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Zeit und Geschichte

Vergessene Schätze in Museen und Archiven

Hauke Friederichs
Journalist und Autor
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Hauke FriederichsSonntag, 09.01.2022

Ob ein als Brandschutt deklarierter Schwertgurtbeschlag im Naturkundemuseum Leipzig, unbekannte Aquarelle eines berühmten Biologen im Senckenberg-Naturmuseum in Frankfurt, roher Ahornzucker im Deutschen Museum in München oder ein Totenschädel aus Marmor in der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: während die Welt unter Covid-19 leidet, entdeckten Wissenschaftler und Kuratoren in Kellern und Depots echte Schätze mit spannenden Geschichten. Die ZEIT präsentiert einige Fundstücke, die in deutschen Museen und Archiven gemacht wurden.

Es kommen viel weniger Besucher als vor der Pandemie, immer wieder müssen Museen und Archive wegen steigender Fallzahlen schließen, viele Forscher sind im Homeoffice. Was zunächst für Ausstellungsmacher und Archivare trist und bedrohlich klingt, hat auch einen positiven Aspekt. Viele Museen und Sammlungen haben sich in den vergangenen Monaten intensiv mit Stücken beschäftigt, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, die selten gezeigt oder angesehen werden.

Auf ein besonderes Fundstück stieß Claudia Kryza-Gersch, Kuratorin für Skulpturen der Renaissance und des Barock für die Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Sie suchte nach einer Skulptur für eine Caravaggio-Ausstellung, stöberte im Online-Inventar und dann entdeckte sie den Hinweis auf einen marmornen Totenschädel. Das Kunstwerk war als Dauerleihgabe an das Kunstgewerbemuseum in Pillnitz übergeben worden.

Kryza-Gersch holte die Arbeit zurück. Sie und ihre Kollegen waren verblüfft. "Er ist aus feinstem Carrara-Marmor gehauen, sieht aber völlig realistisch aus. Er zog uns sofort in seinen Bann", schreibt die Kuratorin. "Ich hatte eine richtige Gänsehaut. Wir wussten, dass er im frühen 18. Jahrhundert in Rom angekauft worden war."

Mehr war über den Schädel nicht bekannt. Der Totenkopf ist hohl und anatomisch exakt gearbeitet, wirkt wie ein echter Schädel. Kryza-Gersch fand heraus, dass der berühmte Bildhauer Gian Lorenzo Bernini die Skulpturen im 17. Jahrhundert erschaffen hatte. D

"Dank des Lockdowns konnte ich mir die Zeit nehmen, mich mit dem Fund zu beschäftigen. Ich war im Homeoffice, tauchte aber geistig in das Rom des 17. Jahrhunderts ein", schildert Kryza-Gersch. "So fand ich heraus, dass es sich tatsächlich um ein Werk von Bernini handelte: Papst Alexander VII. hatte ihn 1655, nur drei Tage nach seiner Wahl zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, damit beauftragt, ihm einen Marmorschädel als Memento mori anzufertigen."

Unter Fachleuten war der Schädel bekannt. Er galt als rätselhaftes Objekt. Was nun alle Experten überraschte: Seit langer Zeit gehörte dem Marmorschädel dem Museum in Dresden. Das war allerdings niemandem aufgefallen.

Vergessene Schätze in Museen und Archiven

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