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Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Komische Überschrift, mag man denken, aber es geht in diesem Piq um eine sprachgeschichtliche Frage, die bisher noch nie untersucht worden ist: Wurde im Althochdeutschen – also in der Zeit zwischen 750 und 1050 – schon das generische Maskulinum verwendet?
Kurz zur Erinnerung: Dem generischen Maskulinum zufolge werden unter Begriffen wie "die Arbeiter", "die Lehrer" oder "die Touristen" sowohl Frauen wie auch Männer verstanden. – Bekanntermaßen wird dies von Genderbefürwortern in Zweifel gezogen. Ihrer Auffassung nach führt das generische Maskulinum dazu, dass Frauen unsichtbar blieben und Männer betont würden (etwa wegen der Endung -er, MännER, ArbeitER, SchülER et cetera).
Ich will und kann an dieser Stelle nicht die ganze Diskussion umreißen – zumal wir uns hier im Geschichtskanal von piqd befinden –, aber ein zentrales Argument der Genderbefürworter lautet: Das generische Maskulinum ist eine relativ neue Erfindung des bürgerlichen Zeitalters. Mit dieser "Erfindung" sollte männliche Macht zementiert werden. Dem Spiegel zufolge schrieb Gabriele Diewald, Mitautorin eines Duden-Handbuchs zur sogenannten geschlechtergerechten Sprache, es handle sich beim generischen Maskulinum um eine "Konvention des Sprachgebrauchs" und um eine "historisch sehr junge und keineswegs durchgängig stabile" Konvention.
Tatsächlich war Letzteres nur eine Behauptung, weil es dazu bisher keine solide Forschung gab. Das hat sich nun mit einer neuen Untersuchung geändert. Sie wurde durchgeführt von Ewa Trutkowski, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft, und Helmut Weiß, Professor für Linguistik an der Universität Frankfurt. Sie schreiben in einer mehr als 2000 Mal heruntergeladenen Vorversion:
Mit dem vorliegenden Aufsatz haben wir die erste sprachhistorische Studie zum generischen Maskulinum im Deutschen vorgelegt.
Ihre Erkenntnisse wurden von Printmedien aufgegriffen, aber – so weit ich sehen kann – bislang nicht vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, der ja gerade für seine Sprachpraxis von mittlerweile mehr als 600 Fachleuten kritisiert wird, darunter aktiven Professoren und – um das hier mal besonders hervorzuheben – Professorinnen.
Die zentralen Erkenntnisse der neuen Studie von Weiß und Trutkowski sind folgende:
Die Autoren resümieren in ihrer Vorabversion:
Wir konnten zeigen, dass die Generizität maskuliner Nomen, also die Möglichkeit, diese geschlechtsabstrahierend zu interpretieren, entgegen einer weitverbreiteten Ansicht seit althochdeutscher Zeit belegt ist und nicht auf soziale Bedingungen (z.B. die Tatsache, dass Frauen in sog. Männerdomänen Einzug gehalten haben) zurückgeführt werden kann. (...) Damit können die vielfach geäußerten Zweifel am Alter des generischen Maskulinums im Deutschen als widerlegt gelten. Es war schon immer Teil der Grammatik des Deutschen.
Weil sich ihr Aufsatz natürlich an ein Fachpublikum wendet, habe ich unten mal eine recht allgemeinverständliche Pressemitteilung verlinkt – wer ein Abo beim "Spiegel" hat, kann die Debatte auch hier nachlesen. Dort schreibt Gunther Latsch:
Dass die von Fachleuten vor Veröffentlichung überprüften Studienergebnisse in der Gender-Gemeinde Zweifel säen können, bezweifeln die Autoren. Dabei haben auch Kompromisse, etwa die Verwendung von Partizipien wie »Studierende« oder »Mitarbeitende« ihre Tücken. »Die an der Ampel stehenden Radfahrenden belegen dies ebenso wie die Tatsache, dass nicht alle Backenden auch Bäcker sind«, sagt Helmut Weiß.
Hinzu komme, dass es beim Gendern nicht mehr nur um Sprache gehe, vielmehr sei das demonstrative Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit längst zum »funktionalen Pride-Design« geworden, so Ewa Trutkowski. Fernab der sprachlichen Realität weiter Teile der Bevölkerung biete es Unternehmen, Journalistinnen und Politikern eine bequeme Möglichkeit, sich als fortschrittlich, achtsam und moralisch gut zu inszenieren.
Die Reaktionen aus Fachkreisen sollen, wie ich irgendwo gelesen habe, bis auf wenige kritische Rückmeldungen sehr positiv sein. Zusammengefasst: Es gibt keine sprachhistorischen Argumente gegen das generische Maskulinum – und damit auch keine fürs Gendern.
Quelle: Helmut Weiß, Ewa Trutkowski Bild: Uni Frankfurt aktuelles.uni-frankfurt.de
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Es ist immer gut, wenn untaugliche Argumente sich (auch noch) als sachlich falsch erweisen, weil die Diskussion damit wieder mehr Chancen hat, zum eigentlichen Punkt vorzudringen.
Wie lange es schon ein generisches Maskulinum gibt, ist aber ungefähr so relevant, wie eine Begründung für Verbrennermotoren damit, dass es sie schon von Anfang an gibt. Also: Entscheidend ist doch das vielfach belegte heutige Sprachempfinden, dass Bezeichnungen im generischen Maskulinum überwiegend auch geschlechtlich männliche Personen in den Sinn kommen lassen. Mit den zu Recht missbilligten Konsequenzenn.