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Zeit und Geschichte

Warum spaltet der Zweite Weltkrieg Europa immer noch?

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergFreitag, 07.04.2017

Am architektonisch spektakulären Weltkriegsmuseum in Danzig scheiden sich die Geister: Die nationalistische Regierung in Polen will es feindlich übernehmen. Die eigene Geschichte soll verherrlicht werden. Die jetzige Ausstellung zeigt, warum der Zweite Weltkrieg und sein Erinnern Europa immer noch spaltet.

Die Ausstellung ist vor allem eine multiperspektivische Erzählung, die die Opfer in einen breiten internationalen Zusammenhang stellt.

Die Täter treten in Danzig als konkrete Individuen kaum in Erscheinung. Die Folgen ihres Handelns werden minuziös gezeigt, bleiben aber funktionaler Teil eines abstrakten Totalitarismusbegriffs.

An vielen Tätern - etwa an den Nazigrößen - scheiden sich nicht mehr die Geister, bei anderen schon. Man denke nur an die, die gegen die deutsche Besatzung kämpften, aber dann gegen die sowjetische Macht.

Gleichzeitig fehlt der globale Kontext, denn der Zweite Weltkrieg begann in Asien und nicht in Polen. Die Ausstellung

endet mit der in Polen allgegenwärtigen These, dass in Danzig der Zweite Weltkrieg mit den Kämpfen an der Westerplatte nicht nur begonnen habe. Er sei auch hier erst an ein spätes Ende gekommen, indem die Solidarnosc-Bewegung in der Danziger Werft, nur wenige Hundert Meter vom Museum entfernt, den Weg für die Beilegung des Kalten Krieges geebnet habe.

Welche Haltung kann man zum extremen 20. Jahrhundert einnehmen, die dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs gerecht wird?

Bei der Buchpremiere des hervorragenden Heiner-Müller-Buches ("Für alle reicht es nicht"), las Corinna Harfouch auch aus einem erstaunlichen Interview, in dem Müller bereits 1991 erläuterte, was man nun lernen muss:

daß es eben anderes gibt als das, was man selber ist, und daß man anderes denken kann als man selber denkt und daß man auch eine ganz andere Auffassung haben kann von allem, was passiert, als die, die man selber hat. Zugegeben: Das ist sehr schwer zu lernen.

Bislang lernten das viele, zu viele nicht.

Warum spaltet der Zweite Weltkrieg Europa immer noch?

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Kommentare 5
  1. J.W.Dallinger J.W.Dallinger
    J.W.Dallinger J.W.Dallinger · vor mehr als 7 Jahre

    Der Artikel hat ein versöhnliches Ende.
    Die These (Solidarnosc und Ende des 2. Weltkrieg), nun gut, sie schrieben ja "In Polen gängig".
    Geschichte kann man nicht verherrlichen, es bleibt dann kein Freiraum zum Lernen. Egal ob man jetzt Links, Mitte oder Rechts steht.
    Links gibt's zur Zeit nur in Broschüren. Mitte oder Rechts, da gibts Geschichtsverständnis nur zum eigentlichen Vorteil, deshalb gehts auch ständig bergab.
    Wann denken Sie und wesentlich zukunftbestimmender, beginnt der
    dritte Weltkrieg oder hat er nicht schon längst begonnen.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 7 Jahre

      Hat der dritte Weltkrieg schon begonnen? Schwer zu beantworten ist das. Warum?
      Zum einen gibt es verschiedene Einteilungen; so gibt es Geschichtsschreiber, die die Periode 1914-1945 zum Weltbürgerkrieg erklären, zu einem zweiten Dreißigjährigen Krieg.
      Antony Beevor beginnt seine Geschichte des Zweiten Weltkrieges mit einem aus Korea stammenden Soldaten, der gegen seinen Willen in der japanischen Armee eingezogen wird, schließlich aber auch in der Roten Armee und in der Wehrmacht kämpfen muss und der 1944 von Amerikanern in der Normandie verhaftet wird.
      Das Neben- und Gegeneinander von nationalen und internationalen Erzählungen birgt immer noch Zündstoff - siehe das Museum in Danzig. Ähnliches findet man aber auch im Baltikum oder der Ukraine oder in Griechenland oder...
      Zum anderen war es nahezu unmöglich vorherzusagen, ob der oben erwähnte aus Korea stammende Soldat Veteran eines Zweiten Weltkrieges werden wird. Wer kann sagen, ob die blutigen Konflikte in Syrien oder der Ukraine, die regionale Ursachen haben, aber auch Stellvertreterkriege sind, zu einer direkten Auseinandersetzung der großen Mächte führen. Wir leben im "Dunkel des gelebten Augenblicks" (Ernst Bloch)

