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Zeit und Geschichte

Ein Mann der Exekutive und ein großer Zeitzeuge: Wolfgang Schäuble

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerDienstag, 02.01.2024

Am zweiten Weihnachtsfeiertag ist Wolfgang Schäuble verstorben. Ganz gleich, was man politisch von ihm halten mag: Schäuble hat die jüngere deutsche und damit auch die europäische Geschichte über Jahrzehnte mitgeprägt wie kaum ein Zweiter. Er war ein Mann der Exekutive, sagte er vor nicht langer Zeit in einem sehenswerten Gespräch mit Gregor Gysi, das ich hier gepiqd habe. 

Ähnlich wie bei den berühmten Interviews "Zur Person" von Günter Gaus geht es in Gysis Gesprächen, die unter dem hintergründigen Slogan "Miss-Verstehen Sie mich richtig" laufen, um die Frage, wie sich Lebenserfahrungen im politischen Denken und Handeln einer Person auswirken.  

Natürlich, Gysi ist kein Journalist, seine Fragen sind nicht besonders spitz oder gar provokant, sie sind wohl auch nicht so intellektuell wie jene von Gaus, aber er ist ausgesprochen neugierig und interessiert am Gegenüber; dass er bei seinen Abenden im Theater gute Stimmung verbreitet und gerne mal den ein oder anderen Witz erzählt, dürfte zur Strategie zählen. Mit seiner entwaffnenden Höflichkeit verführt Gysi seine Gäste geschickt zum offenen Plaudern und bringt an ihnen Seiten zum Vorschein, die so nicht unbedingt jedem bekannt sein dürften.

In diesem vor gut einem Jahr geführten Gespräch lässt er Wolfgang Schäuble sage und schreibe zweieinhalb Stunden lang aus seinem Leben erzählen. Klar, das ist viel Zeit, aber ich finde, es lohnt sich, denn anschließend versteht man seine Aussagen und Handlungen ein wenig besser – ob man ihnen nun zustimmt oder nicht. Doch auch jene, die ihn weniger mochten, werden von der ein oder anderen Stelle überrascht sein, an der sich die beiden recht einig sind – und keineswegs nur, wenn es um die Kandidaten der Linken für das Amt des Bundespräsidenten geht.

Zumindest ich habe zudem ein etwas ausgewogeneres Bild dieses Politikers erhalten, der ja hart und allen voran in der Eurokrise gegenüber den Griechen harsch bis brutal wirkte. Es war wohl eine Mischung aus taktischer Härte, konservativem Ordnungsdenken und moralischer Prinzipientreue. Und weil Schäuble rund vier Jahrzehnte lang die Politik an vorderster Stelle mitgeprägt hat, ist das Gespräch nicht zuletzt eine Art deep dive in die jüngere Zeitgeschichte – Teil 1 hier, Teil 2 hier.

Ein Mann der Exekutive und ein großer Zeitzeuge: Wolfgang Schäuble

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Kommentare 13
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 12 Monaten

    Danke, habe den ersten Teil gehört. Es ist immer wieder erstaunlich, wie einfach letztendlich die Kalküle der Politiker doch sind. Aber wahrscheinlich muß man vereinfachen, Komplexität reduzieren, um überhaupt entscheidungsfähig zu bleiben?

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 12 Monaten

    Bin gespannt.

    Da es aber der einzige Beitrag zu Schäuble ist, dennoch eine Ergänzung:

    Die Negativliste, obwohl er oft auf schwierigen Missionen unterwegs war, ist lang. Beim Einigungsvertrag erwarteten seine Kritiker, dass der Osten für Jahrzehnte ins Hintertreffen gerät und sich anders entwickeln wird: Heute haben wir ein signifikant anderes Wahlverhalten in Kernländern des Ostens.

    Hier ein Statement von Varoufakis, dem ich ansonsten in letzter Zeit wenig zustimme:
    https://www.yanisvarou...
    Freilich, Griechenland war wie die DDR marode, aber die Voraussagen von Varoufakis trafen zu. Der Verkauf von wichtigen Teilen der Infrastruktur führte dazu, dass China und Russland Knotenpunkte erhielten, von denen sie ihren Einfluss auf den Westbalkan erweitern.
    Unlängst erschien dazu auch ein Beitrag in der NZZ, die bekanntlich nicht linksverdächtig ist. https://www.nzz.ch/int...
    Die Drohungen von Schäuble, er werde Varoufakis verklagen, blieben leer. Also müssen wir davon ausgehen, dass der griechische Kurzzeitfinanzminister wichtige Einblicke in die Entscheidungsprozesse der EU gab. Hier wurde - mit Ausnahme Kroatiens (Slowenien ist ein Sonderfall) - eine Integration des Westbalkans verpasst. Wahrscheinlich schloss sich das Zeitfenster mittlerweile.

