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Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Politische Wissenschaft, Journalistik und Kriminologie studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, als Redakteur bei ZEIT Online und P.M. History gearbeitet und als selbstständiger Journalist für ZEIT, PM, PM History, Stern, Spiegel Geschichte, G/Geschichte, Geo Epoche und andere Medien. Hat über Piraterie auf dem Mittelmeer promoviert. Die Doktorarbeit erschien 2018 bei edition lumiere.
Hauke Friederichs interessiert sich für Krisen und Konflikte, Armeen und Rüstung, Kriminologie und Verbrechensbekämpfung und viele andere Themen. Bei S. Fischer veröffentliche er 2018 gemeinsam mit Rüdiger Barth "Die Totengräber". Ein Buch über die letzten Tage der Weimarer Republik. Danach folgte 2019 "Funkenflug" über den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Am 15. März 2021 erscheint "Das Wunder von Dünkirchen" im Aufbau-Verlag. Es beschreibt die Rettung von mehr als 300.000 Soldaten der Alliierten während der deutschen Westoffensive 1940.
1982, die FDP fällt um, Helmut Schmidts sozialliberale Koalition platzt und unter Intellektuellen herrscht schieres Entsetzen. Helmut Kohl wird Kanzler? „Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass Helmut Kohl zum Bundeskanzler gewählt werden könnte", schrieb Günter Grass. Alexander Kluge „grauste" es beim Gedanken an eine „Regierung Kohl" und Martin Walser schickte vom Bodensee dunkle Rätselworte in die Bonner Provinz. „Ich sag halt: schade. Jetzt hätten wir endlich mal einen Bundeskanzler gehabt, und nun haben wir Aussicht auf keinen." Peter Rühmkorf ahnte den „ganz großen Rechtsschwenk", denn Kohl wolle die „Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer um die Hälfte reduzieren".
Zwischen linken Kulturschaffenden, Intellektuellen und Schriftstellern auf der einen Seite und konservativen Politikern auf der anderen Seite herrscht damals so etwas wie ein verbaler Bürgerkrieg. Vor 40 Jahren, nach dem Deutschen Herbst 1977, fahndeten CDU und CSU nach RAF-Sympathisanten: Unter linken Schriftstellern wurden sie ebenso fündig wie in den Seminaren kritischer Professoren. CSU-Chef Franz-Josef Strauß ging soweit, in seinem Kreuzzug alle Kommunisten („Freiheit statt Sozialismus"), Schriftsteller wie Ingeborg Drewitz, Martin Walser oder Walter Jens als „Ratten und Schweißfliegen" zu beschimpfen.
Solche Wörter benutzt Kohl nicht – aber den Zeitgeist will auch er verändern und fordert eine „geistig-moralische Wende". "Der Kanzler (,Ich war immer gut in Hölderlin') glaubte allen Ernstes, er könne den Diskurs kommandieren und ,den Menschen draußen im Land' eine staatlich gelenkte Leitkultur verordnen", schreibt Thomas Assheuer in der „Zeit". Seine Kritiker wie Heinrich Böll befürchten, Kohl werde den Rundfunk weit nach rechts drehen. Und tatsächlich gerieten die vom Staat finanzierten Sender und auch die Goethe-Institute unter Druck. Als Kohl bei der Bundestagswahl 1998 gegen Gerhard Schröder verliert, jubelt das Kulturmilieu und feiert den neuen Kanzler.
Quelle: Thomas Assheuer zeit.de
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Ein interessanter Text. Aus der historischen Entfernung sehen solche Diskussionen immer anders aus. Für mich ist es keine Frage, dass ich damals auf der Seite jener Intellektuellen gestanden hätte. Inzwischen bin ich mir nicht so sicher. Gestern hab ich mit einer Freundin über Kohl unterhalten: Wir waren ihm beide tatsächlich extrem dankbar für die Wiedervereinigung, was uns überrascht hat, und das Interessante ist, dass es unter den Leuten, die wir gewählt hätten, anders - nicht so schnell, konsequent und großzügig - gekommen wäre...
Über Kohl hat sich in den achtziger Jahren wirklich jeder lustig gemacht. Selbst Kohl-Fans hatten daheim Witzebücher über ihn rumliegen. Möglicherweise hat das ganze Bashing der Intellektuellen sogar seinem Machterhalt gediehnt. Denn so blieb er für jedermann sichtbar ein Mann des Volkes und der Provinz. Das hatte vielleicht sogar noch einen weiteren Vorteil, der hierzulande bis heute fortwirkt: Wenn ein Mann, der weithin als provinzell galt, mit einem solchem Verve für Europa eintrat wie Kohl es getan hat, dann konnte dessen Politik gar nicht so elitär sein.