    2. J.W.Dallinger J.W.Dallinger
      J.W.Dallinger J.W.Dallinger · vor mehr als 7 Jahre

      @Achim Engelberg Sie haben es wohl mit den beruigenden Abschlüssen, erst Heiner Müller, dann Bloch verstehen sie mich bitte nicht falsch, so sehr ich das liebe und sogar danach hungere, so begreife ich langsam mit 68 Jahren, ja als Nachkriegskind, ich lernte die österreichische postfschistische Gesellschaft von klein auf kennen incl. entnazifizierte Lehrer etc. Gut das geht jetzt zuweit. Grad das Jetzt. Was ist da los? Syrien, USA, Rußland etwas hergezogen auch EU. Bedient Politik nur mehr ihre Klientel? Egal was da kommt, so im neoliberalen Galopp, erst mal Nägel mit Köpfen machen, dann richten wir es schon. Eine Folge davon ist auch derzeit eine weltweite Völkerwanderung und Millionen vom Hunger Bedrohter.

    3. J.W.Dallinger J.W.Dallinger
      J.W.Dallinger J.W.Dallinger · vor mehr als 7 Jahre

      @J.W.Dallinger J.W.Dallinger Ich lebe in Griechenland. Für die Griechen endete der zweite Weltkrieg 1974. Sie wissen schon Bürgerkrieg, Monarchie, Hunta. Manche sagen wider, Griechenland wurde so schnell als möglich aus dem sowjetischen Einfluß gezogen, europäisiert wenn ich das ironisch so bezeichnen darf. Fehler wurden damals gemacht. Unglaublich! Griechenland wurde zum Exportfreiland erklärt. Kredite gab's , gibt's auch heute noch, Griechen haben Land, das steht gut, logisch Banken sind pleite. Das ist natürlich Milchmädchen aber in Griechenland wird nicht einmal ein Fahrrad produziert. Jetzt kommen wir wieder zum Ende des 2. WW. Die Folgen dessen wurden hier nie abgearbeitet. Und kommen sie mir nicht mit den (ähnlich)postsozialistischen Ländern, da gab's gut ausgebildete Facharbeiter , dort lohnte es sich zu investieren. In Griechenland gibt es zwar gute Universitäten,aber im Facharbeiterbereich null. Ich hörte auch niemals, von Merkel oder Scheuble im Schulwesen was zu machen, grad Tafelsilber verscherbeln und Leut' rauswerfen. Verstehe sie, das mein ich, das ist südost EU die Folgen des 2.WW sind nicht aufgeabeitet. In Brüssel genießen ausgemusterte Politiker das Gnadenbrot.

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 7 Jahre

      @J.W.Dallinger J.W.Dallinger Ich will ja nicht der Zitateeinstreuer sein, aber das ist "ein weites Feld". Im Dezember 1944 kam es zu den einzigen Kämpfen zwischen britischen Truppen und dem Widerstand gegen die Nazis. Churchill befahl, Athen wie „eine eroberte Stadt, in der ein lokaler Aufstand im Gange ist“, zu behandeln.
      Deshalb schreibt Varoufakis, der Kalte Krieg begann nicht in Berlin, sondern als heißer in Athen.
      Der britische Historiker Mark Mazower, der mit "Griechenland unter Hitler" ein Standardwerk schrieb, ist überzeugt, „dass alles, was in Griechenland auf den Zweiten Weltkrieg folgte – der Bürgerkrieg, die bleibenden Narben,
      die er hinterließ, ja sogar die Demokratisierung des Landes nach 1974 –, nur vor dem Hintergrund des totalen Zusammenbruchs von Staat und Gesellschaft zu begreifen ist, den die deutsche Besatzung und ihre tödlichen Folgen mit sich brachten. Die Besatzung potenzierte
      die bestehenden Schwächen des griechischen Staatsapparats und entlarvte die Kraftlosigkeit des Staatsgründungsprojekts.“
      Soweit zur 2. WW.
      Und im übrigen bin ich der Meinung, dass das weitere Kaputtsparen verwerflich ist.

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