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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Hiermit vertiefe ich einen piq über die Massenauswanderung aus Osteuropa. Nach dem Kalten Krieg imitierte der Osten den Westen in einer anderen historischen Situation und damit anderen Ergebnissen.
Rückblende: Das gilt für den gesamten Ostblock, nicht nur für EU-Osteuropa, also auch für Russland. Auch hier verabreichten "Reformer" Schocktherapien. Es entstand ein Oligarchen-Kapitalismus nachdem sie 1992 alle Preise freigaben.
Die Regale füllten sich wieder, allerdings kam es zu einer Hyperinflation. Praktisch über Nacht verlor rund ein Drittel der Bevölkerung die gesamten Ersparnisse und fand sich in Armut wieder.
Die Privatisierung der Staatsbetriebe ermöglichte den Aufstieg der Oligarchen und zerstörte die ökonomische Basis einer Demokratie.
Eine autoritäre Wende ist in der EU möglich, eine linke Revolution aussichtslos. Für Krastev ist die Massenemigration die neue Revolution.
Heute gibt es anders als gestern Gegenstimmen. Der Schriftsteller Raul Zelik widerspricht und will eine Gegenmacht durch Gemeingüter aufbauen,
eine Strategie, die notwendigerweise zugleich evolutionär und revolutionär ist. Es ist nicht wahr, dass die Lage unüberschaubar geworden ist. Wir sind machtlos geworden. Weil das Kapital siegt. Es läge an uns, daran etwas zu ändern, bevor sich das Kapital zu Tode gesiegt hat – und uns mit ihm.
Bisweilen bleibt vieles offen!
Bei allen Ähnlichkeiten benennt Krastev einen gewaltigen Unterschied des Osten der EU zu Staaten außerhalb wie Russland. Eine Vertiefung der Kluft zwischen Ost und West innerhalb der EU wäre keine Lösung der gravierenden Probleme von Alterung, Bevölkerungsschwund durch niedrige Geburtenraten und Massenauswanderung.
Infolgedessen ist die Region hin- und hergerissen zwischen ihrem Zögern, die Rolle eines Thronprätendenten zu übernehmen, und der Furcht, dass ihre eigene Hinwendung zum Populismus einen Zusammenbruch der EU auslösen könnte.
Was auch immer geschieht, es gilt der Chinesische Fluch: Mögest Du in interessanten Zeiten leben.
Quelle: Ivan Krastev / Raul Zelik u. a. ipg-journal.de
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Krastev ist immer des Lesens wert. Danke. Das aber "die Privatisierung der Staatsbetriebe .... die ökonomische Basis einer Demokratie" zerstörte, das bezweifele ich. Die Ökonomie war vorher schon in der Perstroika kaputt bzw. im freien Fall. Ich war 1990 länger in Petersburg - da waren die Regale total leer, die Schwarzmarktpreise exorbitant. Es hatte sich das "Volkseigentum" zu tode gesiegt. Und Rußland war nicht nur ein Oligarchen-Kapitalismus, es war auch ein krimineller Bürokratenstaat. Und der Homo Sovieticus war sicher auch keine gute wirtschaftlich-kulturelle Basis für eine Demokratie. Ich denke solche Reduzierungen auf eine Dimension bringen nichts.
Um in dem etwas mechnischen Bild von Basis und Überbau zu bleiben - ist eine funktionierende Ökonomie die Voraussetzung für Demokratie oder umgekehrt? Ist es überhaupt ein Henne/Ei-Problem? Oder ein Problem komplexer wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Entwicklungen, Wechselwirkungen? Es haben sich ja in Osteuropa durchaus funktionierende Demokratien entwickelt, etwa im Baltikum. China zeigt andererseits, dass starkes ökonomisches Wachstum unter einer Einparteienherrschaft funktionieren kann. Auch Nordkorea oder Taiwan haben eine Art "Entwicklungsdiktatur" durchlaufen.