und Geschichte

"Wie realistisch bilden Medien die Welt ab?"

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergDonnerstag, 25.04.2024

In einer immer stärker weltweit vernetzten Welt, wo Nachrichten in Echtzeit entstehen, braucht man Medien zur Orientierung.

"Wie realistisch bilden Medien die Welt ab?" ist die Kernfrage einer Studie der Universität Heidelberg, die am Beispiel deutscher Medien beantwortet wird und die man hier kostenlos herunterladen kann.

Sie kommt zum Ergebnis,

dass die Länder des Globalen Südens (die sogenannten Entwicklungsländer bzw. Staaten der sogenannten Dritten Welt) in der Berichterstattung massiv vernachlässigt werden.

Am Beispiel des Artikels im Hauptlink und dieses Beitrags aus dem nd wird das erläutert. Aufschlussreich ist, dass Ladislaus Ludescher, Autor der Studie "Vergessene Welten und blinde Flecken", bislang im medialen Nebenfluss, nicht aber in den Hauptstrommedien Wellen schlug.

Hier die beiden Schlussabsätze; der bei Telepolis endet so:

Medien bilden öffentliche Diskurse nicht nur ab, sondern generieren diese mit. Ihnen fällt damit eine hohe Verantwortung zu. Wenn Katastrophen, die sich im Globalen Süden täglich ereignen, für alltäglich genommen werden und daher ihren Status als "berichtenswerte" Nachrichten verlieren, bedeutet dies ein hohes Gefahrenpotenzial für die Ausgewogenheit der medialen Berichterstattung, die im schlimmsten Fall zu einer medialen Blindheit gegenüber den Menschen und ihren Themen im Globalen Süden führen kann.

Und der Artikel im nd zeigt die Konsequenten pointiert am Beispiel des Jemens:

Berichtet wird anscheinend erst, wenn Menschen oder Interessen des Globalen Nordens in irgendeiner Form betroffen sind.

...

Nun ist ja der Jemen aktuell bis zu einem gewissen Grad in den Nachrichten. Es stellt sich aber die Frage, wie lange das so sein wird und ob die Berichterstattung anhält, wenn die Handelsrouten durch das Rote Meer wieder sicherer geworden sind. Der Bürgerkrieg, der Hunger und das Sterben im Jemen werden nämlich, dies ist vor dem Hintergrund der vergangenen Jahre zu befürchten, noch lange weitergehen.

Ergänzend sei dieser Beitrag der Initiative Nachrichtenaufklärung über die Top Ten der Vergessenen Nachrichten verlinkt.

"Wie realistisch bilden Medien die Welt ab?"

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Kommentare 7
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 6 Monaten · bearbeitet vor 6 Monaten

    Goethe schrieb mal: "Die Wissenschaften zerstören sich auf doppelte Weise selbst: Durch die Breite, in die sie gehen, und durch die Tiefe, in die sie sich versenken." Und so ist es wohl auch mit den Medien. Die Frage der Realität in den Medien ist interessant. Was kann man unter "realistisch" abbilden verstehen? Es mag sein, dass fernere Regionen zu wenig in den Berichten auftauchen. Aber über alles, was der Fall ist kann man eh nicht berichten. Und selbst wenn man über alle Katastrophen berichten könnte und würde, dann fehlen immer noch die positiven Ereignisse. Nein, Medien sind immer ein (notwendig nicht neutraler) Filter, der die Welt reduziert und bestenfalls annähernd grob "realistisch" darstellt. Eigentlich findet man sogar mehrere "Realitätsbilder" in den Nachrichten. Aber wohl nicht "die Realität"? Und ob die Medien sich jemals seriös dem Tempo und der wachsenden Menge der Ereignisse "anpassen" können, das ist m.E. unwahrscheinlich. Und schon gar nicht unter dem Anspruch, Meldungen und Falschmeldungen zeitnah auseinander zu halten.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 6 Monaten

      Aber die Wunsch, die Welt, die Realität als Ganzes zu erfassen, war bei Goethe stark. Deshalb prägte er den Ausdruck "Weltliteratur", deshalb versuchte er vor allem im Faust 2 "die Realität" zu erfassen.
      Es war auch das Verlangen aller großen realistischer Erzähler des 19. Jahrhundert von Balzac bis Tolstoi.

