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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Diese Auseinandersetzungen sind Teil einer transnational geführten Debatte über das Selbstverständnis des "Westens" im erweiterten Sinn.
Jörg Heiser, Direktor des Instituts für Kunst im Kontext der Universität der Künste in Berlin, fasst in diesem Artikel gut zusammen, was Strohfeuer war und aus welcher Asche noch ein Phönix auffliegen kann, eine Zukunftsgestalt also.
Dabei sieht er Gefahren beim Vergleich von Kolonialverbrechen und Shoah, aber er sieht auch Chancen:
Um es vorwegzunehmen: Ich glaube, dass eine Vertiefung dieser Frage letztlich der Schlüssel ist, wenn nicht zur völligen Auflösung, so doch zur Entwirrung des – vermeintlichen – Widerspruchs zwischen der Bekämpfung des Antisemitismus in Nachfolge des Nationalsozialismus und des Rassismus in Nachfolge des Kolonialismus.
Gut, die Richtung ist damit vorgegeben, aber wie ist der Weg dahin?
Die koloniale Dimension der Naziverbrechen besteht ihnen (gemeint sind der Gedächtniswissenschaftler Michael Rothberg und der Historiker Jürgen Zimmerer, A. E.) zufolge in bestimmten «diskursiven Kontinuitäten», etwa wieder auftauchenden ideologischen Versatzstücken; und Funktionsäquivalenzen, beispielsweise der Stigmatisierung vermeintlicher Volksfeinde, Herrenrassefantasien, unmittelbare Bereicherung usw. All dies zu benennen, bedeutet nicht, eine direkte Kausalität (im Sinne von: Windhuk bewirkt Auschwitz) zu behaupten.
Dabei blendet Jörg Heizer weit zurück bis ins 17. Jahrhundert und zeigt die Dialektik der Aufklärung am Beispiel solcher Ausnahmedenker wie John Locke oder Thomas Hobbes, die an der europäischen Eroberung verdienten und diese teilweise begründeten:
Die Kolonisatoren verstanden sich als Repräsentanten der Zivilisation, die den «Wilden» und fremden Welten gegenübertritt, die es zu missionieren und zu erschliessen, auszubeuten und zu versklaven, im Extremfall aber auch einfach auszulöschen gelte – im Dienste der Urbarmachung und «Zivilisierung» der Welt. Und des Profits.
Obwohl dadurch auch Denkmöglichkeiten für Unterdrückte entstanden, blieben Haltungen, die bis heute Freiheiten begrenzen:
Das kolonialistische Denken operiert – im Grunde bis heute – mit der Ideologie einer Entgegensetzung von «moderner» Zivilisation und dem Anderen, dem Tierisch-Barbarischen. Der Nationalsozialismus invertiert diese Ideologie: Es ist nun das Tierisch-Barbarische, das als Wahrheit des (homogen und rassisch definierten) Volkes freizulegen sei – freigelegt gegenüber dem Feind, der jüdisch-kosmopolitischen «Zivilisation». In diesem Sinne bleiben Kolonialismus und Nationalsozialismus im Zerrspiegel dieser ideologischen Inversion verbunden.
Einen eindeutigen Schluss findet Jörg Heiser bei der auch auf piqd zu findenden Auseinandersetzung zwischen Kolonialverbrechen und Shoah:
Wenn man der These einer nationalsozialistischen Inversion der Kolonialideologie vor diesem Hintergrund mal einen Moment folgt, führt sie geradewegs aus der Sackgasse einer falschen Wahl zwischen «Kausalität, ergo Relativierung» und «Singularität». Denn sie zeigt auf, wie Kolonialismus und Nationalsozialismus untergründig verbunden sind – und der Holocaust dennoch ein singuläres Menschheitsverbrechen bleibt.
Bei vielem stehen wir noch am Anfang. Der mythische Phönix hat noch keine Gestalt angenommen.
Soweit meine Zusammenfassung. Der hier empfohlene kompakte Überblick über eine wohl richtungsweisende Debatte empfehle ich dringend, denn kürzer fand ich bislang keine Zusammenfassung von hoher Qualität, die die Haltung wichtiger Protagonisten skizziert.
Und eine nicht verratene Pointe gibt es ebenso.
Quelle: Jörg Heiser www.republik.ch
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"Relativierung war auch der Schlüsselbegriff des deutschen Historikerstreits der 1980er-Jahre, als Ernst Nolte Auschwitz als Reaktion auf die stalinistischen Gulags einzuordnen, also tatsächlich zu relativieren versuchte und Jürgen Habermas vehement widersprach. Habermas bezichtigte Nolte beziehungsweise seine Position des «Revisionismus» – was bis heute mehr als berechtigt erscheint.
In der Tat war damals das Hauptinteresse des vergleichenden Ansatzes, deutsche Verantwortung zu relativieren, kleiner zu machen, in den Schatten des Stalinismus zu rücken. Es war die damalige Diskussion, die endgültig den Bannstrahl auf beinahe jedweden Versuch des Vergleichens richtete, der über das blosse Herausstreichen von Unterschieden hinausgeht. Der Vergleich führe, da er auf Gleichsetzung hinauslaufe, quasi automatisch zur Relativierung der Spezifik und Einzigartigkeit der sich im Holocaust manifestierenden Verbrechen, sei also strukturell antisemitisch ....." - so Jörg Heissr im Artikel.
Also wer heute noch meint, eine Einordnung bzw. ein Vergleich von Auschwitz und Gulag sei eine Relativierung und daher falsch, der hat nichts dazu gelernt. Ein Ansatz hat kein Hauptinteresse. Es sind immer die Protagonisten, die Interessen haben. Im Falle von Wissenschaftlern sollten es Erkenntnisinteressen sein. Und daher sollten inhaltliche Argumente dominieren. Diese Ebene hat Habermas verlassen mit dem Revisionismusvorwurf, nicht Nolte. Letztendlich ging es Habermas um Deutungshoheit und Definitionsmacht. Nicht um Erkenntnis und nicht um herrschaftsfreien Diskurs. Diese seine These hat Habermas da nebenbei mit erledigt.
Und so ist das auch heute noch mit all diesen Vorwürfen falscher Gesinnung. Wissenschaft scheint mir das nicht zu sein.
Dann will ich die Pointe mal verraten: „ Die Kolonisierung zur Ausbeutung anderer Erdteile und anderer Völker bleibt dabei jedoch etwas fundamental anderes als dann im Dritten Reich die Absonderung eines riesigen Bevölkerungsteils aus dem «eigenen» Territorium mit dem Ziel, ihn völlig zu vernichten.“