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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
In PHAIDROS, einem rund 2500 Jahre alten Text, reflektiert Platon die Medienrevolution der Antike.
Sokrates zweifelt darin an der Schrift und lässt sie nur als Gedächtnisstütze gelten. Wer nur liest, glaube zu schnell, etwas zu wissen, obwohl er wenig begriffen hat. Verhängnisvolle Selbsteinschätzungen resultieren daraus, die nur ein mündlich unterrichtender Lehrer verhindern kann.
Pikanterweise ist Platon der Schüler Sokrates, dessen Gedanken wir ausschließlich aus den Schriften seines Schützling kennen. Und diese wiederum sind in Gesprächsform geschrieben.
Weisheit, so Sokrates, kann man sich nicht anlesen. Nur ein individuell auf den Schüler eingehender Lehrer kann sie allmählich mündlich heranbilden.
Zu widerlegen ist das nicht, allerdings nur durch die Schrift ist es tradiert worden.
Die Wirren eines Umbruchs sind eine alte Geschichte, von der man während allen Medienrevolutionen neu erzählen kann.
In einem kostenpflichtigen SPIEGEL-Gespräch zwischen Herfried Münkler, Autor einer Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, und Daniel Kehlmann, dessen letzter Roman TYLL in dieser Epoche spielt, ziehen beide Parallelen zur Gegenwart. Für Kehlmann herrschte damals eine
furchtsame Verwirrung in den Köpfen, die durch ein neues Medium entsteht, mit dem die Menschheit noch nicht ganz umzugehen gelernt hat. Das war damals die Druckerpresse, insbesondere die Flugschriften. Das große Aufflammen der konfessionellen Gegnerschaft, der Wut auf beiden Seiten, hat natürlich mit der Propaganda zu tun, von der Europa geradezu überschwemmt wurde. Erst später haben sich Standards etabliert, anhand derer man erkennen konnte, ob eine Druckschrift glaubhaft ist oder reine Hetze. Und etwas Ähnliches erleben wir heute mit dem Internet. ... Ein Teil der Verwirrung und Wut, die wir derzeit überall sehen, hat damit zu tun, dass wir gerade erst lernen, mit einem neuen Massenmedium umzugehen.
Quelle: Platon, Daniel Kehlmann u. a. zeno.org
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danke fürs piqn! ich frage mich gerade beim lesen, ob telefonie, radio + tv zur zeit ihrer ersten verbreitung als ebenso umwälzende und verwirrung stiftende "medien-revolutionen" wahrgenommen wurden wie heute das netz. am ehesten fällt mir noch telegraphie als umwälzende technische neuerung ein, die gesellschaftlichen wirbel ausgelöst hat.
Das hat Kehlmann klug beobachtet und auf den Punkt gebracht.
Zum Thema: https://www.piqd.de/se...