      Im Pick geht es doch vor allem um die notwendige Reflexion in den Medien und bei den Nutzern.

      Es gibt schon Medien, die Meldungen und Falschmeldungen zeitnah auseinanderhalten wollen. Wenn Du Dir zum Beispiel den Correctiv-Newsletter bestellt, findest Du von Montag bis Freitag jeden Tag ein Beispiel.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 6 Monaten · bearbeitet vor 6 Monaten

      @Achim Engelberg Zwischen Wollen, Wünschen und Können liegt die Realität. Gerade bei Correktiv. Und ob man sich mit jedem Tag bei einem Beispiel, in dem man versucht, sich der Wirklichkeit zu nähern, der Realität als Ganzes gerecht wird,, das wage ich zu bezweifeln. Wobei ich Abstufungen in der Realitätsnähe bei Literatur und Nachrichten nicht abstreiten möchte. Letztendlich geht es mir nur um etwas Skepsis gegenüber dem Glauben, man hätte selbst die Totalität der Wirklichkeit tatsächlich im Blick.

  2. Dennis Schmolk
    Dennis Schmolk · vor 6 Monaten

    „Eine Kommunikation teilt die Welt nicht mit, sie teilt sie ein." (Luhmann)

    Ich denke, das gilt in verschärfter Form für die Massenmedien. Die Welt abzubilden, gar "realistisch", war nie die Funktion von Massenmedien (aber vermutlich irgendwie in ihrer Selbstbeschreibung wichtig?)

    Das kann man beklagen, aber überraschend ist es nicht. "Alles" könnte man ja auch rein zeitlich nicht berichten bzw. rezipieren (und dann diskutieren); daher frage ich mich immer, wie man bemessen soll, worüber wie viel zu berichten ist. Die Studie nimmt ja die Bevölkerungszahl als Gradmesser, aber das überzeugt mich nicht so richtig ... ("elf Prozent der Gesamtsendezeit [...], obwohl dort rund 85 Prozent der Weltbevölkerung lebt")

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 6 Monaten

      Das ist geistreich, war erhellend als der 1998 verstorbene Luhmann es schrieb.

      Die Notwendigkeit solcher wie der hier empfohlenen Studie bleibt nicht nur wichtig, sondern wird entscheidender.

      Die neue Geschwindigkeit, die bereits im 19. Jahrhundert begonnen hatte, macht die Unterscheidung zwischen Meldungen und Falschmeldungen wichtig für realistische Einschätzungen.

      (Der Börsenzusammenbruch 1873 in Wien, der durch das Atlantikkabel in Minutenschnelle nach New York gemeldet wurde, war herausragend bei der ersten großen Weltwirtschaftkrise des Kapitalismus.)

    2. Dennis Schmolk
      Dennis Schmolk · vor 6 Monaten

      @Achim Engelberg Ja, ich wollte gar nicht in Zweifel ziehen, dass solche Studien sinnvoll sind. Mich interessierten eher die dahinterliegenden Annahmen nach Funktion und normativer Bewertung von Massenmedien. Ich finde das eine sehr spannende Frage: Wo ist der Kipppunkt von (unvermeidlich) selektiver Berichterstattung und (vermeidbarer, vorwerfbarer) "Falschmeldung"? Denn dass es den gibt und dass bei manchen/vielen/allen Selektionen Interessen beteiligt sind, zeigen nicht zuletzt solche Studien.

      Eine Annahme scheint mir zu sein, dass eine "realistischere" (breitere?) Abdeckung von "Realität" zu einer "besseren Welt" führt - ich bin mir nicht sicher, ob die Annahme haltbar ist.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 6 Monaten

      So ist es wohl …..

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