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Warum in Putins Russland so vehement über die Ermordung der Zarenfamilie gestritten wird
Autor und Journalist
Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Eigentlich wollte ich diesen Text gar nicht lesen. Denn mit der brutalen Ermordung der Zarenfamilie am 17. Juli 1918 hatte ich mich schon zwei Mal journalistisch befasst und erwartete nun eher wenig Neues. Dann begann ich aber doch und wurde mit jedem Absatz mehr in die Geschichte hineingezogen: Der stern-Autorin Katja Gloger geht es in diesem ausführlichen, kostenpflichtigen Text weniger um eine minutiöse Rekonstruktion der Ereignisse. Vielmehr fragt sie, warum im heutigen Russland erneut so leidenschaftlich über die Ermordung des Zaren, seiner Gattin, der Kinder und einiger Angestellter gestritten wird. Und das offenbar mit einer Vehemenz, die man sich hierzulande kaum vorstellen kann. Denn im Grunde waren die Fakten längst geklärt und wurden weithin akzeptiert. Doch seit die russisch-orthodoxe Kirche die Sachlage offen bezweifelt, mischen sich wieder Propaganda und Geschichtspolitik. Seit vergangenem November tagt nun sogar eine kirchliche Untersuchungskommission unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und jetzt hat auch noch die russische Generalstaatsanwaltschaft - bezeichnenderweise im Zaren-Gedenkjahr 2018 - mit Ermittlungen wegen Mordes begonnen. "Letztlich, so könnte man sagen", schreibt Gloger, "geht es um die Herrschaft über die russische Erinnerung." Doch das ist nur ein Teil des Machtkampfes: Es geht auch um die Deutung der Gegenwart, um politische Identitätsstiftung und die Verteidigung eines wiedererweckten religiösen Russlands.
Quelle: Katja Gloger Bild: AKG blendle.com
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