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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Zum 10. Todestag von Christa Wolf

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMittwoch, 01.12.2021

Am 1. Dezember 2011, also vor zehn Jahren, starb Christa Wolf, eine große deutsche Schriftstellerin, die man lesen sollte, wenn man die Historie des 20. Jahrhunderts verstehen möchte.

In einem prägnanten Interview in der legendären Reihe ZUR PERSON stellt Günter Gaus nicht nur Fragen, sondern zeigt die Persönlichkeit von Christa Wolf.

Ein Fernsehereignis!

Ungewöhnlich ist, dass das Gespräch 1993 in Kalifornien stattfand, wo Christa Wolf damals an einem Text schrieb, der ihr restliches Leben begleitete und der zu ihrem letzten Roman sich auswuchs.

Christoph Hein schrieb über dieses letzte große Buch "Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud".

Das Buch ist eine Lebensbeichte, es ist künstlerisch geformt und gebaut, glänzend gebaut, handwerklich perfekt. Manches mag dem Zufall geschuldet sein, etwa die zufällig für diese Zeit geplante Reise in die Staaten, in das ferne L.A. Der Aufenthalt in dem so fernen, fremden Land gibt eine wundervoll kontrastierende Folie für ein Durchforschen jener Person, die die Autorin einmal war, die sie ist. Der Gesprächspartner Peter Gutman, die Freundin Emma, die Suche nach der Briefschreiberin L., die Treffen mit jüdischen Überlebenden der Nazibarbarei, der Besuch bei den Hopi-Indianern, die bedauernswerte Überlebende ihres eigenen Untergangs sind und ebenfalls nicht wüssten, wie sie antworten sollten, wenn sie gefragt werden: Are you sure your country does exist? Vielleicht sollten die Hopis einen Satz von Georg Christoph Lichtenberg dagegen halten: Der Amerikaner, der Kolumbus entdeckte, machte eine böse Entdeckung.

Geschmäht wird Christa Wolf auch zehn Jahre nach ihrem Tod. Erinnerungen und Würdigungen findet man dagegen heute wenig im Feuilleton. Eine ganz ausgezeichnete schrieb Karsten Kampitz im Neuen Deutschland, darin heißt es über die fortwährende Gehässigkeit:

Erst unlängst nannte Dennis Scheck ihre Erzählung »Kassandra« in einem Atemzug mit Hitlers »Mein Kampf«. Helga Schubert, kaum dass sie 2020 den Bachmannpreis gewonnen hatte, wütete in Interviews gegen ihre ehemalige Nachbarin. Diese habe bis zuletzt noch totalitäre Ideen gehabt. - Helga Schubert und alle anderen machen sich nicht einmal mehr die Mühe, ihre Vorwürfe am Werk oder an der Biografie zu belegen.

Und Karsten Kampitz gibt noch einen Vorschlag zum Neu- oder Erstlesen von Christa Wolf:

Die Verzweiflung aber an den Verhältnissen, jene Grundstimmung vieler DDR-Künstler vom Getrieben- und Verlorensein, findet sich in »Kein Ort. Nirgends« wieder. Die 1979 im Aufbau-Verlag beziehungsweise im Westen bei Luchterhand erschienene Erzählung ist für Elke Heidenreich eines der schönsten Bücher von Christa Wolf.

Erzählt wird eine fiktive Begegnung der mittellosen Dichter Heinrich von Kleist und Karoline von Günderode, die sich bei der Teegesellschaft eines Kaufmanns im Rheingau kennenlernen - und erkennen. Ein Salon, nur anders als der oben beschriebene in Pankow: beide Helden werden sich eines Tages das Leben nehmen. Und schon die Günderode, Christa Wolfs Alter Ego, wird von der Kritik geschmäht. In »Kein Ort. Nirgends« lesen wir von den Skribenten höfischer Blätter, vom herablassenden Ton der Rezensenten, von Satzfetzen, die mit genauer Berechnung in den Text gestreut sind. »Aber ein feines Gift ist aus diesen Zeilen in sie eingedrungen, untilgbar, und eine neue Art von Furcht.«

Gestern & Heute: Zum 10. Todestag von Christa Wolf

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