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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Der politische Philosoph Toni Negri mit einem romanwürdigen Leben ist mit 90 Jahren gestorben.
Ergänzend zum Nachruf auf Zeit online mit Kondolenzbuch, ist der in der taz von Andreas-Fanizadeh, in dem es heißt:
Negri konnte sehr kämpferisch sein, aber auch verschmitzt, humorvoll und höflich. Er strahlte Respekt und Offenheit aus, Charme und Stilsicherheit, die in den deutschen Szenen eher selten anzutreffen waren. Seine Augen konnten aber auch leuchtende Blitze aussenden. Und einmal in Rage geredet, war der Philosoph ein Ereignis.
Dann war Negri schlicht furios, wusste, wie er den Saal einfing, war witzig, scharf, eine authentische und integre Persönlichkeit. Er schien in völliger existentieller Übereinstimmung mit dem zu sein, was er sagte und einforderte. Dabei verklärte er die Kämpfe der Vergangenheit nicht. Er blieb der Gegenwart zugewandt und an den Perspektiven anderer interessiert.
Nun ist klar, Toni Negris berühmtestes Buch bleibt EMPIRE. Den Weltbestseller schrieb er zusammen mit Michael Hardt. Das Werk wird hier im Gespräch zwischen Alex Demirović mit Thomas Seibert (medico international) vorgestellt.
Zum 20. Jahrestag des Erscheines, im Jahre 2020, publizierte das Autorenduo einen Essay – die gekürzte deutsche Übersetzung ist das Hauptstück dieses piqs. Er zeigt, wie markant schon damals die Vielfachkrise, die jetzt alle sehen, schon deutlich war. Zugleich überraschen einige Überlegungen und vervollständigen einige Einsichten, die heute von Politikwissenschaftlern publiziert werden.
Die sich entfaltende Weltordnung funktioniert, wie das Kapital selbst, durch die Krise hindurch und speist sich sogar daraus. Und in vielerlei Hinsicht funktioniert sie nur dadurch, dass sie gestört wird.
Sie beschreiben eine Welt aus den Fugen, in der die USA nicht mehr die allesbeherrschende Weltmacht sein können, aber es wird auch keinen Nachfolger – etwa in Gestalt von China – geben.
Die fortdauernden Krisen des Empire spielen sich, bildlich gesprochen, in zwei ineinandergreifenden Sphären ab – der Sphäre gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion, die sich in weltumspannenden Netzwerken organisiert, sowie der Sphäre einer globalen Governance und ihrer Verfasstheit –, und beide Sphären geraten zunehmend aus dem Takt.
Hier zeigen sich schon Konflikte, etwa die Diskussionen im "Westen" wie man die Handelsbeziehungen und die politische Gegnerschaft mit China vereinbaren kann. Es wird das Scheitern der USA (und des "Westens" insgesamt) beim Aufbau von Staaten benannt.
Die USA konnten zwar die Regime der Taliban und der Baath-Partei stürzen (und tatsächlich eine Tragödie der Zerstörung anrichten), aber sie konnten keine stabile Hegemonie herstellen, wie sie eine wahre imperialistische Macht auszeichnen würde.
Denn wenn heute kein Nationalstaat in der Lage ist, in der sich entfaltenden Weltordnung die Rolle des Hegemonen auszufüllen, so ist dies kein Symptom von Chaos und Unordnung, sondern offenbart die Herausbildung einer neuen globalen Machtstruktur – und tatsächlich einer neuen Form von Souveränität.
Kommt ein Weltstaat? Oder übernehmen in naher oder weiter Zukunft die UNO?
Das Empire ist weder ein globaler Staat, noch schafft es eine einheitliche und zentralisierte Herrschaftsstruktur. Denn auch wenn die konventionellen Konzepte, mit denen bislang globale Spaltungslinien gefasst wurden – Erste und Dritte Welt, Zentrum und Peripherie, Ost und West, Nord und Süd –, viel von ihrer Erklärungskraft verloren haben, ist die heutige Globalisierung kein einfacher Homogenisierungsprozess; sie impliziert vielmehr Prozesse der Homogenisierung und der Heterogenisierung gleichermaßen.
...
Die »Herrschaft von Wenigen« wird im globalen System in drei entscheidenden Bereichen ausgeübt, durch große Konzerne, durch dominante Nationalstaaten und durch supranationale Institutionen.
Ihr Fazit, das abstrakt bleibt, was ihnen bewusst ist:
Kann eine Vielheit politisch handeln? Ja, sie kann – als Klasse in diesem erweiterten Sinn, als eine intrinsisch verknüpfte Vielheit in Kämpfen gegen Kapital, Patriarchat, weiße Suprematie und andere Dimensionen von Herrschaft gleichermaßen. Gewiss, das ist lediglich eine formale Antwort, die auf einer begrifflichen Ebene verbleibt, aber vielleicht kann sie einen Rahmen bieten, das politische Projekt weiter zu denken und zu verfolgen.
Quelle: Antonio Negri, Michael Hardt, Alex Demirović , Thomas Seibert u. a. Bild: RLS zeitschrift-luxemburg.de
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