    Diese Negativliste kann man leicht verlängern, auf der Positivliste fällt mir momentan nur ein, dass Schäuble sich vehement für Berlin als Hauptstadt einsetzte.

    Was sollte man ansonsten erwähnen?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      Der Osten war doch schon beim Eintreten in die Einheit drastisch im Hintertreffen. Wer geglaubt hat, man könne das schnell ändern, der war naiv. Es gab keinen schnellen Weg. Egal wer damals an der Regierung war - es hätte wohl immer eine lange, lange Negativliste gegeben.
      Auch das Wahlverhalten war im Osten damals schon anders. Kohl hätte diese Wahl ohne den Einheitsprozess nicht gewonnen und eine PDS wäre im Westen nicht in den Bundestag gekommen.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Deshalb beschränkte ich mich nicht auf den Osten Deutschlands.

      Schnell ändern konnte man vieles nicht, was ja auch Schäubles Kritiker nicht behaupten, aber die Weichen anders stellen. Es gab keinen zwingenden Grund, um nur ein Beispiel zu nennen, Rückgabe vor Entschädigung durchzusetzen.

    3. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 12 Monaten

      @Achim Engelberg Wer hätte die Entschädigung denn zahlen sollen?

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 12 Monaten

      @Dirk Liesemer Das kann man, da der Weg nicht gegangen worden ist, heute kaum noch sagen. Wahrscheinlich wäre dieser, da zum Beispiel die Treuhand nicht Gewinn, sondern Verlust gemacht hat, noch verändert worden. Aber womöglich hätte sie bei einem gesamtgesellschaftlich klügeren Verkauf Gewinn gemacht.

      Wahrscheinlich wird sich die Wut im Osten in diesem Jahr entladen.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Achim Engelberg Zwingende Gründe sind meist selten. Wann ist etwas schon wirklich zwingend. Es sind immer Abwägungen und natürlich auch Präferenzen. Die sich dann als ungünstig erweisen können. Vor allem wenn man schnell entscheiden muß.

    6. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Wenn man meinen ersten Kommentar liest, erkennt man, was ich wollte.

      Jetzt beginnt schon wieder eine Kommentar-Girlande über was anderes.

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Achim Engelberg Verstehe ich nicht? So eineindeutig sind Texte eigentlich nicht, das man genau erkennt, was der andere wollte. Da wäre Kommunikation ja sehr einfach und es bräuchte keine Diskussion.

    8. Berthold Kaufmann
      Berthold Kaufmann · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl doch, lieber Herr Wahl, Kommunikation wäre tatsächlich sehr einfach, wenn Sie nicht immer wieder vom Thema ablenken und mal zuhören würden....

      Herr Engelberg hat klar geschrieben: "der Verkauf von Infrastruktur. ..." war problematisch.... das können wir heute an vielen stellen auch in DE feststellen.... wir werden demontiert.... diese Problematik und den dahinter liegenden Neoliberalismus zu leugnen wird unsere demokratischen Strukturen weiter erodieren ....

      ".... erst haben sie die Juden geholt. .... dann die Kommunisten..... dann die behinderten 'tlebensunwürdigen' Menschen. .... und als sie dann mich holen kamen, da war keiner mehr, der mir hätte helfen können''. .... sorry für den weiten Bogen und ich kann das Zitat nicht wörtlich aus dem Kopf....

    9. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Berthold Kaufmann Leiber Herr Kaufmann, Kommunikation ist nie einfach. Aber Sie haben recht, wir müssen uns Mühe geben. Dazu gehört auch richtig zitieren und immer wieder den anderen zu verstehen versuchen. A.E. schrieb eben nicht "der Verkauf von Infrastruktur. ..." war problematisch.... sondern: "Der Verkauf von wichtigen Teilen der Infrastruktur führte dazu, dass China und Russland Knotenpunkte erhielten, von denen sie ihren Einfluss auf den Westbalkan erweitern." Im Grunde beschreibt er damit staatliche russische und chinesische Strategien, marode Infrastrukturen im Wesen billig aufzukaufen bzw. aufzubauen. In Griechenland war aber dafür die dortige Regierungen verantwortlich, nicht Schäuble. In Ostdeutschland waren ja Teile der Energieinfrastrukturen schon in russischem Mitbesitz. Ostdeutsche Kraftwerke hat man auch an Vattenfall verkauft, einem schwedischen Staatskonzern. Und in der Wende galt Rußland auch nicht mehr als Feind. Eher im Gegenteil, es gab Hoffnung auf Demokratisierung. In China hoffte man ähnliches. Wandel durch Annäherung. Jedenfalls ist das neosozialistische chinesische Staatsprojekt der Seidenstrasse wirtschaftlich gescheitert (siehe Link von A.E.). Man kann es daher schlecht dem Neoliberalismus in die Schuhe schieben. Das jetzt rückwirkend als Schäubles Fehler zu bezeichnen, na ja. Ich hab den Text jedenfalls nicht wirklich als klar empfunden. Sicher steht dahinter auch Achims Wut auf den "Neoliberalismus".

