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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Schade, dass er nicht 100 geworden ist. Mit 99 Jahren starb Alfred Grosser in Paris. Ein Politologe, ein Schriftsteller und - wie der Titel seines letzten Buches hieß - Le Mensch.
Der Jahrhundertmann ist als deutscher Jude in Frankfurt am Main geboren, floh mit seinen Eltern vor den Nazis nach Frankreich und wandelte sich nicht, darauf legte er Wert, zum Deutsch-Franzosen, sondern zum Franzosen.
Sein Thema und Anliegen war die Aussöhnung der vereinbarten Nachbarn.
Es gab mal Zeiten, wo das aggressive Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich als "Erbfeindschaft" bezeichnet wurde.
Unüberwindbar wie die heute zwischen Juden und Arabern, Ukrainern und Russen.
In Anna Seghers berühmten Roman DAS SIEBTE KREUZ heißt es über das Grenzland zwischen Deutschland und Frankreich:
Das ist das Land, von dem es heißt, dass die Geschosse des letzten Krieges jeweils die Geschosse des vorletzten aus der Erde wühlen.
Als sie das schrieb mutierte Alfred Grosser vom Deutschen zum Franzosen.
Im Gespräch mit dem 35jährigen äußert sich dieser 1960 zu seinem Buch "Die Bonner Demokratie".
Fünfzehn Jahre später erhält er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandes und in seiner Preisrede spricht er von den Gefährdungen der Demokratie. Im Jahre 1975 heißt es darin:
Bis jetzt gibt es noch keine Anzeichen dafür, daß sich die Bürger in Angst von den demokratischen Parteien abwenden. Aber das ist kein genügender Grund, um unbesorgt zu sein.
Die Gefährdungen der Demokratie, für die Alfred Grosser stritt, nahmen seitdem zu.
Und hier ein Nachruf mit O-Tönen des alten weisen Manns aus dem Deutschlandfunk Kultur.
Dazu gibt es Erinnerungen in Form eines Gesprächs mit Ulrich Wickert.
Rudolf Balmer schreibt über den Jahrhundertmann in der taz:
Bei der Publikation seines bei Rowohlt erschienenen Buchs 'Von Auschwitz nach Jerusalem' sprach er ... von einer 'Auschwitz-Keule': 'Jedes Mal, wenn ein Deutscher sagt: 'Die israelische Politik ist falsch', heißt es: 'Denk an Auschwitz!'' Das hat ihm heftige Reaktionen eingebracht, und eine solche Stellungnahme würde ihm heute, im aktuellen Kontext, wahrscheinlich sowohl in Deutschland als auch in Frankreich erst recht polemische Angriffe einbringen."
Sehr eindrücklich ist der Nachruf des Politikwissenschaftlers Claus Leggewie:
Man hätte noch mehr auf ihn hören sollen, als er 1983 auf dem Evangelischen Kirchentag die Einäugigkeit der deutschen (und französischen) Friedensbewegung gegenüber dem sowjetrussischen Imperium anklagte, und erneut 2014, als er zum Gedenken an den 1. Juli 1914 Putins Angriff auf die Ukraine eine Kriegserklärung an Europa nannte.
Hoffen wir, dass die Völker, die heute als Erbfeinde gelten, nach den Kriegen in der Ukraine oder im Nahen Osten einen Begleiter wie Alfred Grosser bekommen, der bis zuletzt den Nachgeborenen sagte:
Ihr tragt keine Schuld, aber ihr müsst an Hitler und an das Dritte Reich denken und (darum) heute überall die Menschenrechte verteidigen.
Quelle: Alfred Grosser, Claus Leggewie, Rudolf Balmer, Ulrich Wickert, Ursula Welter u. a. www.ardmediathek.de
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ich hab ihm stets gern zugehört. danke für's piqn, achim.