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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Scharf wendet sich der in Jena lehrende und auch international renommierte Soziologe gegen Aussagen, dass der Corona-Ausnahmezustand an sich eine Chance für eine grundsätzlich andere, bessere Welt sei, uns eine helle, lichte Zukunft bevorsteht.
Ja, die Pandemie ist ein Schlag, der Gesellschaften jedweden Typs heftig, aber nicht gleich stark trifft. Für einen umstürzenden Wandel spricht dagegen wenig. Klaus Dörre argumentiert auf den Schultern des Jahrhunderthistorikers Fernand Braudel (1902-85). Dieser war fest überzeugt, dass das kapitalistische Weltsystem nicht von selbst zerfallen werde, sondern
»nur ein äußerer Stoß von extremer Heftigkeit im Verein mit einer glaubwürdigen Alternative«
könne dieses beenden. Gegenwärtig werden die vielfältigen Krisen im Brennglas der Pandemie überdeutlich, auch die Grenzen der Dynamik werden klarer, aber - so Klaus Dörre -,
offensichtlich ist jedoch, dass eine glaubwürdige Alternative zum Kapitalismus derzeit nur in vagen Umrissen existiert. Deshalb ist es grundfalsch, dem Wünschbaren den Rang eines wahrscheinlichen Zukunftsszenarios zu verleihen.
Zwar wachsen weltumgreifend Zweifel, weil die mittlerweile planetarische, kapitalistische Wirtschaft nach rund einem Jahrzehnt wiederum mit nicht-marktwirtschaftlichen Mitteln gerettet werden muss.
Dennoch hoffen politische und Wirtschaftseliten in erster Linie auf einen raschen Wachstumsschub nach der Pandemie.
Aufschlussreich ist, wie Klaus Dörre die 2007/8 begonnene Weltkrise beschrieb und welche Prognosen er damals gab.
Er sah gravierende Veränderungen in den grundlegenden Institutionen voraus: in der Erwerbsarbeit, der Wirtschaftsverfassung, im Wohlfahrtsstaat oder in der Demokratie. Schon damals warnte er vor zu viel Optimismus, der das Wünschbare mit dem Machbaren verwechselt:
Jede gesellschaftliche Transformation, auch eine nichtkapitalistische, wird sich indessen im Spannungsfeld von sozialer, ökologischer und demokratischer Frage bewegen.
...
Entscheidend sind die gesellschaftlichen Kompromisse, die gefunden werden, um die Spannungen einigermaßen zu bewältigen. In den entwickelten Gesellschaften des globalen Nordens muss es darum gehen, Möglichkeiten einer Entwicklung hin zu Postwachstumsgesellschaften wissenschaftlich nicht nur auszuloten, sondern sie auch kritisch und intervenierend zu begleiten, weil nur die Abkehr vom Expansionismus dem globalen Süden überhaupt Entwicklungschancen erhält.
Hier der erschreckend heutig gebliebene Text von gestern.
Im aktuellen Beitrag sieht er in der chinesischen und russischen Hilfe etwa für Italien keine vorrangige Solidarität, sondern heftige Machtkämpfe in der sich herausbildenden multipolaren Welt.
Er stimmt seine Leser auf einen langen Kampf ein, obwohl er ein Jahrzehnt nach seiner Analyse der Krise 2007/8 immerhin vage Umrisse einer Alternative sieht, und endet so:
Für allzu großen Optimismus gibt es indes keinen Anlass. Die Feministin Silvia Federici hat anhand des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus gezeigt, wie die schwarze Pest – ein externer Schock von entsetzlichen Ausmaßen – zu Arbeitskräfteknappheit führte und deshalb vorübergehend größere Freiheiten für Frauen und subalterne Klassen mit sich brachte. Der Gegenschlag herrschender Klassen folgte prompt. Kapitalismus war das Resultat. Man muss dieser Erzählung nicht folgen.
Und wir wissen auch: Dass nach der Pandemie eine neue Gesellschaftsordnung entstehen könnte, die, gemessen an dem, was hinter uns liegt, keine bessere wäre, ist eine ernstzunehmende Gefahr.
Wir sollten ihr mit leidenschaftlichem Engagement, aber auch mit dem gebotenen Realitätssinn begegnen.
Den aktuellen Beitrag eines der besten Gesellschaftswissenschaftler findet man auf der Webseite der deutschsprachigen Ausgabe von JACOBIN. Am 1. Mai gibt es das erste gedruckte Heft.
Gegründet in New York, erscheint die amerikanische Ursprungszeitschrift JACOBIN seit Winter 2011 vierteljährlich mit einer mittlerweile verkauften Printauflage von 50.000 Exemplaren.
Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt-Gruppe, twitterte bereits:
wunsch: ein magazin namens HAYEK so lässig, schlau, elegant und modern wie @jacobinmag_de.
Quelle: Klaus Dörre Bild: US-Soldatin packt... jacobin.de
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