sharing is caring
ist wirklich so!
Vielen Dank fürs Teilen!
Kluge Köpfe filtern für dich relevante Beiträge aus dem Netz.
Entdecke handverlesene Artikel, Videos und Audios zu deinen Themen.
Geboren 1956. Längste Schulzeit in Döbeln/Sachsen. Statistikstudium in Odessa. Tätigkeiten für verschiedene statistische Institutionen im In- und Ausland, Schwerpunkt Wirtschaftsstatistik und Beratung im Transformationsprozess. Un-Ruhestand in Berlin.
Kontakt: [email protected]
Die Geschichte von Kolonialismus und Sklaverei sowie deren Auswirkungen bis heute waren auf piqd.de kontinuierlich ein Thema. In den letzten Wochen stieß ein FAZ-Artikel des Althistorikers Egon Flaig auf heftigen Einspruch von Rebekka Habermas.
Aus der aktuellen Diskussion habe ich gelernt, dass es sich bei der jahrtausendealten Geschichte der Sklaverei um ein hoch komplexes Phänomen handelt. Vor der Behandlung von Fragen zu Restitution und historischer Gerechtigkeit, die Anlass des erwähnten Artikels waren, müssen die Basics - die Fakten der historischen Ereignisse und die Ursachen der Sklaverei - sauber erfasst und bewertet werden. Mein erster Eindruck beim Lesen des Artikels von Egon Flaig war, dass er seine Thesen einseitig herüberbringt, ohne die Position der Herkunftsländer der Sklaven, die eine Mitschuld an der Ausbreitung des Sklavenhandels trugen, zu erörtern und ggf. mit hinreichenden Argumenten zu widerlegen.
Von Egon Flaig erschien 2009 die „Weltgeschichte der Sklaverei“. Das Buch habe ich nicht gelesen, immerhin es aber geschafft, mir drei Rezensionen zu Gemüte zu führen. Als Minimalprogramm, um die aktuelle Argumentation des Autors besser einordnen zu können. Die dritte ist unten in diesem PIQ verlinkt.
1) Unmittelbar nach Erscheinen nannte Uwe Walter im Blog der FAZ das Buch eine „Kathartische Osterlektüre“, wobei „Fülle des Stoffes und knapper Raum … zur Askese, zur Vogelperspektive und zur thesenhaften Zuspitzung“ zwangen. Das Buch werde Diskussionen auslösen. Die präzise Klärung von Begriffen wird gewürdigt. Das Kapitel über die Sklaverei in der Antike werde man künftig als beste kurze Einführung empfehlen können.
2) Als öffentlich-rechtliches Medium veröffentlichte der Deutschlandfunk fünf Monate später den Beitrag „Ausbeutung bis zum Tod“ von Christian Gampert. Er charakterisiert Flaig als eine singuläre Figur in den Debatten dieser Republik: immer wieder bringe er mit politisch wenig korrekten Beiträgen – vor allem in der FAZ – weite Teile der Öffentlichkeit gegen sich auf.
Der Rezensent geht auf einige Kernaussagen genauer und kritisch ein und vermerkt, das Buch halte sich „sehr eng an die verfügbaren Forschungsberichte“. Das Kapitel zur römischen Sklavenhaltung mit ausführlicherer Quellenlage bezeichnet er als das beste des Buches. Das läge „auch am amerika- und eurozentristischen Blick der Forschung, die weit entfernte Gräueltaten gern ignoriert“.
3) Schließlich erschien im Juni 2010 Ulrike Schmieders Rezension auf dem geschichtswissenschaftlichen Fachportal Clio-online, 'connections', H-Soz-Kult.
Schmieder betrachtet das Werk vom Standort der neuzeitlichen Sklaverei- und Postemanzipationsgeschichte des atlantischen Raums aus. Einleitend konstatiert sie als grundsätzliches methodisches Problem:
Der Versuch, eine Weltgeschichte der Sklaverei auf 217 Seiten darzustellen, mag das weit verbreitete Bedürfnis, komplizierte Fragen einfach und leicht konsumierbar beantwortet zu bekommen, erfüllen, führt aber unweigerlich zu einer sehr selektiven und oberflächlichen Darstellung der historischen Zusammenhänge.
Flaig ignoriere selbst deutschsprachige forschungsbasierte Literatur zur Sklavereigeschichte.
