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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Der Jahrhunderthistoriker Eric Hobsbawm

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMittwoch, 14.04.2021

Eric Hobsbawm (1917–2012) war ein produktiver Historiker – und sicherlich derjenige im 20. Jahrhundert mit der breitesten Wirkung.

Sein Das Zeitalter der Extreme war Mitte der 1990er Jahre ein internationaler Erfolg. Selbst in die populäre Kultur wirkte es. Es inspirierte die dreibändige millionenfach verkaufte Jahrhundertsaga von Ken Follett – Sturz der Titanen, Winter der Welt, Kinder der Freiheit. Seitdem sind bedeutende Werke der Geschichtsschreibung erschienen, keines aber reichte von der Breitenwirkung bei gleichzeitiger Anerkennung durch die Fachwelt heran an Eric Hobsbawms Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Wohl auch deshalb gibt es den hier empfohlenen Dokumentarfilm, der sein Leben in diesem extremen Zeitalter eindrücklich schildert.

Zwar hatte die Geschichtsvergessenheit Mitte der 1990er Jahre noch nicht die dramatischen Ausmaße wie heute erreicht, aber bereits Eric Hobsbawm klagte:

Die Zerstörung der Vergangenheit, oder vielmehr die jenes sozialen Mechanismus, der die Gegenwartserfahrung mit denjenigen früherer Generationen verknüpft, ist eines der charakteristischsten und unheimlichsten Phänomene des späten 20. Jahrhunderts.

Im Zeitalter der digitalen Revolution und in Erwartung künstlicher Intelligenz ist dieser Prozess weiter fortgeschritten.

Das Werk von Eric Hobsbawm, das zeigt der Film, bietet immer noch viel gestaltetes Material zum Nachdenken und einprägsame Erkenntnisse. Es gab sich in keiner Weise der Selbstzufriedenheit hin, wie wir‘s dann so herrlich weit gebracht haben. Den Ausdruck Fundamentalismus lehnte Hobsbawm für die „politisierten Religionen“ ab, da sie nichts Wesentliches zu „aktuellen Problemen von Gesellschaften zu sagen“ haben, die „so völlig anders waren als beispielsweise die Hirtennomaden im alten Nahen Osten“. Sie waren für ihn nur ein Symptom der Krankheit, die sie vergaben, heilen zu können.

Für das 21. Jahrhundert erwartete Eric Hobsbawm das steigende Risiko sowohl von Implosionen wie von Explosionen. Nur bei grundlegenden Veränderungen sah er ein Fortschreiten der Menschheit als möglich an. So endet das Zeitalter der Extreme mit alttestamentarischer Wucht:

Und der Preis des Scheiterns, die Alternative zu einer umgewandelten Gesellschaft, ist Finsternis.

Das verwunderte einige, die glaubten, er urteile allein aufgrund seiner Erfahrungen im Katastrophenzeitalter. In Interviews zeigte er sich sicher, dass der Kommunismus, an den er geglaubt hatte, tot sei und nicht wiederkehre. Aber eine vom Markt abhängige Demokratie führe in Katastrophen:

Wenn die Umweltprobleme und die sozialen Probleme, um nur zwei Beispiele zu nennen, nicht gelöst werden oder wenn nicht einmal die Perspektive einer Lösung besteht, dann fürchte ich den Aufstieg der politischen Rechten, der Kräfte der Barbarei.

Welche hellsichtige Voraussage Mitte der 1990er-Jahre, als andere an ein Ende der Geschichte glaubten!

Für die Teleakademie gab er auf Deutsch einen Vortrag (leider fehlen die letzten 5 Minuten) zu seiner Geschichte des 20. Jahrhundert. Einen Ausschnitt kann man auch im Dokumentarfilm sehen.

Wer Hobsbawm nicht nur sehen und hören will, wird hier fündig.

Gestern & Heute: Der Jahrhunderthistoriker Eric Hobsbawm

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