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Zeit und Geschichte

Vileda im Konzentrationslager

Hauke Friederichs
Journalist und Autor
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Hauke FriederichsSonntag, 15.05.2016

Bislang galt der Weinheimer Konzern Freudenberg, Hersteller der bekannten Wischtuchmarke Vileda, als deutsches Vorzeigeunternehmen. Doch nun ergab die Arbeit von Historikern, dass die Firma in das Vernichtungssystem des Dritten Reiches verstrickt war: Häftlinge mussten unter menschenverachtenden Zuständen im Konzentrationslager Sachsenhausen die Schuhsohlen von Freudenberg testen. So wurden KZ-Gefangene unter anderem gezwungen, kleine Damenschuhe kilometerweit zu tragen, es kam zu Prügelstrafen, zu Dutzenden Todesfällen.

Die Familie Freudenberg, die Erben der Vileda-Hersteller aus der Zeit des Nationalsozialismus, haben sich der Vergangenheit gestellt. Sie haben den Bonner Historiker Joachim Scholtyseck beauftragt, der bereits die Geschichte der Quants im Dritten Reich erforscht hat, ihre Historie aufzuarbeiten. So kam heraus, dass bei der Suche nach Ersatzstoffen für Leder im Jahr 1940 im KZ Sachsenhausen eine „Schuhprüfstrecke“ eingerichtet wurde. Mehr als 70 Unternehmen haben hier Schuhsohlen testen lassen, darunter auch die Firma Freudenberg. Im Unternehmen war das in Vergessenheit geraten - oder verdrängt worden. Im Firmenarchiv fanden sich zunächst keine Hinweise auf die Zusammenarbeit mit der SS im KZ Sachsenhausen.

"Auch die Vorfahren der Freudenbergs, die von den Vorgängen etwas hätten wissen können oder müssen, leben heute nicht mehr", schreibt Carsten Knop in der Frankfurter Zeitung. Er zitiert Martin Wentzler, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses und Ururenkel des Unternehmensgründers: „Ich kann niemanden mehr fragen, Zeitzeugen in der Familie und im Unternehmen gibt es nicht. Das ist für mich das Schlimmste." 

Knop verurteilt die heutigen Gesellschafter von Freudenberg nicht – er beschreibt, wie das Unternehmen mit seiner braunen Vergangenheit umgeht. Ein lohnenswertes, besonderes Firmenporträt über ein Unternehmen, das zum Teil des Systems wurde. "Die Zwiespältigkeit blieb, auch im Umgang mit den Zwangsarbeitern", schreibt Knop. "Hier verschaffte sich Richard Freudenberg zwar gelegentlich selbst ein Bild von den Zuständen in den Zwangsarbeiterunterkünften, suchte die Verhältnisse zu bessern und kam sich dennoch, wie seine Frau 1942 notierte, wie ein 'Sklavenhalter' vor." 

 

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