      Wobei wir bei ihrer "Problematik und den dahinter liegenden Neoliberalismus" wären. Wenn man diesem schwarz/weiß Weltbild folgt, Privatwirtschaft immer schlecht, Staatsunternehmen immer gut, dann muß man natürlich selbst den Verkauf von durch den Staat regelmäßig ruinierten Unternehmen als "Neoliberal" sehen. Es kann immer nur in eine Richtung gehen, mehr Staat. Egal wie schlecht dieser wirtschaftet, wie schlecht er bei Bau und Pflege der Infrastrukturen da steht. Ich würde diese Ideologie "Neosozialismus" nennen. Aber eigentlich muß es darum gehen ein jeweils ausgewogenes Verhältnis zu finden. Ein wirklich komplexes Unterfangen. Wohlwissend, das Sie das nicht denken oder diskutieren möchten. Oder?

      Und lieber mit dem Nationalsozialismus kommen. Den anderen historischen Fall - erst holten sie die gemäßigten Linken, dann die Kulaken und Unternehmer, dann die Religiösen, dann alle anderen politischen Gegner - den hat man schon vergessen? Kann man machen - aber Kommunikation und Diskussion befruchtet das m.E. nicht.

    10. Berthold Kaufmann
      Berthold Kaufmann · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl .... schon wieder haben Sie mich bewusst missverstanden: das 'war problematisch' war meine Interpretation, und gehörte nicht mehr zum Zitat.... und ich kann das nur bekräftigen, der Verkauf hat China und Russland einen problematischen Einfluss dort gebracht.... so habe ich Herrn Engelberg verstanden und das sehe ich leider genau so.... dass Sie das gleich wieder relativieren müssen ist Ihre Sache, halte ich allerdings auch für problematisch....

      .... und nein, ich mag ganz bestimmt kein schwarz/weiß, sondern die ausgewogene Argumentation.... hier in diesem Kontext fehlen mir allerdings die Ressourcen und die Zeit, ausführliche Texte und viele Zitate zu bringen.... und ich frage mich langsam, woher Sie diese Ressourcen nehmen....

      und ein letztes: Ihre Formulierung "Achims Wut auf den Neoliberalismus" halte ich für mindestens unangemessen und bitte Sie, sich dafür ausdrücklich zu entschuldigen! Solche General.Vorwürfe und Pauschalierungen haben nach meinem Empfinden hier nichts verloren.... ich danke Ihnen

    11. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Berthold Kaufmann Ich verstehe, dass Sie vielleicht weniger Zeit haben wie ich als Rentner, für den die Beschäftigung mit Politik und Geschichte und dem Streit darum auch nach dem Job noch ein wichtiges Hobby ist. Für mich ist der Streit (neben Wissen und Erfahrung) der Vater der Erkenntnis. Es braucht aber inhaltliche Substanz.

      Aber es tut mir leid. So wie hier möchte ich nicht diskutieren. Erst verkürzen und verbiegen sie das Zitat, mit der Bemerkung A.E. hätte klar geschrieben und ich hätte abgelenkt. Danach erklären Sie doch dass ganze Zitat wieder für richtig. Dann beschuldigen Sie mich mit meiner Antwort der Relativierung. Sind aber für eine ausgewogene Diskussion. Das macht keinen Sinn und man lernt auch nichts.

      Das wir heute wissen, dass der Einfluss von China und Rußland problematisch ist (was ich nicht bestritten habe) beantwortet nicht die Frage, was das damals mit Schäuble zu tun hat? Für Griechenland zumindest ist er nicht zuständig gewesen. Und damals haben weder links noch konservativ Probleme mit der wirtschaftlichen Verflechtung mit Rußland gesehen. Im Gegenteil, es war mit viel Hoffnung verknüpft, auch ich hatte die. Wer das jetzt anläßlich des Todes auf die Negativliste von Schäuble setzt und sonst nichts positives sieht, der sitzt m.E. selbst u.U. im Glashaus. Vielleicht wußten Sie das damals ja schon besser und wären gleich auf Konfrontation gegangen?

      Ich habe oft genug mit Achim gestritten um seine Wut auf den Neoliberalismus zu kennen. Ich halte das für falsch, so what? Das ist für mich auch keine Schande. Weder ist er da allein noch ist Wut in Weltanschauungen ganz weg zudenken. Und es heißt keinesfalls dass ich Achim deswegen nicht als guten Journalisten achte. Für mich sind politisch Andersdenkende nicht gleich Feinde ….

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