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Zeit und Geschichte

"Reicher Mann und armer Mann standen da und sah`n sich an."

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergFreitag, 11.10.2024

Vor vier Jahren erschien "Ein Mann seiner Klasse" von Christian Baron, der von einer Jugend ganz unten in der alten Bundesrepublik erzählt. In Kaiserslautern wuchs er heran - mit prügelndem Vater und einer depressiven Mutter. Das Buch erzählt von Klassenverhältnissen, die als überwunden galten. Der sozialstaatliche Ausgleich allerdings war nicht flächendeckend, wie er heute zu oft falsch erinnert wird. Etliche fielen durch das bergende Netz.

In marktextremistischen Zeiten traf das Werk auf einen Nerv. Es avancierte zum Bestseller, ein Hörbuch kam bald dazu, das Buch wurde für die Bretter, die manchmal die Welt bedeuten, in Szene gesetzt, zum Theatertreffen eingeladen und nun verfilmt. Es ist in der ARD-Mediathek bis zum 03.10.2025 zu sehen.

Während Politiker "diskutieren", ob das Bürgergeld wieder abgeschafft werden soll, verdienen Superreiche wie Susanne Klatten über eine Million in der Stunde. Ohne eine kräftige Besteuerung dieser Kaste ist ein Weg ins Offene nicht möglich.

(Die Information fand ich zwar beim linken Jan Aken, aber die Quelle könnte reiner nicht sein: Das Manager-Magazin. Das Vermögen von Klatten und Quandt ist im Jahr 2023 um 7,2 Mrd. gewachsen, ihre Hälfte wären 3,6 Mrd. im Jahr. Selbst bei 60 Stunden/Woche ohne Urlaub macht das 3,6 Mrd. / (60x52) = 1,15 Mio. Euro.

Jeder kann das mit dem Bürgergeld vergleichen; hier die offiziellen Sätze der Bundesregierung, nach dem alleinstehende Erwachsene 563 Euro im Monat erhalten.)

Hier kann man nicht mehr mit Fleiß und Ideenreichtum die einen loben und die anderen wegen Faulheit und Neid tadeln. Hier gilt, was Brecht schrieb:

Reicher Mann und armer Mann standen da und sah`n sich an. Da sagt der Arme bleich: Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.

Diese Haltung Brechts, die sich auch in seinem bis heute viel gespielten Werk zeigt, schien in Zeiten des sozialstaatlichen Ausgleichs veraltet, die leider auch Zeiten des Kalten Krieges, mit Mauern und unter der atomaren Bedrohung waren.

Gleichzeitig zum Film gibt es eine Dokumentation über den Autor, die bis zum 27.09.2026 zu sehen ist.

Jahrelang war Christian Baron Journalist beim ND. Die linke Tageszeitung konnte deshalb Buch und Verfilmung mit viel Hintergrundwissen besprechen. Dabei sieht sie auch eine Verbesserung gegenüber dem Buch:

Beim Blick auf den Vater, die »Taz«-Redakteurin Doris Akrap hat es in ihrer Besprechung schon beschrieben, hat das Buch seine Schwächen. Die Vaterfigur ist sakrosankt, trotz all ihrer Fehler. Schuld ist allein das System, das ihn so zugerichtet und allein gelassen hat. Nachvollziehbar ist diese Sicht von innen, von außen eben nicht.

Der Film umgeht diese gefärbte Wahrnehmung des Sohnes und geht behutsam gnadenloser mit dem Vater ins Gericht, weil er szenisch zuspitzen kann.

Viel Freude und Erkenntnis beim Lesen und Sehen. Aber, nach Brecht: Glotzt nicht so romantisch.

"Reicher Mann und armer Mann standen da und sah`n sich an."

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