… Im übrigen zitiert Flaig in seinem die historischen Akteure und damit neuere Ansätze der Geschichtswissenschaft völlig ignorierenden Buch nicht ein einziges Werk, das die indianische oder afrikanische Sicht auf Eroberung und Sklaverei enthält, auch keine einzige Quelle, die die agency von Sklav/innen belegt, obwohl es längst publizierte Quellensammlungen zur Sklaverei gibt.
Diese ca. 6 DIN-A4-Seiten füllende wissenschaftliche Analyse sticht mit 22 Quellennachweisen hervor und ist in einer Sprache geschrieben, die auch für mich als geschichtswissenschaftlichen Laien verständlich ist.
Ulrike Schmieder ist Geschäftsführerin des Centre for Atlantic and Global Studies der Leibniz Universität Hannover. Ihr aktuelles Forschungsprojekt:
Erinnerungen an die atlantische Sklaverei. Frankreich und Spanien, die französische Karibik und Kuba im Vergleich und im Kontext globaler Debatten um das Gedenken an Sklavenhandel und Sklaverei
Über Schmieders breites Spektrum theoretischer und empirischer Geschichtsforschung zeugt ihre Publikationsliste.
***
Bei manchen Autoren, denen es wie Egon Flaig mit Verweis auf Cancel Culture vorrangig darum geht, mit ihren Statements Aufmerksamkeit zu erheischen, stehen Medien vor einer verdammt schwierigen Aufgabe. Vgl. hierzu auch die Einschätzung zum Netzwerk Wissenschaftsfreiheit.
Quelle: Ulrike Schmieder www.connections.clio-online.net
Bleib immer informiert! Hier gibt's den Kanal Zeit und Geschichte als Newsletter.
Einfach die Hörempfehlungen unserer Kurator'innen als Feed in deinem Podcatcher abonnieren. Fertig ist das Ohrenglück!
Öffne deinen Podcast Feed in AntennaPod:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Apple Podcasts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Downcast:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Instacast:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Apple Podcasts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Podgrasp:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Bitte kopiere die URL und füge sie in deine
Podcast- oder RSS-APP ein.
Wenn du fertig bist,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in gpodder.net:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Pocket Casts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Teil 2: In Afrika wurde der europäische Kampf gegen die Sklaverei sogar zu einem der wichtigsten Motive und Rechtfertigungsgründe militärische Interventionen. Kolonialismus wurde vor allem wegen seiner Frontstellung gegen Sklaverei als Kraft des Fortschritts gesehen. Progressive Imperialisten, weiße Abolitionisten und afro-amerikanische Sklaverei Gegner trafen sich in der Absicht, die Sklaverei auch auf der afrikanischen Seite des Atlantiks zu bekämpfen. Man drang in das Innere des Kontinents vor, um dort Sklavenhändlern das Handwerk zu legen und die politische Macht von Sklavenbesitzern zu zerstören. In den neu eroberten Kolonien aus der Zeit des Hochimperialismus wurden Sklaverei nicht wieder eingeführt. Ein harter Arbeitszwang war durchaus die Regel, aber nirgends in den europäischen Überseereichen wurde der Sklavenhandel zugelassen und der Sklavenstatus im Kolonialrecht festgeschrieben. Hatten Europäer in der frühen Neuzeit noch einen tiefen Graben zwischen der heimischen Rechtsgebiete auf dem europäischen Kontinent und die rechtlichen Verhältnisse in der Übersee Kolonien gelegt, so führte der Hochimperialismus zumindest auf diesem Gebiet einen einheitlichen Rechtsraum herbei. Nirgendwo in den Imperien der Briten oder Niederländer, Franzosen oder Italiener war es statthaft, andere Menschen zu kaufen, zu verkaufen, zu verschenken und Ihnen ohne staatliche Beauftragung also im Strafvollzug, schwere körperliche Grausamkeiten zu zufügen. S. 1191
Dieser christlich patriotische Humanitätismus war eine britische Besonderheit. Eher eine Haltung als eine ausformulierte Lehre, bewegte er zunächst einige wenige Aktivisten, unter denen sich schon früh auch einige schwarze Ex Sklaven wie Olaudah Equiano (1745-1797) fanden. Er erhielt aber bald starke Resonanz in einer britischen Öffentlichkeit, die mit der Anti-Sklaverei-Bewegung selbst in eine neue Phase ihrer Entwicklung trat. Anti Slavery wurde zu einer Parole, in der sich Auf dem Höhepunkt der Bewegung 100 Tausende zu friedlicher außerparlamentarischer Aktion zusammen fanden. ….. Unter solchen Umständen votierten die Mitglieder beider Häuser des Parlaments, die sich in ausführlichen Anhörungen über die Einzelheiten des Sklavenhandels unterrichtet hatten, im März 1807 für das Verbot des Sklavenhandels auf Schiffen unter britischer Flagge mit Wirkung vom 1. Januar 1808. Bereits 1792 war man einer solchen Entscheidung nahe gekommen nun gelang es im zweiten Anlauf. ….
