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Zeit und Geschichte

Sollte Rasse im Grundgesetz bleiben oder gestrichen werden?

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMittwoch, 01.07.2020

Jede erfolgreiche Bewegung muss das Unmögliche fordern, um das Mögliche zu erreichen. Dabei wird oft auch Erhaltenswertes beschädigt, wenn nicht gar zerstört.

Manchmal muss es mühsam wiederhergestellt werden. So berechtigt es ist, den Rassismus zu bekämpfen, so unnütz ist es gegen unverzichtbare Pfeiler der Philosophie wie gegen Immanuel Kant zu polemisieren.

Symbolische Aktionen können eine Bewegung formen, aber in ihnen kann sie sich verrennen und reale Veränderungen verpassen.

Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Cengiz Barskanmaz (Abteilung Recht und Anthropologie am Max Planck Institut für ethnologische Forschung in Halle) und Dr. Nahed Samour (Institut für interdisziplinäre Rechtsforschung der Humboldt-Universität zu Berlin) argumentieren dagegen, Rasse aus dem Grundgesetz zu streichen.

Die Forderung geht von einem für die Rechtswissenschaft ungewöhnlich eng interpretierten Begriff aus. ...

Eine Auslöschung des Begriffs negiere historische und gegenwärtige Ungleichheiten und berge die Gefahr der Verharmlosung.

Gleiche Begriffe können andere Bedeutungen in anderen Kontexten haben. Wenn "Rasse" in den Nürnberger Rassengesetze und im Grundgesetz zu finden ist, dann ist es nicht das Gleiche.

Ein solches Verständnis hält jedoch einer historischen, semantischen und vor allem teleologischen, also zielgerichteten, Auslegung im Lichte der deutschen Vergangenheitsbewältigung nicht Stand. ... Rassismus lässt sich nicht durch die Löschung der historischen Spuren des Nazi-Unrechts im Grundgesetz aus der Welt schaffen.

Und auch unser planetarisches Zeitalter muss transnationale Vereinbarungen, Gesetze und dadurch Begriffe haben. Und da ist

Rasse im Völker- und Unionsrecht allgegenwärtig ...: die UN-Charta, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Menschenrechtspakte (Zivil- und Sozialpakt), die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation über Arbeits- und Sozialstandards und weitere UN-Vorschriften kennen den Begriff.

Auf einer dritten Ebene darf man nicht vergessen, dass Rasse nicht nur wichtig für Gesetze und Verfassungen ist, sondern auch in den Sozialwissenschaften. Hier

gilt Rasse als ein zentrales analytisches Konzept, das als eine soziale, also wertende Konstruktion verstanden wird. Wichtig ist hier auch, dass das Antidiskriminierungsrecht die Diskriminierungsmerkmale Geschlecht, Rasse, Religion und Abstammung nicht als objektive Merkmale konzipiert, sondern immer als soziale Konstrukte, die Ungleichheiten begründen. Wenn einem Schwarzen Mann der Zugang zur Disko verweigert wird, geht der Türsteher nicht davon aus, dass er biologisch der „schwarzen Rasse“ angehört, sondern dass Schwarzer Männlichkeit, wie im Falle von George Floyd, gefährliche, negative Eigenschaften zugeschrieben werden.

Neben diesen drei Ebenen gibt es andere, die im Beitrag erläutert werden.

Also sollte man nichts ändern? Also plädieren die beiden für die Alternativlosigkeit des Grundgesetzes? Ist nicht das Gegenteil eines Fehlers oft auch ein Fehler?

Vor allem deshalb empfehle ich diesen Beitrag, weil die beiden Wissenschaftler aufzeigen, wie man ändern könnte:

Im Grundgesetz heißt es : „Niemand darf wegen ... seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Dieser Wortlaut könnte durch „eine Diskriminierung wegen der Rasse ist verboten“ ersetzt werden. Keineswegs wirksam erscheint uns die Alternative, Rasse durch ethnische Herkunft zu ersetzen.

Wichtig ist beiden Juristen, nur solche Änderungen vorzunehmen, mit denen man keinen symbolischen Aktionismus betreibt, sondern strukturelle Diskriminierung bekämpft.

Eine andere Fassung des Beitrags erschien im Verfassungsblog.

Sollte Rasse im Grundgesetz bleiben oder gestrichen werden?

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Kommentare 1
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor mehr als 4 Jahre

    und dennoch: der Begriff selbst ist falsch. Der ersatz durch ethnische Herkunft etwa ist allerdings auch falsch. und unnötig - da ja "Herkunft" schon im Artikel genannt ist.
    Den Begriff in Anführungszeichen zu setzen, ein sog. davor, erscheint mir dagegen sinnvoll.
    oder "aus rassistischen Gründen" ...

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