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Zeit und Geschichte

Wie blickten Berlin und Paris 1994 auf den Völkermord in Ruanda?

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerMittwoch, 10.04.2024

30 Jahre ist der Genozid nun her, den radikale Hutus im Land der tausend Hügel im südlichen Afrika verübten. Sie metzelten 800.000 bis eine Millionen Tutsi und moderate Hutus mit Macheten nieder. 

Dazu erscheinen aktuell eine Reihe von Features und Reportagen, darunter diese unten angehängte von Sabine Wachs. Die in Paris ansässige ARD-Korrespondentin bricht das Thema auf Deutschland und Frankreich runter: Wie haben Deutsche, die damals in Ruanda lebten, das mehr als hundert Tage dauernde Massaker erlebt? Wie nachdrücklich warnten die Botschafter der beiden Länder ihre Außenministerien vor den marodierenden Schergen? Wachs reiste dafür auch nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas.

So interessant wie die Berichte der Augenzeigen sind, bei einem Feature, das fast eine Stunde dauert, hätte sie hin und wieder mal den Fokus aufziehen und mehr Kontextualisieren dürfen. Es entsteht nämlich der Eindruck, dass es damals vor allem auf Deutschland und Frankreich ankam.

Nur am Rande erwähnt werden die Vereinten Nationen, die in einem solchen Fall hätten einschreiten müssen und die auch ausreichend warnende Berichte erhielten. Zudem kommt Kofi Annan mit keinem Wort vor, der damals bei den VN eine Abteilung für Friedenssicherung innehatte und dabei versagte, was man hier in der taz nachlesen kann.

Wer das Feature also mehr einordnen möchte, dem empfehle ich deshalb diesen aktuellen Text der freien Afrikakorrespondentin Simone Schlindwein in den Blättern: Sie beschreibt darin die Aktualität des Grauens, sprich: den Stand der Aufarbeitung.

Wer noch mehr Zeit hat, der sollte dieses Buch des US-Reporters Philip Gourevitch lesen, der damals im Land war: "We Wish to Inform You That Tomorrow We Will Be Killed with Our Families", das Buch gibt es auch auf Deutsch, etwa hier.

Wie blickten Berlin und Paris 1994 auf den Völkermord in Ruanda?

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Kommentare 1
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 9 Monaten

    Ergänzend sei der erste Roman "Hundert Tage" des späteren Büchnerpreisträgers Lukas Bärfuss empfohlen:
    https://www.rezensione...

    Zu glauben, die afrikanischen Bürgerkriege seien Exzesse grausamer Unmenschen widerlegt Bärfuss eindrucksvoll. Vielmehr sind auch sie das Ergebnis der effizienten Akkuratesse, die die westlichen Aufbauhelfer ihren afrikanischen Schülern noch heute fleißig einpauken. Es ist der korrekte Vollzug, der das Böse zum Ungeheuerlichen und zum grausam Systematischen macht. "Ich weiß jetzt, dass jeder Völkermord nur in einem geregelten Staatswesen möglich ist, in dem jeder seinen Platz kennt", resigniert David am Ende des Romans, als er feststellt, dass er zu denjenigen gehörte, die den Ruandern jahrelang die Dringlichkeit eines klar definierten Staates nahe gebracht haben. Als Angestellter der Schweizer Direktion für Entwicklungszusammenarbeit ist er damit zwar nicht gleich aktiver Täter, aber seine Hände sind beschmutzt mit dem Blut tausender Ruander. "Nein, wir gehören nicht zu denen, die Blutbäder anrichten. Das tun andere. Wir schwimmen darin. Und wir wissen genau, wie man sich bewegen muss, um obenauf zu bleiben und nicht in der roten Soße unterzugehen."

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