Die Forschung ist sich einig darüber, dass eine solche spektakuläre Zerstörung einer imperialen Institution aus der Mitte eines der größten Sklavereisysteme nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen und Ursachen erklärt werden kann. Die mit Sklaven betriebene Plantagen Wirtschaft hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts einen Höhepunkt an Leistungsfähigkeit und Rentabilität erreicht, einzelne Eigentümer häuften gewaltige Vermögen an, und auch volkswirtschaftlich sprach nichts für Veränderungen in der herrschenden Praxis. Die Auffassungen, wie sie etwa Adam Smith vertrat, freie Arbeit sei produktiver als erzwungene, hatte sich keineswegs als Mehrheitsmeinung der britischen Ökonomen durchgesetzt. Ideale Motive, für die sich eine genügende Zahl von Mitgliedern der politischen Elite dann erwärmen konnten, wenn sie keine unmittelbaren West Indien Interessen vertraten gaben den Ausschlag. Sie gehörten, insgesamt gesehen, zur ideologischen Antwort Großbritanniens auf die französische Revolution und Napoleon. S. 1194
Hier ein kleiner Ausschnitt zur Sklavereigeschichte aus: Osterhammel: Die Verwandlung der Welt - Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts Teil1
Die so genannte Aufteilung Afrikas unter den Kolonialmächten war aus afrikanischer Sicht das schiere Gegenteil: eine rücksichtslose Zusammenlegung und Konzentration von Herrschaftsbereichen, eine gigantische politische Flurbereinigung. Wurden um 1879 noch 90 % der Fläche des Kontinents von Afrikanern regiert, so war dieser Anteil bis 1912 auf einen winzigen Rest geschrumpft. Es gab damals auf dem gesamten Erdteil kein einziges politisches Gebilde, dass die Kriterien von Nationalstaatlichkeit erfüllt hätte. Allein Äthiopien, obwohl ethnische heterogen, administrativ schwach integriert und letztlich (bis zu dessen schwere Erkrankung 1909) von der überragenden Persönlichkeit des Kaisers Menelik II. zusammengehalten, war immerhin ein autonomer außenpolitischer Akteur, der Verträge mit mehreren europäischen Großmächten schloss und mit deren Duldung praktizierte. S. 604
Das 19. Jahrhundert hebt sich aus der Kette der Epochen dadurch heraus, dass niemals zuvor und in solcher Unbefangenheit, seit dem ersten Weltkrieg auch nicht wieder, die Herrschafts- und Bildungseliten Europas derart selbstsicher überzeugt waren, an der Spitze des Fortschritts zu stehen und eine Zivilisation von weltweiter Maßstäblichkeit zu verkörpern. Oder umgekehrt gesagt: die Erfolge Europas bei der Schaffung von materiellem Reichtum, bei der wissenschaftlich technische Meisterung der Natur und bei der militärisch und wirtschaftlich gestützten Ausweitung von Herrschaft und Einfluss über die Welt ließen eine Überlegenheitsgefühl entstehen, dass sie einen symbolischen Ausdruck in der Rede von Europas universeller >>Zivilisation<< fand gegen Ende des Jahrhunderts Bürger der sich dafür eine neue Bezeichnung ein: die >>Moderne<<. S. 1186
Um 1800 nistete die Barbarei noch im Herzen der Zivilisation. Die nach eigener Einschätzung zivilisiertesten Staaten der Welt duldeten in ihren Jurisdiktionsgebieten, zu denen auch die Imperien gehörten, weiterhin die Sklaverei. Im Jahre 1888, ein Jahrhundert nach der Gründung der ersten kleinen Aktionsgruppen gegen die Sklaverei in Philadelphia, London, Manchester und New York, war die Sklaverei überall in der neuen Welt und in vielen Ländern auf anderen Kontinenten für unrechtmäßig erklärt worden. Von dort aus war es nur noch ein kleinerer Schritt zur heutigen Rechtslage, in welcher Sklaverei als ein Verbrechen gegen Menschheit und Menschlichkeit gilt. S. 1188
Die mentalen und gesellschaftlichen Folgen der Sklaverei hielten noch Jahrzehnte an. Manche sind heute noch erkennbar. In Afrika, dass die Sklaven für die Plantagen Amerikas geliefert hatte, hielten sich Reste von Sklaven Handel und Sklaverei weit in das 20. Jahrhundert hinein. Erst in den 1960er Jahren, ein volles Jahrhundert nach der Abschaffung der Sklaverei in den USA, wurde in der islamischen Welt ein breiter Konsens gegen die juristische Legitimität und gesellschaftliche Akzeptanz der Sklaverei erreicht. Als letzter Staat der Weltverbot das muslimische Mauretanien 1981 die Sklaverei. S.1189
Das Ende der Sklaverei im eigenen Hause verschaffte Europäern und Nordamerikanern am Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Rechtfertigung für ihre Zivilisierungsmissionen. Die >zivilisierte Welt< hatte, so schien es, abermals ihre Überlegenheit und damit ihr Anrecht auf weltweite Führung bewiesen …..
Kleine ironische Ergänzung …..
"Der Altertumsforscher Egon Flaig hat kürzlich in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine“ darauf hingewiesen, dass es ohne den Kampf der Europäer gegen die Sklaverei dieses Übel der Menschheit vermutlich noch immer in Afrika gäbe. Das klingt schockierend. Aber es spricht einiges dafür, dass Flaig recht hat. Bis heute beruht die Alltagsökonomie in vielen arabischen Ländern auf einer Armada von Dienstboten, Nannys und Hilfsarbeitern, die von ihren Herren in einer Art Leibeigenschaft gehalten werden. Sie nennen es in den Wüstenstaaten nicht so, aber darauf laufen die Arbeitsbedingungen hinaus.
Der Hinweis auf anderes Unrecht minimiert nicht die eigenen Verbrechen. Wer in die Geschichte des Kongo eintaucht oder über das Elend auf den Plantagen liest, muss weinen. Aber wenn man damit anfängt, in historischen Schuldbegriffen zu denken, bugsiert das eben auch andere Schuldfragen auf den Tisch.
Die größten Sklavenhändler waren nicht die Europäer, sondern die Araber. Über 15 Millionen Menschen gerieten durch sie in Gefangenschaft, darunter eine Million Europäer, eine ungeheure Zahl, hinter der sogar der transatlantische Sklavenhandel nach Amerika zurückbleibt. Wir haben das vergessen. In Kunstwerken wie Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ hat sich eine Erinnerungsspur erhalten, die vielen nichts mehr sagt. Ich habe auch noch nie gehört, dass jemand Reparationen von Tunesien, Marokko oder Algerien gefordert hätte. Machen wir es wie Gianni Infantino
Vor ein paar Monaten verkündete das Humboldt Forum in Berlin stolz, dass man nun, nach langen Verhandlungen mit der Regierung in Nigeria, eine Rückgabe der berühmten Benin-Bronzen vereinbart habe. Kaum stand der Beschluss, erhob sich Protest, und zwar von Nachfahren der Sklaven, die von schwarzen Händlern in Nigeria in die Knechtschaft geführt worden waren.
Wie man auf die Idee kommen könne, die Erben eines der gnadenlosesten Herrschervölker des afrikanischen Kontinents zu belohnen, fragten die Menschenrechtsaktivisten der in New York ansässigen „Restitution Study Group“ entgeistert und forderten die sofortige Aufhebung aller Rückgabeverträge. „Das Königreich Benin würde durch die Rückführung dieser Relikte ungerechtfertigt bereichert. Nigeria und das Königreich Benin haben sich nie für die Versklavung unserer Vorfahren entschuldigt.“ ….
https://www.focus.de/p...
Eine solche besserwissende (klug schei….nde?) Rezension wie die von U. Schmieder, die aufzählt, was alles so nicht betrachtet wurde, macht mich immer ratlos. Wo ist denn nun dieses da geforderte (eigentlich unmögliche) Buch, dass all die Kritik beachtet, alle Facetten der Geschichte darstellt. Eine Liste mit Quellen erfüllt das nicht. Und auch Ulrike Schmieders aktuelles Forschungsprojekt ist viel zu eng.